Zuckersüß 471: Statistische Kuration, gefälschtes Vintage, eisernes Schweigen

Pasticceria Sandri in Perugia

…mit kaum Gebackenem, einer Reise nach Italien (International Journalism Festival Perugia), einem Ausflug ins Brucknerhaus in Linz, einem Restaurantbesuch (Rosebar Centrala), einer neuen Effilee-Ausgabe, weiterer Medienaufmerksamkeit auf die Ö1-„Freien“und wie immer, den besten Links der letzten Wochen.

Seit dem letzten Zuckersüß habe ich Kirschblatt- und Brombeerblatt-Butterkekse und Biskuittorte mit Brombeeren und Waldmeistersahne (Rezept bald im Blog!) gebacken. Außerdem habe ich die bei einem Nachtspaziergang gefundenen Holunderblüten zu Likör verarbeitet und Karamell-Popcorn-Sirup gekocht, den ich in einen Bourbon-Cocktail gemixt habe (Rezept folgt bald!).

Gegessen

Penne alla Vodka (nach SeriousEats), Kartoffel-Kibbeh (nach Immer schon vegan von Katharina Seiser). Sesamnudeln mit Spiegelei, Linsensalat mit weichgekochtem Ei. Eine sehr gute Topfengolatsche von der Bäckerei Brandl in Linz (3,30€) und Pan del Doge (4,50€) als Mitbringsel aus Venedig. Überraschend fluffiger Karotten-Walnuss-Kuchen mit Ingwernote (5,50€) bei No Panic Coffee (1090).

U.a. Salami mit Essiggurkerl (5€), Chips mit Sauerrahm und Forellenkaviar (6,50€), Spargel mit brauner Butter, Brimsen und Sonnenblumenkernen (12€) und Buchweizeneis mit Honigkeks (7,50€) im nordisch-cool-rustikalen Rosebar Centrala (1200). Als Absacker einen frozen mango daiquiri (9,80€) in der nahegelegenen Hacienda Ephemer.

Venedig / Florenz / Perugia

*In* Venedig, im Ristorante Cinema Al Italia (völlig zufällig hineinspaziert und glücklicherweise sehr gut ausgewählt) Spaghetti vongole (20€) mit viel ungesalzenem Weißbrot zum Sauce-Auftunken und einen Negroni Sbagliato (15€). In Florenz, ebenfalls irgendwo zufällig hineinspaziert, Bruschetta mit für die Jahreszeit überraschend guten Tomaten und, für mich völlig neu Pappa al pomodoro (12€), also ein Brei aus altem Weißbrot mit Tomaten, viel Olivenöl und Pfeffer. Schmeckt viel besser als es klingt und aussieht!

In Perugia einigies an Gebäck von Sandri (s. Titelbild), besonders hervorzuheben ein exakt quadratischer Plunderteigwürfel mit Vanillecremefüllung. Eh-ganz-okaye-Pasta-al-ragu bei Peppone, das mir vor allem wegen der Diddl-Font im Gedächtnis bleiben wird. Allerliebste Pizza al taglio zu jeder Tages- und Nachtzeit bei Pizzeria Marchigiana und Pizzeria Reginella (hier: Kartoffel/Friarelli/Chili).

Sehr gute Cocktails (hauptsächlich Espresso Martini) in der Bar des Hotel Brufani.

Gesehen

Meine Sketchnotes zum Panel „AI and Journalism. What does it take to get it right?“ beim ijf24 in Perugia

Viele Vorträge beim International Journalism Festival 2024. Die Altstadt von Perugia, inklusive gefühlt einer Million Rolltreppen, die nicht etwa zu U-Bahnen o.Ä. führen, sondern einfach noch mehr Rolltreppen, bis an den Fuß der sehr steilen Stadt. Den Dom von Florenz (von außen), dessen grün-weiße Steinfassaden im gleißenden Sonnenlicht etwas Disney-esques haben. Eine Stunde Venedig am Eröffnungswochenende der Biennale (viele artsy Menschen auf den Straßen!).

Eine „Kostprobe“ im Brucknerhaus in Linz. Acht Euro Eintritt, etwa 30 Minuten Vorstellung, bzw. Probe: Alle Musiker_innen in Alltagskleidung, häufige Unterbrechungen für Verbesserungen. Als ich da war, fand grad eine Masterclass für Dirigierende statt, d.h. drei Studis – aus Chile, China und Japan – dirigierten jeweils einen Satz von Bruckners Sechster, Chefdirigent Markus Poschner redete Verbesserungsmöglichkeiten ihrer Technik dazwischen. Ich glaube, einige der Leute, mit denen ich da war (die das nicht erwartet hatten), fanden das unerträglich, ich wahnsinnig interessant – nie zuvor hatte ich drüber nachgedacht, wie man eigentlich zum/zur Dirigent_in ausgebildet wird!

Veröffentlicht

Im Blog: Kirschblatt- und Brombeerblatt-Butterkekse

Anderswo: „Ein Pinienwald am Meer“ in Effilee #68/69 und ein Rückblick auf das International Journalism Festival Perugia 2024 in meinem Sketchnoteblog. Zwei weitere Folgen von Jeannes Varieté, dem Podcast meiner Chefin Jeanne Drach, den ich mitkonzipiert habe und laufend mitproduziere: Folge 9 Verlorene Liebe mit Vampiren am Himmel und 10 Auf der gelben Straße nach Iowa Spaghetti essen.

Über mich: Die ORF-Spitzengehälter und die im Gegensatz dazu stehenden prekären Beschäftigungsverhältnisse sind immer noch Thema im österreichischen Mediendiskurs, Beatrice Frasl hat die Angelegenheit in ihrer WZ-Kolumne aufgegriffen und meinen Blogpost dazu erwähnt: Für Männer Millionen, für Frauen Peanuts: ORF-Gehälter.

Rezepte

All about Liquorice – Allsorts cookies – Kitchen Projects
Ich bin unentschieden, ob ich Lakritze hasse oder liebe, in den Lakritz-Keksen (Rezept von 2020) mag ich sie sehr gerne, dieses Rezept von Camilla Wynne könnte damit auch was für mich sein.

Candied Orange Ice Cream with Chocolate Fudge Swirl (Crema del Doge)
Ein Venedig-inspiriertes Eisrezept!

Texte

Models All The Way Down -Christo Buschek & Jer Thorp – Knowing Machines (via Robin Sloan)
Sehr schön gemachtes Scrollytelling-Stück zur Ethik von AI-Trainingsdaten:

This is what curation by statistics looks like: tiny tweaks to code can have profound effects on the content of training sets, and on the models that use them to shape their computational worldview.
There are two important things we can learn here.
First, that algorithmic curation commonly depends on numeric thresholds which are very often poorly understood.
For decades datasets were constructed by human intervention. This generally yielded datasets that are of high quality but too small to make today’s LLM’s yield meaningful results.
LAION set out to build a dataset for these newer, hungrier models. They built a dataset that is purely constructed by machine processes, by running models and tweaking thresholds: LAION-5B is made by measure.
But what is getting measured? The quality of data? The capacities of CLIP? The success of a model against a benchmark? The benchmark itself?
Second, that there is a circularity inherent to the authoring of AI training sets.
Because they need to be so large, their construction necessarily involves the use of other models, which themselves were trained on algorithmically curated training sets.

On AI agents: how are these digital butlers supposed to get paid? – Dave Karpf
Mehr lose AI-Kritik:

Until someone can explain how we’re going to pay these digital butlers, I’m going to assume they aren’t ever going to be available to the masses. That’s not their purpose in this story. Their purpose is to get us excited about the promise of AI, to place our faith in these tech firms (old and new) under the assumption that the benefits will be broadly distributed sometime later.

The Tech Baron Seeking to “Ethnically Cleanse” San Francisco – New Republic (via Tante)
Silicon Valley-Politik auf ganz gruseligen Abwegen:

Balaji goes on—and on. The Grays will rename city streets after tech figures and erect public monuments to memorialize the alleged horrors of progressive Democratic governance. Corporate logos and signs will fill the skyline to signify Gray dominance of the city. “Ethnically cleanse,” he said at one point, summing up his idea for a city purged of Blues (this, he says, will prevent Blues from ethnically cleansing the Grays first). The idea, he said, is to do to San Francisco what Musk did to Twitter.
“Elon, in sort of classic Gray fashion … captures Twitter and then, at one stroke, wipes out millions of Blues’ status by wiping out the Blue Checks,” he said. “Another stroke … [he] renames Twitter as X, showing that he has true control, and it’s his vehicle, and that the old regime isn’t going to be restored.”

On Openings Essays, Conferences Talks, and Jam Jars – Maggie Appleton
Ein paar Schreibtipps. Sehr spannend auf einem Metalevel: Die Box am Anfang des Artikels zum „assumed audience“! (Klarstellung dazu: Ein assumed audience fürs Zuckersüß existiert in meinem Kopf nicht… bzw. bin es am ehesten noch ich selber, als Schreibende :‘)

Your job becomes much harder if you pick topics with no tension, problems, or puzzles within them. To paraphrase Williams, it is more of a failure to pose an uninteresting problem, than to poorly articulate an interesting one.

„Wir brauchen nicht noch mehr Honigbienen“ – derStandard.at
Diese Art von Recherche zu Wohlfühl-Nachhaltigkeits-Messaging (green-washing?) einiger Firmen würde ich gern öfter lesen:

„Das Narrativ, dass wir für die Biodiversität und gegen das Insektensterben noch mehr Honigbienen brauchen, geht an der Realität vorbei“, sagt Peter Unglaub, Biodiversitätsforscher an der Universität für Bodenkultur Wien und Mitglied des Österreichischen Wildbienenrats. Jahrelang sei die Ansicht, dass Imkerei automatisch auch Umweltschutz bedeute, von der Imkerlobby gepusht worden. „Wenn ich mir Bienenstöcke in den Garten stelle und behaupte, ich tue etwas für den Insektenschutz, ist das in etwa so, wie wenn ich Hühner halte und sage, ich tue etwas für den Brutvogelschutz.“

Wie steht es mit Polyandrie – dem Recht einer Frau auf Mehrfachehen? – derStandard.at
Auf Recherche für eine zukünftige Folge Jeannes Varieté entdeckt.

Schon das feudale alte Europa der Vergangenheit hatte für überschüssige männliche Personen Lösungen parat. Um Erbteilung zu vermeiden und um Grund und Boden und Kapital zusammenzuhalten, wurden zweite und dritte Söhne und Männer mit geringen kompetitiven Fähigkeiten in den Krieg, in die katholische Kirche, in die Schifffahrt, in die Knechtschaft oder in die Kolonien geschickt. Auch jetzt schaffen Industrien Angebote für Incels („involuntarily celibate“), eine Subkultur unfreiwillig sexuell Abstinenter. Sie mögen wohl auch vielen wenig verlockend erscheinen – Drogen und Spielautomatenhallen, Pornografie, Laufhäuser, sextouristische Betriebsstätten in Billiglohnländern und ähnliche Räume des zeitweiligen Vergessens, real oder virtuell, mit rein männlichen Abteilungen (Mannosphäre), in denen mit den Ingredienzien Sexismus, Antifeminismus, Maskulinismus und Machogehabe, auch Hass und Gewalt, Männlichkeiten konstruiert werden, die für Außenstehende eher schon verzweifelt anmuten.

Die Traumfrau – brandeins
Düzen Tekkal im Porträt.

Jeden Morgen bespricht sie mit ihrem Kommunikationsreferenten, welches Thema sich eignet, um Aufmerksamkeit zu erregen. Manchmal allerdings, wie am 21. September 2020, ist die Sache klar. Der den CDU-Parteivorsitz und die Merkel-Nachfolge anstrebende Friedrich Merz war in einem Interview nach seiner Haltung zu einem möglichen schwulen Kanzler gefragt wurden. Er habe kein Problem damit, antwortete Merz, doch bei Pädophilie ende seine Toleranz. Jens Spahn, den einige als Kanzlerkandidat handeln, ist mit einem Mann verheiratet. Er reagierte ob dieser Verknüpfung irritiert. Und Tekkal brannte es förmlich unter den Fingern: „Wer Kanzler werden will“, twitterte sie, „sollte ein Gespür für die Gesellschaft haben, die er politisch führen möchte. Die überwiegende Mehrheit in unserem Land hat die Assoziationen überwunden, die Merz zu Homosexualität einfallen.“
Harte Kritik an einem Parteifreund. Tekkal hat da keine Scheu – zumal alles, was Spahn nützt, auch ihr hilft. Sie ist eine Strategin, eine, die mitmacht beim Spiel um die Macht. Doch daran stört man sich bei ihr weniger als bei anderen. Weil sie für ihre Sache brennt. Weil sie im Kampf gegen Rassisten und religiöse Fanatiker Risiken in Kauf nimmt.

Fake Vintage: Fälschungen aus Pakistan im Second Hand Laden – correctiv.org
Auweh, jetzt ist second hand-Kleidung-fälschen schon ein lukratives Geschäftsmodell??

Auch die Firma Mughal Brothers zeigte gerne im Netz, was sie zu  bieten hat: Mit den Videos aus der Fabrik in Sialkot will der Händler  sein Angebot vermarkten. Dabei ergeben sich tiefe Einblicke in deren  Geschäfte – und in die von Strike: Auf der Instagram-Seite von Mughal  Brothers sah man bis vor wenigen Tagen Ladungen von Textilien, die  aussahen wie Vintage. Zugleich zeigten Tiktok-Clips die Arbeiter in der  Fabrik, wie sie Kleidung auch in Vintageoptik herstellen – „Second Hand“  made in Pakistan.

Audio/Video

Da können wir Ihnen auch nicht weiterhelfen. Staatenlose in Österreich. – Radio Radieschen Hörfeld – Das Feature Format
Mir war nicht klar, dass man Staatenlosigkeit vererbt bekommen kann.

Weltweit sind mehr als 10 Millionen Menschen von Staatenlosigkeit betroffen. Allein in Österreich leben laut Melderegister über 20.000 Menschen mit ungeklärter, unbekannter oder gar keiner Staatsbürgerschaft. Was für andere selbstverständlich ist, kann für Staatenlose zum unüberwindbaren Problem werden: eine SIM-Karte zu aktivieren oder ein Bankkonto zu eröffnen.
Ein Feature von Johanna Hirzberger und Vincent Leb.

Eisernes Schweigen. Über das Attentat meines Vaters – WDR (via Soundbett)
Diese Podcastserie habe ich am Wochenende beim Putzen durchgebingt, und das obwohl ich eigentlich nach der ersten oder zweiten Folge aufhören wollte. Am Anfang war mir die Erzählung nämlich etwas zu ich-bezogen, die nachgesprochenen Szenen zu cringe, und gleichzeitig fehlten mir essentielle Infos: Woher stammt der Attentäter bzw. die Tochter, also Ich-Erzählerin (Südtirol? DDR? BRD?)? Warum sollte mich das heute interessieren? Nach ein paar Folgen wurde das klar (Neonazi-Attentäter aus der BRD, der Südtirol als „deutsch“ sah und sich deshalb am „Freiheitskampf“ beteiligte) und ich war hooked, v.a. weil BRD-DDR-Beziehungen auch noch in den Fall hineinspielten (aber weiterhin: ein bissl zu viel ich-Erzählerin für meinen Geschmack). Ich bin im nachhinein ein bisschen schockiert, dass ich noch nie von diesen politischen/terroristischen Kämpfen gehört hatte.

Das ist die wahre Geschichte eines Attentäters, der sein Leben lang über die Tat schwieg – aufgearbeitet von seiner Tochter. Traudl Bünger sucht in 8 Folgen nach der Wahrheit über ihren Vater, der 1962 an einem tödlichen Bombenanschlag beteiligt war. Dabei geht es um ihre Familie, um blinde Flecken in der deutsch-deutschen Geschichte, um rechtsnationale Netzwerke, die bis heute wirken – und um die große Frage nach dem Warum.

Sonst So

When forbidden flowers escape from the lab – We make money not art
Klaus Pichler macht so tolle Fotokunst! Hier im Fokus: eine orange Petunien-Art, die eigentlich nicht existieren dürfte.

Backkatalog



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

Meine Sketchnotes:
jasowieso.com

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Porträtfoto: (c) Pamela Rußmann

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Im Zuckersüß sammle ich (fast) jeden Sonntag meine liebsten Links der Woche: Rezepte für die Nachback-Liste, lesenswerte Blogposts, Zeitungsartikel und Longreads, Podcasts oder Musik, die mir gerade gefällt und oft genug auch Internet-Weirdness. Außerdem schreibe ich auf, was ich sonst so interessant fand: neue Rezepte in meiner Küche, Lokale, in denen ich gegessen, Pullover, die ich gestrickt oder Texte, die ich geschrieben habe.