Endlich habe ich es mal wieder geschafft, eine übertriebene Dinnerparty auf die Beine zu stellen aka einen Abend lang Restaurant zu spielen. Das Konzept war unverändert: Jede_r meiner drei Gäste sollte eine mir nicht/kaum bekannte Person, die gut zum Abend passen würde, mitbringen, dazu kommt meine WG und ich, also eine Tafel mit zehn Leuten. Glücklicherweise hatte ich diesmal wieder den ganzen Tag über einen Souschef/Co-Gastgeber an meiner Seite, ohne dessen Unterstützung das alles niemals so geklappt hätte.
In der Vorbereitung habe ich eine Neuerung eingeführt, und meine Gäste (sowie deren +1) nicht nur nach Allergien/unüberwindbaren Abneigungen gefragt, sondern auch nach Lieblingszutaten – diese Idee habe ich von Ioana Negulescus Magnificent Dinners. Heraus kam dabei eine außerordentlich wilde Mischung (Joghurt, Apfel, Nüsse, Algen, Kartoffeln, Käse, Fisolen, Favabohnen, Paneer, schwarzer Knoblauch, Avocado, Kürbis, Pilze, Grapefruit, Schokolade, Spaghetti, Salat, Tomaten, Brokkoli, Curry), die ich nicht alle ins Menü einbauen konnte/wollte (die gefetteten kamen tatsächlich drin vor).
Wie vor zwei Jahren (Winter Supper Club 2022) habe ich mir vorgenommen, die Details des Abends hier aufzuschreiben, um in Zukunft darauf zurückgreifen zu können. Der Blogpost ist wieder unendlich lang geworden, hier ein Inhaltsverzeichnis:
- Menü (inkl. Rezept-Links)
- Zeitplan
- Materialeinsatz
- Fazit
Menü
Zur Begrüßung habe ich Bitter Grapefruit (nach Camilla Wynne bei Kitchen Projects) mit Sekt serviert. Die Aperitivrunde weitete sich wegen verspäteter Gäste auf fast eine Stunde aus, was sich aber im Sinne des Konzepts (die meisten kannten sich gar nicht) sehr positiv ausgewirkt hat.
Als dann alle da waren und am Tisch platzgenommen haben, startete das Abendessen mit drei kleinen, schnellen Snacks:
Devilled Eggs (grundsätzliche Rezept-Orientierung nach Nigella Lawson, allerdings mit wesentlich mehr Mayonaise) mit püriertem schwarzen Knoblauch in der Füllung, obenauf selbstgemachtes Chiliöl und in feine Streifen geschnittene Noriblätter.
Ich habe das Gefühl, dass ich in den letzten zwei Jahren kaum ein Tasting-Menü gegessen habe, in dem zu Beginn kein Mini-Tartelette vorkam (s. z.B. Sartory, aend, TIAN, „ois“ im Mühltalhof). Weil ich mir dachte, dass das halbwegs gut vorzubereiten sei, hab ich also auch welche gemacht. Dafür habe ich Filoteig in Quadrate geschnitten, gut mit Öl eingestrichen und zwei davon übereinander in dünne Blech-Tartelette-Förmchen gedrückt. Damit sie ihre Form behalten, habe ich sie mit einem zweiten Förmchen beschwert und dann etwa 8 Minuten kopfüber gebacken. Kurz vor dem Servieren habe ich sie ohne Förmchen fertiggebacken und dann warm befüllt.
Die Füllung bestand aus fein gehobelten Puntarelle und Radicchio, wovon ich die Hälfte scharf in Olivenöl angebraten habe, mit kleinen Stückchen Grapefruit- und Clementinen-Filets und schwarzem Sesam.
Mein Souschef hatte vor ein paar Wochen Kimchi gemacht, das leider viel zu salzig geriet, um es für sich zu essen. Deshalb habe ich es sehr fein gehackt und mit Ei, Weizen- und Klebreismehl zu Mini-Pancakes gebacken und mit Crème frâiche, Pul biber und in Essig eingelegten Bärlauch-„Kapern“ (Knospen) als Snack serviert.
Zur Entspannung (der Küche und der Gaumen) als nächstes einfach Gemüsebrühe aus allen Abschnitten (Zwiebel, Sellerie, Petersilwurzeln, Karotten, Petersilgrün), mit Steinpilzsud.
Auch der Brotgang (Roggen-/ und Weizensauerteigweckerl, am Vorabend gebacken vom Souschef) sollte uns etwas Zeit zum Vorbereiten der nächsten Teller kaufen. Die Butter habe ich mit etwas Salz aufgeschlagen, die Idee mit den Dirndl-Oliven kommt vom Bootshaus im Seehotel Das Traunsee.
Mit einem der Gäste war ich vor einigen Wochen im Heunisch&Erben, wo er sein Lieblingsgericht, den Signature Dish Kartoffelrisotto bestellt hatte. Ich beschloss also, das in einer Variante nachzubauen. Am Kutschkermarkt kam ich zufällig an einem Stand (Biohof Loidolt, Waidhofen/Thaya) mit einem dutzend Kartoffelsorten vorbei und ließ mich beraten, welche für das Risotto und welche für den Schaum/Püree geeignet wären, dummerweise habe ich ihre Namen nicht aufgeschrieben.
Die festkochenden Kartoffeln haben wir jedenfalls im Vorfeld in Streichholzsstärke gerieben, gewürfelt und bis zur weiteren Verwendung in kaltem Salzwasser aufbewahrt. Die mehligen Kartoffeln haben wir in der Schale gekocht, dann geschält, durchgedrückt und mit Milch, Sahne und Butter zu Püree vermischt. Als es dann Zeit für diesen Gang war, habe ich die Kartoffelwürfel in der Gemüsebrühe aufgekocht und dann etwa 10 Minuten ziehen lassen (ich hatte erwartet, dass sie innerhalb von zwei oder drei Minuten durch wären!). Das Püree habe ich mit heißer Milch dünner gemacht und mit Sauerrahm abgeschmeckt, allerdings bekam ich es nicht so hin wie im Heunisch (wobei ich mich an die exakte Konsistenz auch nicht mehr erinnere). Statt gebratetenen Pilzen wie im Original setzte ich in Kreise geschnittene und in Butter geschmorte Sellerie, Karotten (lila, orange, gelb, rot) und Petersilwurzel auf das Risotto. Obenauf kam geriebener Mimolette und Pfeffer.
Um den zweiten Hauptgang hatte ich am meisten Angst, ich wusste überhaupt nicht, ob meine (rezeptlose) Idee aufgehen würde (pun intended). Ich habe Plunderteig gemacht (nach Nicola Lamb’s großartigem SIFT, aber mit Tourier-Margarine statt Butter) und diesen mit einer Mischung aus sehr fein gehackten Pilzen (Champignons, Austernseitlinge, getrocknete Shiitake, getrocknete Steinpilze von meinem Vater) und Schalotten gefüllt. Zu meiner großen Freude ging der Plunder tadellos auf, und auch das wieder-Aufwärmen vor dem Servieren klappte ohne Probleme. Die Pastete ging zwar nicht ganz in einem Stück aus der Form, aber das war am Ende nicht so schlimm, wir servierten sogar Nachschlag.
Ich wollte unbedingt irgendeine Sauce dazu und bemerkte dabei, wie wenig Ahnung ich von klassischen Saucen habe (wenn hier ein_e Expert_in mitliest: Empfehlung für ein Standardwerk?). Mein improvisierter Take: Zwiebel, Sellerie, Petersilwurzel und viel Petersilgrün in Butter bräunen, dann mit Wasser aufgießen, weichkochen und mit Sahne auffüllen. Köcheln lassen, passieren, abschmecken. Darauf: Petersilgrün-Öl und gebratene halbierte Mini-Austernseitlinge.
Weil so viele Gäste Käse als Lieblingszutat genannt hatten, gab es einen bunten Käseteller: Weicher Büffelkäse (von Robert Paget, den ich btw mal für eine Ö1-Sendung interviewt habe: Guter Schimmel, Schlechter Schimmel), weicher Ziegen-Schimmelkäse, mittelfester Toma aus dem Piemont, Bergkäse (Anton macht Kes), sizilianischer Pfeffer-Pecorino und Mimolette. Dazu Quitten-Halbmonde aus dem Sirup, und Knäckebrot aus gepfeffertem Sauerteigstarter.
Prädessert! Clementinen-Orangen-Granita, nach dem gleichen Rezept/Konzept, das ich im Sommer veröffentlicht habe.
Als eigentliches Dessert dann Gâteau invisible (wieder nach dem Rezept des ZEIT Magazins, das ich endlich mal verbloggen sollte, so oft, wie ich es schon nachgemacht habe), mit warmem schwarzen Tahini-Karamell (s. Sesam-Eis mit schwarzem Tahini-Karamell) und Sesam.
Ganz zum Schluss, wo ich nun auch endlich Zeit hatte, mich länger als 5 Minuten zum Tisch zu setzen, servierte ich Löwenzahnlikör, den ich im April gemacht hatte (und der sich geschmacklich seitdem stark verändert hat) und Konfekt: Quitten-Marshmallows (nach Nicola Lambs SIFT, bald im Blog), Orangen-Glühwein-Gelee-Würfel (nach Nicola Lambs Kitchen Projects) und Gewürzkaramell-Schokotrüffel, die ich 2011 schon als Heiße Schokolade am Stiel verbloggt habe.
Zeitplan
Am Donnerstag war ich in verschiedenen Supermärkten einkaufen und habe am Abend noch den Bitter Grapefruit Sirup angesetzt. Freitag früh habe ich den Plunderteig begonnen und das Glühwein-Jelly gemacht. Freitag abend dann die Gewürz-Karamell-Schoko-Masse, den Gâteau invisible und die ganzen Lagen des Plunders. Außerdem habe ich an diesem Punkt endlich den (Zeit-)Plan und die Deadline-/Task-Liste fertiggestellt (s.u.). Samstag startete mit einer Einkaufstour über den Kutschkermarkt um 10 Uhr, danach folgte alles übrige.
Die ersten Gäste kamen um kurz nach 19 Uhr, und blieben bis etwa Mitternacht. Aufräumen und abspülen dauerte dann noch bis etwa 2:30 Uhr. Trotz 14 1/2 Stunden auf den Beinen fand ich die ganze Aktion okay-anstrengend und war zu keinem Zeitpunkt wirklich gestresst – so viele Dinnerparties bringen offenbar Routine!
Mein (last-minute) (Zeit-)Plan war wieder recht detailliert, um der logistischen Herausforderung, aus meiner zusammengeschusterten WG-Küche irgendwas um die sechs Gänge für zehn Personen zu schicken, Herr zu werden.
Hier beispielhaft die ersten Zeilen:
Uhrzeit zum Servieren (Vorbereiten) | Komponenten | alle nötigen Zutaten (in Klammern tatsächlich verwendet) | Rezept | benötigtes Equipment | Geschirr |
19:00 (19:00) | Sirup Sekt | 550 g sugar 375 g Wasser 1 large grapefruit (½, 100g) 1 medium orange (105g) 2 tsp citric acid Pinch of salt | Wasser und Zucker zu Sirup kochen. Zitrus zesten, Zitronensäure und Salz dazu. Sirup drüberkippen, über Nacht stehen lassen. Saft dazumischen, abseihen, abfüllen, kühl. s. „Bitter Grapefruit“/ Kitchen Projects | kleiner Topf, Schüssel Teesieb Flasche | gesammelte Martinigläser |
19:10 (18:50) | Filo-Tartelette Gebratenes Bittergemüse Filetierte Orangen/Clementinen Schwarzer Sesam | 12 Filo-Tartelettes Bittergemüse 2 Clementinen (1) Öl Senf Schwarzer Sesam | Filo mit Öl besteichen, mit Form Backen. Bittergemüse fein schneiden, scharf in Olivenöl braten. Gut salzen. Zitrus filettieren und in 1x1cm große Stücke schneiden. Mit Bittergemüse vermischen. Mayo herstellen, in Tartelette tupfen, Bittergemüse drauf. Schwarzer Sesam Deko | Ofen 1 Blech Tarteletteförmchen Pfanne Becher + Pürierstab |
Der Zeitplan fiel völlig auseinander, weil das Abendessen mit einer ganzen Stunde Verspätung startete, aber wegen ordentlicher Vorbereitung war das tatsächlich kein besonders großes Problem.
Zusätzlich habe ich eine Deadline-/Task-Liste zum Abhaken geschrieben (große Hilfe beim Delegieren!), hier auch ein paar Beispiele daraus:
Deadline | Titel | To-Do |
Sa, 09:30h | Geschirr abchecken | genug von allem da? Bereitstellen, mit Postits markieren |
Sa, 12:00h | Granita | ansetzen, 2stündlich umrühren |
Sa, 14:30h | Plunder ausm Gefrierfach | |
Sa, 18:00h | Käse Raumtemperatur | |
Sa, 18:30h | Tisch decken | 10 Sitzplätze, Tischdecke, Kerzen anzünden, Tannenzweige+Orangen als Deko, Wassergläser, Weingläser, gläserne platzteller, Servietten, Besteck, Wasser Sprudlig/still |
Materialeinsatz
Den Materialeinsatz finde ich vor allem im historischen Vergleich (Winter Supper Club 2022: 164€ = ca. 15€ p.P., Dachterassen-Dinnerparty 2024 ca. 90€ = 10€ p.P.) interessant, und bin immer wieder erstaunt, dass es eigentlich gar nicht so teuer ist, in diesem Ausmaß aufzukochen.
Zur Einordnung muss ich dazu sagen, dass der WG-Vorrat (darunter auch vergleichsweise teures wie Gewürze und Alkohol) nicht miteinberechnet ist, und auch nicht die Dinge, die der Souschef im Vorfeld vorbereitet hat (z.B. Brot, Kimchi). Den Wein haben die Gäste mitgebracht, der hätte die Gesamtsumme vermutlich noch ziemlich nach oben getrieben.
Geschäft | Lebensmittel | Preis (gerundet) |
Denns | Zitrusfrüchte, Pektin | 11€ |
Etsan | Filo | 2€ |
Penny | Milchprodukte, Öl, Zucker, Mehl, Ingwer, Butter | 27€ |
Mayr & Pöhl Kutschkermarkt | Mimolette, Büffelkäse | 17€ |
Anton macht Kes | übriger Käse | 13€ |
Kutschkermarkt | Biogemüse | 5€ |
Loidolt Kutschkermarkt | Kartoffeln | 9€ |
Kutschkermarkt | Sellerie, Schalotten, Karotten mit grün | 6€ |
Spar | Pilze | 17€ |
107€ |
Pro Portion bedeutet das als einen ungefähren Einsatz von 11€, was mir wirklich günstig erscheint.
Fazit
Super Abend, super Crowd (internationaler als jemals zuvor, mit +1 aus Türkei, USA und Südafrika!), zu keinem Zeitpunkt Chaos und auch ein einigermaßen entspannter Souschef/Co-Gastgeber an meiner Seite. Beim nächsten Mal werde ich auf jeden Fall wieder nach Lieblingszutaten fragen und auch wieder Platzteller aufdecken, die sind für die Snacks und den Brotgang wirklich praktisch. Ich habe wieder festgestellt, wie toll ein großer Kühlschrank wäre – ohne das einstellig-kalte Stiegenhaus mit Fensterbrett zum Zwischenlagern vorbereiteter Komponenten würde ich so ein Menü nicht hinkriegen. Und: ich sollte mir endlich mal ein gscheites, scharfes (!) Messer kaufen, dann würde das Vorbereiten noch mehr Spaß machen.
Mein Lieblingsteller war die Pilzpastete, dicht gefolgt vom Bittergemüse-Tartelette. Unter meinen Gästen kristallisierte sich nicht *der eine* Lieblingsgang heraus, wobei beide Hauptspeisen am meisten gelobt wurden.
Ich hoffe, ich komme noch innerhalb der nächsten paar Wochen (Winterkälte, wichtig!) dazu, nochmal so einen Abend zu veranstalten, ich habe sehr große Freude damit!