Zuckersüß 355

Weil mein letzter Sonntagspost schon einige Wochen her ist, folgt hier ein langer Blogpost voller shameless selfplugs und crossposting zu meinen anderen Blogs. Springt einfach direkt zu den Links, wenn ihr mein Tagebuchblogging fad findet ;)

Ich war im Wetter, im Oreno Ramen und im Mochi Ramen (Lokal-Blogposts folgen!) essen und habe sehr viele Kekse im Mini-Format gebacken: Bravetart’s Chocolate Chip Cookies, Lakritzkekse (bald im Blog!), Erdbeerkekse, Ingwershortbread und Marzipanhörnchen mit Orangenblütenwasser.

Eine Reise nach Frankreich

In Paris habe ich die meiste Zeit tee- und weintrinkend mit Freund_innen verbracht und deshalb kaum etwas besichtigt – nicht mal eine Ausstellung habe ich mir angesehen. Für aktivistische Kunst im öffentlichen Raum braucht es das glücklicherweise auch nicht. An allen möglichen Orten der Stadt sind mir an Wände gekleisterte, schwarz beschriebene A4-Zettel mit feministischen Botschaften aufgefallen:

Im Park Buttes-Chaumont bin ich bei erstaunlich frühlingshaftem Wetter spazierengegangen. Von der dortigen Aussichtsplattform sieht eins wirklich sehr schön über die Stadt. Und abgesehen von ein paar posenden Instagrammer_innen, Jogger_innen und Eltern mit Kinderwägen ist vormittags kaum wer dort unterwegs, sodass sich eins gut ausruhen kann. Oder Zeitunglesen: Ich bin endlich dazugekommen, mir die Malmoe #90 vom letzten Jahr eingehend anzuschauen. Ohne diese linke Gazette (wie sie sich selbst bezeichnet) zu kennen, hatte ich sie vor Weihnachten im Soziologieinstitut mitgenommen und nur oberflächlich durchgeblättert. Am Ende hätte ich hier im Zuckersüß am liebsten auf die Hälfte der Texte (insbesondere das Dossier zum AMS-System und „Blinken in beige.“ von Katherina Braschel) verlinkt, leider sind sie nicht online.

Und dann habe ich auch noch mein erstes Interview auf Französisch geführt: Lionel Bonnamy von der Fabrique aux Gourmandises, der den Concours du Meilleur Croissant au Beurre 2019 in der Region Paris gewonnen hat, hat mir ein paar Fragen zu – wer hätte das gedacht – Croissants beantwortet (zu hören dann Ende März im Ö1 Moment Kulinarium!).

Anschließend war ich noch für ein paar Tage in Nancy. Der Campus Lettres et Sciences Humaines sah genauso grau und trostlos aus wie ich ihn kennengelernt habe und dann wurde auch noch, genau wie vor zwei Jahren, ein eintägiger Streik ausgerufen!

Ich holte mir zwar ein Flugblatt mit den Forderungen, entschied mich aber lieber für einen Stadtspaziergang, anstatt mich mit dem Blocus zu beschäftigen (2018 habe ich eine Reportage fürs Uniradio darüber gemacht!). Ich habe ein Kaffee-Merveilleux (Meringue gefüllt mit Kaffee-Sahne), mehrere Croissants, Beignets (viel schlechter als Krapfen!) und Baguette gegessen und war in der Plantation (sehr sympathische Bar gleich beim Bahnhof!) einen Punch Coco trinken.

Zurück nach Wien bin ich mit dem Zug via Strasbourg und Frankfurt. Die Reise hat ein bisschen länger als zwölf Stunden gedauert und war mir trotzdem tausendmal lieber als der Hinflug mit dem schrecklichen Sicherheitstheater (Stricknadeln verboten??). Ich habe mir ein Abendessen im Bordrestaurant (Gemüsecurry mit Kokosreis) gegönnt und mich ein bisschen wie in einer anderen Zeit gefühlt.

Kino

In Wien habe ich Lindenberg! Mach dein Ding angeschaut. Vor diesem Film kannte ich Udo Lindenberg nur als eher gruselig aussehenden alten Mann, der nie ohne Sonnenbrille unterwegs ist, aber scheinbar hat er in der BRD-Popkultur echt was verändert. Wie nah die Darstellung seiner Nachkriegskindheit, der Reeperbahn und der „linken“ Szene in den 1970ern an der Realität ist, weiß ich nicht, aber mir kommt es vor, als hätte ich dennoch eine neue zeitgeschichtliche Perspektive gewonnen (z.B. wäre mir nie eingefallen, dass deutschsprachige Popmusik so kurz nach den 68er-Revolten als Singen in der Tätersprache verpönt war).

Wegen Regenwetter habe ich mir in Nancy spontan La Llorona angeschaut (und mich wieder einmal über die freie Platzwahl in französischen Kinos gewundert). La Llorona („die Weinende“) ist eine Figur aus der lateinamerikanischen Mythologie, die in diesem Film einen ehemaligen General und seine Familie heimsucht. Das Ganze ist angelehnt an das guatemaltekische Militärregime der 1980er Jahre, das die indigene Bevölkerung massakrierte. The Verge fasst es gut zusammen:

La Llorona is a supernatural revenge story about a real atrocity — while Enrique is fictional, the horrific Guatemalan genocide and resulting war crimes trials are very much not. It’s a film about a cursed man, but more about a man who is a curse, poisoning the soul of everyone around him.“

Stellenweise habe ich mich ziemlich gegruselt (wenn ich gewusst hätte, dass La Llorona ein Horrorfilm ist, hätte ich ihn sicher nicht angeschaut!), aber gleichzeitig wieder einiges über ein Land gelernt, mit dem ich mich bisher gar nicht beschäftigt habe.

Im Heimkino (was für ein schreckliches Wort) habe ich endlich die zweite Staffel Sex Education auf Netflix fertiggebinged. Ich mag die Serie furchtbar gern, die Charaktere sind alle zum Liebhaben und die Probleme/Dialoge gleichzeitig teenagerpeinlich und supersüß. Dieser riesige Cliffhänger am Ende nervt mich aber ein bisschen – es dauert doch bestimmt eineinhalb Jahre, bis es weitergeht?

Bücher

Ich habe Christina Tosi’s Milk geschenkt bekommen und freue mich schon darauf, die Rezepte daraus auszuprobieren (glücklicherweise mit Cup- und Grammangaben). Außerdem ist Sara R. Farris‘ In the Name of Women’s Rights: The Rise of Femonationalism (s. a. der zugehörige Vortrag) bei mir angekommen. Und ich war bei der Präsentation der ersten zwei Bände von „Reihenweise kluge Frauen“, wo die Biografien von Margarete Schütte-Lihotzky und Hedy Lamarr vorgestellt wurden (drüben im Sketchnote-Blog steht mehr dazu).

Jetzt zu meinen liebsten Links der letzten Wochen:

Rezepte

Puntarelle und Radicchio aus dem Ofen – Splendido Magazin
In meiner Nähe nur für unverschämt viel Geld zu bekommen, aber was solls…

Pasta mit Wirsing und Südtiroler Speck – Splendido Magazin
Eigentlich könnte ich eh alle Rezepte von Splendido hier verlinken, so gerne würde ich alle nachkochen.

sumac snickerdoodles — molly yeh
Sumach auf Keksen – das muss ich ausprobieren!

Texte

«Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System» – Republik
Unfassbar!

Vier demokratische Staaten schliessen sich zusammen, USA, Ecuador, Schweden und Grossbritannien, um mit ihrer geballten Macht aus einem Mann ein Monster zu machen, damit man ihn nachher auf dem Scheiter­haufen verbrennen kann, ohne dass jemand aufschreit. Der Fall ist ein Riesen­skandal und die Bankrott­erklärung der westlichen Rechts­staatlichkeit. Wenn Julian Assange verurteilt wird, dann ist das ein Todes­urteil für die Pressefreiheit.

On the record – Off the record › Blog von Armin Wolf
Aus dem Innenpolitik-Journalismus-Nähkästchen:

Wenn hierzulande vertrauliche Gespräche geführt werden, wird das ziemlich wahllos „im Hintergrund“, „nur Background“ oder „im Off“ genannt. Womit nur klar ist, dass die Gesprächspartner nicht namentlich genannt werden dürfen. Wie genau man die Quelle bezeichnen darf, wird oft erst am Ende des Gesprächs ausgehandelt. Aber echte unter 3- oder off the record-Gespräche, deren Inhalt man gar nicht verwerten darf, sind in Österreich sehr selten.

Infinite scroll: life under Instagram – The Guardian
Noch ein Insta-Explainer-Longread:

Such confessional double-consciousness was everywhere on #fitstagram. Women posted before-and-after photos 60 seconds apart to demonstrate the powerful effects of posing. Before: a slumping, bloated person with her tailbone tucked. After: a composed physique model with a popped heel and a perfect ass. But no matter how much consciousness-raising they did, they were still under the spell of the image and strove to live up to it.

Is Venture Capital Worth the Risk? – The New Yorker (via @Johannes42)
VC ist mir irgendwie genauso zuwider wie die ominöse Start-Up-Culture.

They [Venture capitalists] buy equity from brand-new or young companies, and they generally cannot get their money out until the startup enters the public market or is acquired by a larger company, like a herring being swallowed by a tuna. This is what happened to Instagram, when it was bought by Facebook, or YouTube, upon its acquisition by Google. Acquisitions are one reason that, despite the efflorescence of new startups, power in tech flows toward the giants at the top.

The essence of neoliberalism – Mondediplo.com
Ein bisschen Bachelorarbeitseinflüsse (und Bourdieu) im Blog könnnen auch nicht schaden.

Thus the absolute reign of flexibility is established, with employees being hiring on fixed-term contracts or on a temporary basis and repeated corporate restructurings and, within the firm itself, competition among autonomous divisions as well as among teams forced to perform multiple functions. Finally, this competition is extended to individuals themselves, through the individualisation of the wage relationship: establishment of individual performance objectives, individual performance evaluations, permanent evaluation, individual salary increases or granting of bonuses as a function of competence and of individual merit; individualised career paths; strategies of “delegating responsibility” tending to ensure the self-exploitation of staff who, simple wage labourers in relations of strong hierarchical dependence, are at the same time held responsible for their sales, their products, their branch, their store, etc. as though they were independent contractors. This pressure toward  “self-control” extends workers’ “involvement” according to the techniques of “participative management” considerably beyond management level. All of these are techniques of rational domination that impose over-involvement in work (and not only among management) and work under emergency or high-stress conditions. And they converge to weaken or abolish collective standards or solidarities (3).

Arbeitsplatz Universität: Forschen in Unsicherheit | ZEIT Campus (via @JaMoEberl)
Warum gibts Wissenschaft (und Journalismus) eigentlich fast nur in prekär (s.o.)?

Im Alltag birgt das System aber große Nachteile. Man hört Geschichten von Unis irgendwo in der irischen Provinz, wo sich alle Post-Docs im Kopf bereits in der nächsten Stadt befinden. „Für manche Kollegen beginnt am ersten Arbeitstag gedanklich die Suche nach der nächsten Stelle“, sagt ein Jungwissenschaftler. Forschungsstellen werden zu persönlichen „Gigs“; Ergebnisse in Salami-Taktik veröffentlicht, um die Publikationsliste aufzublasen.

Extreme Rechte zeigen immer öfter ein neues White-Power-Zeichen – Bonvalot.net
An der Uni Wien…

Seit einigen Jahren gibt es aber vor allem in der US-amerikanischen extremen Rechten einen neuen Trend: Das TaucherInnen-Symbol wurde dort zu einem faschistischen Hasssymbol umgedeutet. Die drei abgespreizten Finger stehen dabei für ein „W“, Daumen und Zeigefinger sollen ein „P“ symbolisieren – zusammen ergibt das White Power, also einen zentralen Slogan der internationalen faschistischen Rechten.

Babylon Berlin : Die nackte Wahrheit über Berlin – Berliner Zeitung (via Spreeblick Weekly)
Mit den anbrechenden 2020ern interessieren mich auf einmal die 1920er viel mehr (es gibt auch viel Berichterstattung, oder?).

Wo Anita Berber auftaucht, müssen alle mit allem rechnen. Eines Abends sieht Schauspieler Hubert von Meyerinck die Berber in den Speisesaal vom Hotel Adlon stolzieren: Nerzmantel bis zum Hals, Goldschuhe mit sehr hohen Hacken, keine Strümpfe, Haare „in höllischem Rot über ihrem grünen Nixengesicht“. Sie setzt sich an einen Tisch, bestellt Champagner, nestelt an ihrem Hals, „und dann fiel der Pelz. Ein allgemeiner leiser Aufschrei – da saß sie und war splitterfasernackt“.

Wie Wäsche umweltfreundlich sauber wird – help.orf.at
Der Vollständigkeit halber mein aktuellster Artikel für Ö1 (der zugehörige Radiobeitrag ist schon wieder offline).

Damit Wäsche richtig sauber wird, kommt es auf die passende Kombination von Wasser, Energie und Waschmittel an. Mehr hilft dabei nicht unbedingt mehr – erst recht nicht, wenn man möglichst umweltfreundlich waschen will.

Audio/Video

WR1025 Kochbuchautor Stevan Paul – WRINT: Wer redet ist nicht tot
Stevan Paul gehört zu meinen größten Vorbildern im Foodjournalismus, in dieser Podcastfolge erzählt er, wie er überhaupt dazu gekommen ist.

Frequenz | Manipulierte Podcast Charts, kabellose Kopfhörer (AirPods Pro), grenzenlose Aufnahmen (Zoom F6) | Viertausendhertz
Interessantes Gespräch zur Manipulation der Apple Podcast Charts am Anfang dieser Folge.

#30 Schriftstellerin Vea Kaiser: „Du kannst jemanden nur anziehen, wenn du dich selbst anziehend findest“ – Carpe Diem Podcast
Den Carpe Diem Podcast finde ich nach zwei halb angehörten Folgen ziemlich cringe-y (die Interviewführung! diese unsäglichen Intros/Jingles!), aber was Vea Kaiser (deren Makarionissi ich letzten Sommer gelesen habe) alles erzählt, finde ich irgendwie auch wieder interessant.

Schirmchen und Streusel – Für den Abbruch, für das Leben!
Guter Überblick über die Situation reproduktiver Selbstbestimmung in Österreich und Deutschland.

Reproduktive Selbstbestimmung – Antje Schrupp | Planet B – Ideen für den Neuanfang
Ich glaube Antje Schrupps „Schwangerwerdenkönnen“ setze ich auch auf meine Leseliste.

„Ich glaub, wir kriegen Zigeuner“ – #1 – NDRinfo Hundertachtzig Grad: Geschichten gegen den Hass
Dieser Podcast kommt mir (nach einer Folge) in seiner Machart sehr „amerikanisch“ vor: schnell geschnitten, collagenhaft, mit viiiiel Emotion und Musikbett. Die titelgebende 180°-Wende gelingt jedenfalls sehr gut. Den Hass zu Beginn und die vielen diskriminierenden O-Töne habe ich allerdings kaum ausgehalten.

Folge 1 – Beethovens Visitenkarte – „Ich bin da!!!“ – Igor Levits Klavierpodcast – 32 x Beethoven | BR Podcast
Mit klassischer Musik beschäftige ich mich kaum, dieser Podcast könnte das ändern.

Episode 176: Semisonic – Song Exploder
Ich höre mir sehr gern die Entstehungsgeschichte vergangener Hits an.

Sonst So

Ravelry
Ich hab mir jetzt endlich einen Account dort zugelegt und bin völlig begeistert: So viele nützliche Funktionen (Wollvorräte katalogisieren, Handarbeitsprojekte dokumentieren) und vor allem tolle Strickmuster (ich habe die Winterfell Cardigan Aran angefangen).

CJ Chilvers Newsletter
…lese ich total gern, auch weil er tief im Oldschool-Blogging verankert ist. Kürzlich habe ich mir dieses Zitat gebookmarkt und vorgenommen, mich daran zu orientieren:

If used properly, the calendar will tell you the truth of who you are by telling you what you do. If the things you are doing don’t align with who you think you are or who you would like to be, change your tasks or adjust your aspirations.” — Patrick Rhone

Revue XXI
Dieses Magazin habe ich in der BU Nancy entdeckt und fand es sofort sehr toll. Gewagtes Layout, tolle Illustrationen und alle möglichen politischen Themen in verschiedenen Dossiers aufgearbeitet. Wieso gibts so etwas nicht auf deutsch?

Homo Digitalis – Wiener Kreis zur Digitalphilosophischen Anthropologie
Diese Veranstaltungsreihe klingt spannend!

Foto

Eine Blüte im frühlingshaften Paris (Anfang Februar?)

Backkatalog



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

Meine Sketchnotes:
jasowieso.com

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Porträtfoto: (c) Pamela Rußmann

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Im Zuckersüß sammle ich (fast) jeden Sonntag meine liebsten Links der Woche: Rezepte für die Nachback-Liste, lesenswerte Blogposts, Zeitungsartikel und Longreads, Podcasts oder Musik, die mir gerade gefällt und oft genug auch Internet-Weirdness. Außerdem schreibe ich auf, was ich sonst so interessant fand: neue Rezepte in meiner Küche, Lokale, in denen ich gegessen, Pullover, die ich gestrickt oder Texte, die ich geschrieben habe.

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