„Freude am Mixen“ – Peter Schmoeckel (1962)

Eine Freundin hat mir dieses Cocktailbuch von 1962 geschenkt, weil es ihr zufällig in die Hände gefallen war. „Freude am Mixen“ von Peter Schmoeckel ist in der Bertelsmann-Reihe „Steckenpferd“ (dieser Begriff alleine schon zeigt in eine ganz andere Zeit!) erschienen. Während mir der Rezptteil nicht besonders nützlich vorkommt (sehr leser_innen-unfreundlich gesetzt, außerdem sind manche Mengen in Anteilen angegeben und manche absolut, also recht ungenau), bietet der Rest einen spannenden Blick in die Gesellschaft der BRD zu Wirtschaftswunderzeiten. Zum Beispiel durch das Kapitel zur Einrichtung der Bar, mit einigen Fotos von Möbeln, für die ~midcentury~Fans heute wohl gerne Hunderte Euros hinblättern würden oder dem Hinweis auf Kopfschmerztabletten in der Barausstattung.

Das Kastl mit aufklappbarer Tischplatte und Durchreihe mit Rollo zur Küche schaut schon sehr praktisch aus

Das Warenkunde-Kapitel verrät, welche Spirituosen und Marken vor sechzig Jahren in Deutschland bekannt und erhältlich waren, z.B. Maraschino (aus Jugoslawien!), Pernod, Bacardi, Hennessy und Puschkin. Dem Wodka wurde allerdings keine Zukunft vorhergesagt, weil „er nicht geeignet ist dem Cocktail einen spezifischen Charakter zu verleihen“.

Die Illustrationen im Buch finde ich ziemlich hübsch, mindestens die Hälfte davon sind aber auch sexistisch und rassistisch stereotypisiert (vor allem da, wo es um „Indianer“ oder Hausangestellte in den USA oder „Eingeborene“ auf nicht näher beschriebenen Inseln geht).

Meine Lieblingsteil war der zur Etikette, der erklärt, dass Cocktailparties nie länger als zwei Stunden dauern sollten und außerdem von 16-18 oder 17-19 Uhr stattfinden sollten. Die Ehefrau, die bestimmt weiß, wo sich entsprechende Rezepte finden, soll dabei Häppchen reichen und dafür sorgen, dass das dreckige Geschirr aus dem Weg geräumt und wieder gerreinigt wird. Kleidervorschriften gibts auch eindeutige, „korrekter Straßenanzug für den Herrn, ein Nachmittagskleid oder ein Cocktailkleid für die Dame“. Am Ende des Buchs folgen noch ein paar Seiten, in denen der Autor sich bemüht, das Mixen als ernstzunehmendes „Steckenpferd“ zu positionieren.

Ist Mixen tatsächlich ein Hobby wie das Briefmarken- oder Käfersammeln, wie das Fotografieren oder Rosenzüchten? Biertrinken zum Beispiel wird man wohl schwerlich als Hobby zu bezeichnen wagen. Auch das Essen nicht, selbst wenn es von noch so ausgesuchter Güte wäre. […] Aber wir haben ja glücklicherweise mehr anzubieten. Und wer in diesem Büchlein ein wenig auf Entdeckungen gegangen ist, braucht dafür keine Beweise mehr.

Peter Schmoeckel: Freude am Mixen. Bertelsmann (1962), S. 184

Ich finde, Mixen (und Cocktailstrinken!) ist ein tolles Hobby, und auch ein ernstzunehmendes, und deshalb gibts hier im Blog auch eine Cocktail-Kategorie, mit Rezepten für Gin Basil Smash, Jungle Bird oder Spicy Margarita.

Peter Schmoeckel: Freude am Mixen. Bertelsmann (1962), 192 Seiten



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

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Im Zuckersüß sammle ich (fast) jeden Sonntag meine liebsten Links der Woche: Rezepte für die Nachback-Liste, lesenswerte Blogposts, Zeitungsartikel und Longreads, Podcasts oder Musik, die mir gerade gefällt und oft genug auch Internet-Weirdness. Außerdem schreibe ich auf, was ich sonst so interessant fand: neue Rezepte in meiner Küche, Lokale, in denen ich gegessen, Pullover, die ich gestrickt oder Texte, die ich geschrieben habe.