Zuckersüß 291

In der vergangenen Woche bin ich ziemlich viel in Parks herumgesessen (immer auf der Hut vor dem nächsten spontanen Platzregenschauer) und auch ziemlich viel in der Küche gestanden. Je näher die großen Ferien kommen, umso leerer wird nämlich das Wohnheim, sodass ich die Küche fast immer für mich allein habe. Unter meinen Werken (natürlich allesamt in meinen Insta-Stories festgehalten) war Basilikumsirup (für Gin Basil Smash), ein superguter Sommersalat (Gurke, Kichererbsen, Feta, frische Minze, Zitronensaft und Olivenöl), ein nicht-süßer Brot-Obstsalat (Baguette mit Knoblauch und Zitrone in Olivenöl gebraten, Pfirsich mit viel Basilikum angebraten und mit Feta und Zitronensaft serviert), karamellisiertes Pain Perdu (aka Arme Ritter) mit Apfelmus, Zitronenspaghetti, ein alles-was-der-Kühlschrank-hergibt-Dessert (Pfirsich in Basilikumsirup in Zitrone mit karamellisierten gemahlenen Mandeln), Milchreis mit Walnuss-Bananen-Karamell (inspiriert von My Candid Appetite), ein Salatteller mit paniertem Brokkoli, Süßkartoffeln und RaslHanut-Kichererbsen und Shakshuka.

Leider hörte am Mittwoch mein Kühlschrank auf kalt zu sein und sämtliche meiner Versuche (ausstecken/einstecken, den Regler 100x herumdrehen) ihn wieder zum laufen zu bringen, scheiterten. Und das, obwohl ich dank Wikipedia jetzt sogar weiß, wie dieser uralte Absorberkühlschrank funktioniert hat! Der CROUS-Pannenservice versuchte es dann am Freitagmorgen erst gar nicht mit einer Reperatur, sondern stand mit einem nagelneuen Gerät vor meiner Tür. Mein neuer Kompressionskühlschrank ist zwar fast doppelt so groß wie der alte, beleuchtet und hat viel mehr Tür-Stauraum, macht aber dummerweise richtig viel Krach. Gut, dass ich nicht vorhabe, in meinem Zimmer zu podcasten. 

Den Journée de l’Art Nouveau am Sonntag verbrachte ich fast ausschließlich in Museen: Am Vormittag ging ich zur Führung durch die Sonderausstellung im Musée des Beaux-Arts. Dort erzählte eine sehr sympathische Vermittlerin mehr als eineinhalb Stunden (!) lang von Nancys Glasindustrie um 1900. Ich war einmal wieder erstaunt, wie interessant scheinbar langweilige Ausstellungsstücke (eine Glasvase) sein können, wenn man nur eine Geschichte dazu hört oder Informationen zur Herstellung bekommt. Nachdem ich gemeinsam mit gefühlt 50 älteren Leuten (warum interessierten sich nur Menschen jenseits der 60 für Glas aus Nancy?) durch die zweistöckige Ausstellung gelaufen bin, fing ich sie noch einmal von vorne an. Dabei schaute ich mir nicht nur die Teile an, die in der Führung nicht vorgekommen waren, sondern bastelte zusätzlich eine Insta-Story aus den vorgestellten Ausstellungsstücken und allem, was ich mir dazu gemerkt hatte. Damit habe ich jetzt Notizen mit Bild und meine Follower_innen vielleicht Interesse an lothringischer Glasherstellung und -trends zwischen 1890 und 1970. Oder auch nicht. Für mich werden Museen und Ausstellungen als Wissensquelle und Zeitvertreib jedenfalls immer relevanter (s. Drei Museen in Straßburg, Centre Pompidou Metz, Musée Dunkerque 1940 etc).

Am Nachmittag spazierte ich zur Villa Majorelle, die gerade renoviert wird. Für den Kultursonntag wurde sie ausnahmsweise geöffnet und der Besucher_innenandrang war so groß, dass die Schlange bis auf die Straße reichte. Trotz Wartezeit schaffte ich es glücklicherweise rechtzeitig zum Vortrag der Architektin, die mit der Renovierung betraut ist. Sie zeigte Pläne und historische Fotos und erklärte, was bis zur Wiedereröffnung als möglichst originalgetreue Art-Nouveau-Villa noch alles passieren muss. Große Hinweistafeln im Mini-Garten beschrieben zusätzlich das Leben des Bauherrn, die Geschichte des Gebäudes und außerdem den Zusammenhang zur Villa Majorelle in Marrakech, der mich schon die ganze Zeit wurmte: Um die Jahrhundertwende wurde der Möbelbauer/Künstler/Geschäftsmann Louis Majorelle (frz. Wikipedia) in Nancy zum Mitbegründer der École de Nancy, sein Sohn Jacques (frz Wikipedia) im französischen Protektorat Marokko später orientalistischer Maler. In Gueliz, der Ville Nouvelle von Marrakech baute er sich dann seine eigene Villa, die Mitte des letzten Jahrhunderts  von Yves Saint Laurent gekauft wurde und heute ein Museum zur Geschichte der Berber ist. Nachdem das geklärt war, konnte ich beruhigt weiter zum Musée d’École de Nancy spazieren, wo ich mich in den Garten setzte, einer Swing-Band und vielen schön gekleideten Tanzpaaren zuschaute. Ins Museum hinein ging ich nicht, denn bei meinem letzten Besuch hat es sich nicht als besonders interessant herausgestellt (damit sich das ändert, bräuchte es wohl nicht mehr als eine Führung oder einen Audioguide).

Jetzt folgen wie immer meine Lieblingslinks der Woche, diesmal wieder mit besonders viel Lesestoff:

REZEPT

Rilakkuma Cookies – Fork to Belly
Super Dekoidee für Figurenkekse: Popcorn und Nüsse!

Honey Basil Collins – Lia Griffith
Eine Abwandlung meines all-time-favorite Gin Basil Smash?

Butterkuchen/Zuckerkuchen – Plötzblog
Ein alles andere als simpler Blechkuchen.

Fava bean and dill pilaf – Taste of Beirut
Nur Zutaten, die ich fast nie verwende – spannend!

Frittata mit Zucchini und Ziegenfrischkäse – Essen & Trinken
Das sieht nach einem super Picknick-Rezept aus.

Erdbeer-Risotto mit Basilikum und Parmesan – HighFoodality
Klingt super absurd…

Kochrezept für die besten Spaghetti al limone – SZ-Magazin
Letzte Woche ausprobiert und für sehr gut befunden.

Rezept für grüne Mandeln – SZ-Magazin
Letztes Wochenende erst habe ich in Brüssel grüne Mandeln gesehen und mich gefragt, was man damit bloß anstellen könnte.

TEXT

Welches Essen die Umwelt besonders stark belastet – Der Standard
tl;dr: Werdet am besten Vegetarier_innen!

Das Wichtigste und längst Bekannte zuerst: Wer unserem Planeten essend etwas Gutes tun möchte, sollte möglichst wenig Fleisch und Milchprodukte konsumieren. Würde sich die gesamte Weltbevölkerung vegan ernähren, könnte damit die landwirtschaftlich genutzte Fläche um mehr als 75 Prozent (oder der gemeinsamen Fläche der USA, der EU, China und Australien) reduziert werden.

Das Geschäft mit den Tränen – taz
Beunruhigend.

Der Wirtschaftszweig, der sein Geld mit öffentlicher Ordnung und Sicherheit verdient, hat anderen Branchen etwas voraus – er braucht weder soziale Unruhen noch politische Krisen zu fürchten. Im Gegenteil: Sowohl der Arabische Frühling 2011 als auch die vielen anderen Proteste der letzten Jahre ließen die Verkaufszahlen von Tränengas und sonstiger Ausrüstung zur Abwehr von Revolten rasant steigen.

One of Them Is in the City. The Other Can’t Be. – NYTimes
Ich habe mich für ziemlich lange in der Love/New York Issue des Magazins verloren, dieser Text war einer der traurigeren davon.

Now, when they speak each evening, they go in circles trying to come up with some new strategy, some scant source of hope, but they know that the fate of their marriage is at the mercy of a Supreme Court decision that legal observers expect to go against them when the ruling comes down at the end of June.

Hanna, Beaux and Harry: A Love Story – NYTimes
Wie schön, dass so etwas an einer New Yorker High School möglich ist (und nicht ausschließlich soziale Ächtung erfährt).

People often say to Beaux, Hanna and Harry: Isn’t this three-way relationship difficult? Aren’t you consumed by jealousy? Their honest, heartfelt answer is no. “Wow, I like you, and I like you, and I don’t feel tense about that!” — that’s their basic feeling. Beaux is O.K. with Hanna’s dating Harry, and Hanna is O.K. with Beaux’s dating whomever she wants (at the moment, she has such a huge crush on a girl from school that she bought a pair of shoes like the ones this girl wears, just to impress her), because they get to have each other, too.

Diesseits von Afrika – Der Freitag
Die Abishirts und Kinderfußballtrikots, die ich in Marokko oft sah, stammten so offensichtlich aus Deutschland, dass es gar keinen Peilsender, wie ihn der Autor verwendet, brauchte.

„Der Altkleiderhandel zerstört Afrikas Textilindustrie“ ist nach wie vor der populärste Vorwurf an die Branche – und er lässt sich trefflich diskutieren: War nun zuerst die Altkleidung da oder die Textilindustrie kaputt? Altkleidung ist – im Verhältnis zum Lohn in armen Ländern – zwar teuer, aber oft noch billiger und von besserer Qualität als asiatische Neuware. Ist Altkleidung also nicht doch die bessere Wahl? Natürlich verschwinden Arbeitsplätze in der Nähindustrie, zugleich entstehen neue im oft informellen – und männlich dominierten – Handel mit Altkleidung.

In Britain, Austerity Is Changing Everything – The New York Times
Was passiert, wenn sich der Wohlfahrtsstaat zurückzieht. Düstere Aussichten.

Wealthy Britons remain among the world’s most comfortable people, enjoying lavish homes, private medical care, top-notch schools and restaurants run by chefs from Paris and Tokyo. The poor, the elderly, the disabled and the jobless are increasingly prone to Kafka-esque tangles with the bureaucracy to keep public support.

Gendergap und Gendersternchen in der gesprochenen Sprache – Sprachlog
Mehr glottal stops für eine gerechtere Welt!

Interessant wird es beim Gendergap (Kritiker_in) und dem Gendersternchen (Kritiker*in). Diese sind ja explizit nicht als Abkürzungen der Doppelform gedacht, sondern sollen die darin enthaltene Zweigeschlechtlichkeit durchbrechen – die Lücke und das Sternchen sind hier Platzhalter für weitere mögliche Geschlechter. Dieser Platzhalter muss sinnvollerweise auch in der gesprochenen Sprache signalisiert werden – und dafür hat sich schon seit längerem eine linguistisch interessante Lösung etabliert.

Bibis Beauty Palace: Baby, das süßeste Accessoire ever! – ZEIT ONLINE
Deutschlands bekannteste (?) YouTuberin/Influencerin ist schwanger.

All die subtil bis brutal offen kommunizierte Sozialkontrolle, die jungen Frauen das Schreckbild verfrühter Mutterschaft und verkrachter Existenzen auftischt, entfällt urplötzlich, wenn Frauen über das ökonomische und symbolische Kapital verfügen, das zum Beispiel mit einem Celebrity-Status verbunden ist. Was nicht heißt, dass sie deswegen immun gegen Kritik wären. Die Kritik verschiebt sich nun aber auf die Frage, ob sie als Mutter hingebungsvoll genug sind.

Charlotte Roche über öffentliche Nacktheit – Süddeutsche Zeitung Magazin
Charlotte Roche war in der Sauna:

Anstatt immer Witze zu machen, wieviel Platz Männer in der Bahn oder im Flugzeug und eben auch in der Sauna einnehmen mit ihren breit aufgestellten Beinen, sollten wir mal ernsthaft darüber nachdenken, genauso zu sitzen. Was ist, wenn wir unserer Psyche und unserer Attitüde mit einer selbstbewussten starken Sitzhaltung beibringen, uns auch zu nehmen, was uns zusteht: geile Gehaltsverhandlungen, fetteste Führungspositionen, immer abwechselnd Kind ins Bett bringen, abwechselnd kochen, abwechselnd Kloputzen, gleichviele Orgasmen, seinen eigenen Körper geil finden, obwohl er eher mittel ist, einfach weil wir alpha-sitzen.

80 Books No Woman Should Read – Literary Hub (via The Guardian)
Gut, dass ich noch keines von den Büchern gelesen hab /o\.

There are good and great books on the Esquire list, though even Moby-Dick, which I love, reminds me that a book without women is often said to be about humanity but a book with women in the foreground is a woman’s book.

Framing in politischen Talkshows: Das „Wir“ und das „Die“ – taz
Nhi Le greift die Twitterdebatte um hart aber fair auf:

2015 begannen die Talkshows, die Themen Flucht, Terror und Islam vermehrt aufzugreifen. Von insgesamt 139 Sendungen „Anne Will“, „Maybrit Illner“, „Maischberger“ und „hart aber fair“ im Jahr 2015 drehten sich 50 um diese Schlagwörter, mit Titeln wie „Der Hass und die Folgen – spaltet der Terror das Abendland?“ oder „Religiös verblendet, politisch verirrt: Gefährden Radikale unsere Gesellschaft?“. Talkshows präsentierten so die AfD-Standpunkte zur besten Sendezeit, lange bevor die Partei in den Bundestag einzog. Mittlerweile braucht es gar keine Vertreter*innen der AfD mehr, um deren Themen zu diskutieren.

Polit-Talks: Spaltende Scheindebatten – Süddeutsche.de
Dunja Ramadan zum gleichen Thema:

Wenn der Soziologieprofessor Ruud Koopmans in Richtung der deutsch-iranischen Journalistin Isabel Schayani Sätze sagt, wie „Sie wissen doch wie es in Iran ist“, erinnert das an die Arroganz und Einfältigkeit ehemaliger Kolonialherren: Menschen und Ländern wird auf erschreckend ignorante Weise ihre Vielfältigkeit abgesprochen. Man spricht nicht mehr über Einzelfälle (wie in der ARD-Doku „Der Flüchtling und das Mädchen“, die zuvor lief), sondern über Iran und muslimische Männer – man unterscheidet nicht in Kultur, Tradition und Religion – sondern vermischt alles zu einer Brühe, die nun schon seit Jahren vor sich hin köchelt.

Why ‚Stories‘ Took Over Your Smartphone – The Atlantic (via @dvg)
Mein Smartphone haben sie jedenfalls schon übernommen…

The rectangle now frames experience. Information is rectangle-shaped, retrieved from searches in Google or apps or voice assistants. Personal communication comes in the form of a list of bubbles spilling down a rectangle. The physical world can be accessed by a map scaled to the boundaries of the rectangle, which can also provide way-finding through it. Music, movies, and television appear on these screens, and increasingly there alone. The rectangle is also an imaging device, capable of capturing a view of the world in front of it and the operator behind it.

Real People Are Turning Their Accounts Into Bots On Instagram — And Cashing In – Buzzfeed.com (via Luca Hammer auf der rp18)
Warum bekommt ein schwarzes Quadrat unzählige Likes? Darum:

The bots really do work. The Instagram account we created for this story made it into the 1,000-plus-follower Fuelgroup within two days after being juiced by approximately $15 dollars worth of fake followers, fake likes, and fake comments. Once our “Viral Hippo” account was admitted to the group, likes from popular accounts poured into our posts the moment they were shared, reaching into the hundreds within minutes. Comments followed soon after, enthusiastically praising the posts no matter what they contained.

AUDIO/VIDEO

Dancing Without Moving!? (via Kraftfuttermischwerk)
Stop Motion-Tanzen mit Assistenten im Morphsuit. Lustig!

SONST SO

Modeknüller der 90er Jahre (1997) – vongestern
Durch dieses Blog klicken macht Spaß!

Miniature Pasta Plants – Handmade Charlotte
So eine süße Bastelei!

FOTO

Glaszeug in der Collection Daum im Musée des Beaux-Arts Nancy.

BACKKATALOG

2010: Kuhfleckenkuchen
2011: Maßkrugplätzerl und Schokobrezen
2012: Fitnesskekse
2013: Limetten-Kokos-Cupcakes mit Erdbeeren
2014: Eine zweite Reise nach Barcelona
2015: Schokoeis
2016: Karotten-Ananas-Muffins
2017: Pfirsich-Eis



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

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Porträtfoto: (c) Pamela Rußmann

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Im Zuckersüß sammle ich (fast) jeden Sonntag meine liebsten Links der Woche: Rezepte für die Nachback-Liste, lesenswerte Blogposts, Zeitungsartikel und Longreads, Podcasts oder Musik, die mir gerade gefällt und oft genug auch Internet-Weirdness. Außerdem schreibe ich auf, was ich sonst so interessant fand: neue Rezepte in meiner Küche, Lokale, in denen ich gegessen, Pullover, die ich gestrickt oder Texte, die ich geschrieben habe.

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