Koch.Campus Boden

Der Verein Koch.Campus hat mich vor Kurzem zu einem Workshop-Tag eingeladen, im Zentrum stand das Thema Boden. Am Vorabend gabs schon ein get together für Journalist_innen, Winzer_innen und Köch_innen im Landhaus Bacher, über das Menü habe ich hier gebloggt.

Ich war 2021 für Ö1 schon mal bei einer Karotten-Terroir-Verkostung derselben Organisation, diesmal war das Programm aber noch viel länger und mehr hands-on.

Frühstück am Feld von der Gastwirtschaft Floh

Los gings mit Frühstück am Feld der Grand Farm, gecatert von der Gastwirtschaft Floh in Langenlebarn – für mich fühlte es sich völlig absurd an, irgendwo im nirgendwo so fancy Tellerchen gereicht zu bekommen. Noch dazu war es noch nicht mal neun Uhr morgens und schon grenzwertig heiß. Statt Kaffee, den ich weiterhin nicht mag, trank ich eine (recht salzige) Wurzelbrühe, irgendwo zwischen bonebroth-hollywood-wellness-vibes und ganz gewöhnlichem nicht-zentraleuropäischen Frühstück. Außerdem ein Schnittlauchbrot mit hübschen Blüten und ein pochiertes Ei mit Kartoffelschaum und knusprig frittierten Kartoffelsticks.

Grand Farm: Marktgärtnerei und Forschungsbauernhof

Nachdem uns Josef Floh in seiner Begrüßungsansprache zum auf-den-Boden-legen aufforderte, begrüßte uns Hausherr Alfred Grand und erzählte ein bisschen was über seinen Betrieb. Der ist Marktgärtnerei und Forschungsbauernhof zugleich, mit vielen wissenschaftlichen Kooperationspartnern aus der ganzen Welt (UC Berkely, Uni Wageningen und natürlich der BOKU) und in Zusammenarbeit mit den tierischen Bewohner_innen der Gegend (Turmfalken, Steinkäuze, Fledermäuse, Rebhühner). Letzteres, also die bewusste Zusammenarbeit mit nicht-menschlichen Akteur_innen, von „größeren“ Tieren bis hin zu den ortsansässigen Mikroben, überhaupt, den Fokus auf den Boden, fand ich mit meiner STS-Studiums-Brille besonders spannend – vgl. z. B. Maria Puig de la Bellacasas paper über die sich wandelnde Wahrnehmung der Lebendigkeit von Böden:

A particular angle to soil aliveness is embedded in the transmission of soil-centred knowledge for care and repair, a theme that traverses contemporary transformations of relations with living soil epitomised in a praxis of ‘teaming with’. […] The focus is on ‘collaborating’ with microbes and other soil biota involved in intimate material relations of eating and feeding from each other. Foodweb-based soil care emphasises, for instance, giving back to the soils what we take from them – by returning organic waste in the form of composting, recirculating purportedly ‘dead’ materials into lively material processes. The eco-ethical requirement is that humans become soil growers rather than only soil consumers (Starhawk, 2004).

Puig De La Bellacasa, M. (2019). Re-animating soils: Transforming human–soil affections through science, culture and community. The Sociological Review, 67(2), 391–407. https://doi.org/10.1177/0038026119830601

Marktgärtnerei, das bedeutet für Alfred Grand übrigens schmale, dicht gesäte Beete, die nicht für Traktoren gemacht und permanent gedacht sind. Mit zwei bis vier Kulturen pro Jahr können die kleinen Flächen hohen Gesamtertrag bringen.

Bodenkunde I

Weiter gings mit Boden-Nerderei durch das Team von Bodenökologie Unterfrauner. Der Boden im Grand Garten ist durch 30 Jahre langes konventionelles Pflügen zweigeteilt: oben dunkler kohlenstoffhaltiger Humusboden, unten der helle, nährstoffärmere Boden. Auf der anderen Seite ist der Farbunterschied (Pflughorizont) viel weniger klar. Denn hier wurde seit 2019 regelmäßig gemulcht, um die Regenwürmer zu füttern (wieder: aktive Zusammenarbeit mit nicht-menschlichen Bewohner_innen!). Und die trugen offenbar den Oberboden in die Tiefe – was aber erst noch wissenschaftlich überprüft werden muss, wie Alfred Grand meinte.

Der gut durchmischte Boden habe mehrere Vorteile, z.B. dass er gleichmäßig nährstoffreicher ist und andererseits auch Starkniederschläge aufnehmen kann, weil das Wasser durch die „Wurmtunnel“ abfließen kann.

Bodenkunde II

Bodenexperte Hans Unterfrauner erklärte uns als nächstes, wie man Bodenqualität ohne Messgeräte einschätzen kann:

  1. Riechen: denn der Geruch der Erde (verursacht durch sogenannte Geosmine) geht auch auf das, was drin wächst über. Riecht es muffig, ist was verkehrt.
  2. Anschauen: sind die Wurzeln weiß und knackig und frisch? Wenn nicht, gehts Pflanzen und Boden nicht gut
  3. Fühlen: besteht der Boden aus grobem Sand, klebrigen Ton, geschmeidigem Schluff? Die Mischung daraus, also Lehm, ist in unseren Breiten am günstigsten
  4. Schmecken: kann auch gefährlich werden, denn die Mikrobiologie des Bodens stimmt nicht unbedingt mit der unserer Verdauung überein

Geosmine, also der „Erdgeruch“, werden (selten, aber doch) auch in der Parfümindustrie verwendet, wir durften an einem Duft schnuppern, der allerdings noch ganz schön viele ätherische Noten dabei hatte.

Ein paar Tage vor dem Workshop habe ich ein Plastiksackerl zugeschickt bekommen, mit der Aufforderung etwas von dem Boden mitzubringen, in dem ich Lebensmittel anpflanze. Ich habe nur drei Pflanzkästen und ein paar Töpfe auf dem Fensterbrett, denen ich nicht mehr als vier, fünf Esslöffel Erde wegnehmen konnte, ohne ihnen den Boden unter den Füßen wegzuziehen (haha), glücklicherweise reichte das für die Test am Feld aus:

Wir füllten unsere Bodenproben als erstes jeweils in ein Glasröhrchen und mischten sie mit destilliertem Wasser. Ein pH-Teststreifen verriet, dass meiner mit ca. 6 im „grünen Bereich“ ist, wenn auch tendenziell eher sauer. Beim zweiten Test, bei dem es drum ging, ob ggf. zusätzlicher Kalk im Boden nötig ist, passte bei meiner Probe auch alles.

mein „Boden“ in der Mitte ist überhaupt gar keiner!

Aber: mein Boden hat sich geteilt, die ganze organische Substanz schwamm einfach oben! Per Definition war es damit kein richtiger Boden, denn der besteht im Volumen üblicherweise aus 45% mineralischem Anteil, 5% organischem und 50% Luft.

Auf der Würmerfarm

Albert Grand und seine Regenwürmer

Nach dieser lustigen Experimentierstunde fuhren wir zum zweiten Standort der Grand Farm, wo Albert Grand mit Regenwürmern zusammenarbeitet, um Humus herzustellen. Die Geschäftsidee „Ich will Regenwurmkacke in Sackerl abfüllen und verkaufen“ hatte es die ersten zehn Jahre ziemlich schwer, meint der Landwirt, aber mittlerweile hat sich ein Markt dafür etabliert und es läuft gut.

Zuerst kompostiert er dafür Grünschnitt und Pferdemist und anderes organisches Material in der sogenannten Heißrotte – in meinem Verständnis ein klassischer Komposthaufen. Mikroorganismen zersetzen das Material dann, was zu Temperaturen von über 50° C führen kann, und andere, im Boden nützliche Mikroorganismen umbringen. Deshalb „verfüttert“ er das kompostierte Material in einem zweiten Schritt an seine Regenwürmer, die es dann wieder mit den „guten“ Mikroorganismen anreichern.

Es gibt verschiedene Arten an Würmern, hier sind vor allem epigäische Regenwürmer im Einsatz. Sie leben knapp unter der Oberfläche und sind deshalb dunkel pigmentiert. Sie brauchen etwa 10 Wochen, um auf der Grand Farm-Anlage eine Schicht Kompost in Humus zu verwandeln. Im Winter bekommen sie Fußbodenheizungsschläuche durch die Erde verlegt, damit sie nicht wegen der Kälte das Arbeiten aufhören.

Spargelsalatverkostung

Zurück am anderen Feld stand die Spargelsalatverkostung bevor. Das ist tatsächlich kein Spargel, sondern eine Salat-Art mit dickem Strunk und länglichen Blättern, die in Österreich kaum bekannt ist. Manchmal steht sie als „chinesische Keule“ auf Speisekarten, im englischen heißt sie Celtuce.

Klaus Brugger, Saatgutexperte von der Arche Noah in Schiltern, erzählte eine kurze Geschichte des Salats und schickte mir nachher noch seine ausführliche Textversion davon. Knapp zusammengefasst: Blattsalat wurde wohl vor ca. 6000 Jahren erstmals domestiziert, und zwar um das Öl aus den Samen zu gewinnen. Es gibt auch giftige wilde Varietäten, die ähnlich wie Opium oder jedenfalls als Schlafmittel eingesetzt wurden. Und heute gibt es rund 1000 Salatsorten, die aber bei weitem nicht alle handelsverfügbar sind. Spargelsalat war im 19. Jahrhundert in Böhmen und Hessen bekannt, und wurde herausgebacken oder milchsauer eingelegt. Heute wird er vor allem in Ägypten und China angebaut, in weit größerer Sortenvielfalt, als sie bei uns bekannt ist.

In der Verkostung wurden uns sechs verschiedene Exemplare präsentiert, drei unterschiedliche Sorten von zwei verschiedenen Standorten (Grand Farm und Lerchenhof). Mir fiel es extrem schwer, die Qualitäten in Ziffern zu bewerten, weil ich überhaupt keine Vergleichswerte hatte, wie Spargelsalat überhaupt schmeckt und schmecken kann. Trotzdem waren manche eindeutig besser als andere (knackig statt letschert, fein statt holzig, und fruchtig-nussig statt wässrig oder leicht muffig). Die Spargelsalatblätter, manche grün, viele mit violetten Einfärbungen, erinnerten mich mehr an Wiesenkräuter wie Löwenzahn als an Blattsalat, weil sie ziemlich bitter und manchmal auch zäh waren. Bitterkeits-„Gewinner“ waren klarerweise die Wurzeln, die ich deshalb (und auch wegen ihrer Fasrigkeit) am liebsten gleich wieder ausgespuckt hätte.

Die Verkostung wurde lustigerweise von den ORF-Seitenblicken begleitet, ich bin sehr froh, nicht im Beitrag freizukommen, denn nach Stunden in der prallen Sonne, mit weitem Hemd gegen Sonnenbrand und Bucket Hat gegen Sonnenstich, gab ich wirklich kein gutes Bild mehr ab.

Mittagessen auf dem Weingut Ott

Am frühen Nachmittag fuhren wir zum Weingut Ott, wo wir den übrigen Tag verbringen sollten. Hier kochten ein paar junge Spitzenköch_innen für uns auf, natürlich mit verschiedenen Salaten.

Philipp Essl vom gleichnamigen Landgasthof startete mit einer erfrischenden Vorspeise: Forellenschlusssalat (wer hat diese Varietät bloß so irreführend benannt?), mit marinierten Eierschwammerln, Kohlrabi-Röllchen mit Eierschwammerlfüllung, eingelegten Hollerblüten, Basilikumöl, Erbsen und verstecktem Waldviertler Brimsen, einem Frischkäse, von dem ich noch nie gehört hatte. Wie ich dank Katharina Seiser gelernt habe, ist er die Grundlage des echten Liptauers – mit diesem Wissen bin ich meiner gänzlichen Ver-Österreich-isierung wohl einen Schritt näher gekommen?

Beim zweiten Gang habe ich leider nicht mitgeschrieben, mit dabei waren jedenfalls Sonnenblumenkerncreme, eingelegte rote Zwiebeln, Kapuzinerkresse und Zuckererbsen. Nicht irgendwelche Zuckererbsen, sondern welche von Franziska Lerch, über die ich für das aktuelle Effilee-Magazin geschrieben habe.

Der dritte Gang, von Manuel Hammerl, Sous-Chef im Landhaus Bacher (ebenfalls mit Zitaten in meiner Effilee-Geschichte, hihi), war perfekt für Mitschreib-Säumige wie mich, denn er kam mit einer ganzen Erklärseite! Confierter und gegrillter Spargelsalat mit Rhabarbersaftglasur, Rahm-Gurken-Salat und Beurre Blanc (da ist sie wieder, die Vorliebe für cremige Schäumchen, s. mein Rückblick auf das Koch.Campus-Menü im Landhaus Bacher am Vorabend). Obendrauf Kürbiskern-„Furikake“ und ein bissl Chiliöl, dazu Bier-Fladenbrot von der Bäckerei Auinger.

Der Nachfolgende Biodynamie-Boden-Vortrag war mir zu esoterisch und nach so viel Hitze, Wein und gutem Essen konnte ich mich ohnehin kaum mehr konzentrieren. (Studi-Note to self: Dazu irgendwann noch dieses chapter lesen: Dion, P. (2010). Towards a New Purpose for Traditional and Other Forms of Soil Knowledge. In: Dion, P. (eds) Soil Biology and Agriculture in the Tropics. Soil Biology, vol 21. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-05076-3_14)

Kalk&Kiesel-Weinverkostung

Verkostungsnotizen kreuz und quer

Für die folgende Weinverkostung, dem Bodenthema des Tages durch die beiden Kategorien „Kalk“ und „Kiesel“ angelehnt, versuchte ich mich zumindest nochmal zu konzentrieren. Geleitet wurde sie von Katharina Gnigler (Chefsommelière des Landhaus Bacher) und Benjamin Neiber-Trybek (Chefsommelier der Gastwirtschaft Floh), zu kosten waren Weine der Respekt-Biodyn-Gruppe, deren Winzer auch fast alle anwesend waren.

Das mit der Konzentration hatte sich leider schnell erledigt, aber zumindest meine Favoriten habe ich mir gemerkt. Mein Weinwissen ist leider weiterhin recht begrenzt (über das Weinakademie-Basisseminar bin ich nicht hinausgekommen und ich trinke zu wenig, um anderweitig Plan zu bekommen) und ich bin nichtmal sicher, ob ich meinen eigenen Weingeschmack wirklich auf den Punkt bringen könnte. Dagegen spricht jedenfalls, dass ich grünen Veltliner eigentlich nicht mag (möglicherweise habe ich vor der Zeit, in seit der ich mich mehr für Wein interessiere, aber auch einfach zu viel ~schlechten~ getrunken, der sich in mein Hirn gebrannt hat) und hier ein grüner Veltliner mein Lieblingswein war: Ried Käferberg 2019 vom Weingut Loimer (43€) mit Ananas- und Hefenoten. Den Tausendweiß 2019 vom Weingut Fritsch, aus Chardonnay und Weißburgunder, ebenfalls ein bisschen exotisch, mochte ich auch sehr (56€).

Mit den Rotweinen in den folgenden vier Flights wurde ich allerdings nicht recht warm.

(Zu Weinwahrnehmung gibts übrigens auch ein spannendes STS-paper: Shapin, S. (2016). A taste of science: Making the subjective objective in the California wine world. Social Studies of Science, 46(3), 436–460. https://doi.org/10.1177/0306312716651346)

Abendessen

Die root-to-leaf-Vorspeise aus Spargelsalat hat mir leider gar nicht geschmeckt, ich fand sie insgesamt viel zu bitter. Da konnten weder der konzeptuell spannende Wurzel-Biskuit (mit gemahlenem Spargelsalat-Wurzel-„Mehl“) noch die Schönbrunner Zitrusfrüchte was dagegen ausrichten.

Auch der zweite Gang konnte mich nicht recht überzeugen, der Waller am Spieß war mir nämlich etwas zu roh und kalt. Den Verjus mit Zitrus und das Mandel-Knoblauchpüree drunter fand ich aber ziemlich gut!

Als Hauptspeise folgte rosa Rehleber mit weißem Spargel, eingelegten Hollerblüten, Kartoffelgrammeln und Karotten.

Die Nachspeise stammte vom Chefpâtissier des Landhaus Bacher, Manfred Löschl, er kündigte sie als „Honigbrot mit Erdbeeren“ an. Tatsächlich war es Honig-Mousse, Honig-Eis mit Blütenpollen, ein dichter, kaum süßer Kuchen und Erdbeeren. Zwei davon mazeriert, zwei davon unreif für 48 Stunden in Honig kandiert, was für sehr spannende Textur und Geschmack sorgte.

Als es dann dunkel geworden war, wurde das Sonnwendfeuer am nächstgelegenen Getreidefeld angezündet, einer der Teilnehmer trat mit seiner Band auf, und es gab noch viel mehr Wein von den RespektBioDyn-Winzer_innen.

Der Workshoptag war wirklich toll, ich habe viel gelernt, viele Leute getroffen und ganz eindeutig sehr gut gegessen und getrunken. Insgesamt war das Programm wohl ein bisschen zu vollgestopft (jedenfalls bei der Hitze!), ich war ab dem Nachmittag wirklich sehr fertig und kaum mehr konzentriert.

…und sonst? Gedanken zum Konzept Pressereise

Insgesamt hadere ich noch mit dem Konzept Pressereise – ich bin für all das eingeladen worden, und gespart wurde wirklich nirgends (Übernachtung im Hotel Toni Mörwald am Wagram!). Ich möchte nicht undankbar klingen und auch nicht die vielen Leute kritisieren, die sich für diesen Tag enorm ins Zeug gelegt haben (danke!). Die Workshops gaben inhaltlich alle (außer vielleicht die esoterische Boden-Sache?) was her, die präsentierten Expert_innen hatten was zu erzählen, Spitzen-Köch_innen und -Winzer_innen zeigten ihre Arbeit.

Aber: Es ist der Sinn von PR, für gute Presse zu sorgen, es ist der Sinn von Journalismus, ausgewogen und kritisch zu berichten. Diese Dissonanz blieb hier (und überall sonst) natürlich auf mir als Journalistin liegen, und ich weiß hier noch nicht richtig wie damit umgehen.

So branchenüblich er sein mag, der Deal „Einladung gegen Berichterstattung“ kommt mir unfair vor. Unfair für die Leser_innen, die für den ganzen Luxus, den ich hier gratis bekommen habe, natürlich ganz normal zahlen müssen – und wohl gar nicht immer wissen, unter welchen Bedingungen ein Beitrag entstanden ist (s.a. die Bouffons-Podcastfolge 214 Critiquer la nourriture: pour une critique des critiques culinaires über den Einfluss von PR auf französische Restaurantkritik). Unfair für die Produzent_innen/Expert_innen/etc, die sich keine PR-Agentur leisten können, und deshalb selten oder nie in den Medien vorkommen. Unfair auch für Journalist_innen selbst, denn sie haben oft genug viel weniger Ressourcen als PR-Agenturen/Presseleute, ein Machtungleichgewicht, das beim Versuch „kritischere“ Themen zu recherchieren, ein Hindernis sein kann. Vielleicht sogar unfair für Medienhäuser, die statt Werbeeinnahmen (durch Anzeigen der Firmen, die nun PR-Agenturen engagieren) Mitarbeiter_innen-Kosten (die zu besagten PR-Events gehen) haben.

Andererseits: PR-Arbeit bereichert natürlich die Berichterstattung, denn als Journalistin kann ich meine Augen nicht überall haben und ALLE berichtenswerten Dinge selber finden, Hinweise sind mir hin und wieder ganz recht. Und welche Redaktion kann es ~heutzutage~ finanzieren, eine_n Mitarbeiter_in für mehrere Tage auf Recherchereise zu schicken, gerade im ~Lifestyle~Bereich? Um es noch konkreter zu machen, ich als Freie müsste (in Vorleistung!) Zeit und Geld investieren, um einen ähnlichen Recherche-„Ausflug“ umzusetzen, bezahlt machen würde sich das Ganze erst weit später und womöglich noch nicht mal so richtig (viele Medien zahlen Freie nicht besonders gut, das ist glaube ich kein Geheimnis). Und wie gesagt: Mir persönlich hat der Koch.Campus viel Freude gemacht, ich habe viel gelernt (der Grund, warum ich mir diesen Beruf ausgesucht habe!) und viele Menschen getroffen (mache ich sehr gerne!), ich bin sehr froh darüber, eingeladen worden zu sein.

Ich habe mich beim Event ziemlich lange mit einem Koch unterhalten, dem das Thema ähnliches Kopfzerbrechen bereitet – nur halt von der anderen Seite. Wie umgehen mit Restaurantguides und Branchenmedien, die sich für Berichterstattung einladen oder bezahlen lassen wollen, oder deren Erwartungshaltung man als Gastronom nicht erfüllen will? Auch einer der Winzer berichtete von seiner Unzufriedenheit mit der Weinpresse, die schon Jahrzehnte aus den gleichen Menschen – die natürlich auch persönlichen Geschmack haben – besteht, die nicht unbedingt positiv auf Neuerungen reagierten und stattdessen den Status Quo stützten? Gratwanderungen – überall.

Was mache ich nun aus diesem Dilemma? Erstens, ich werde das Event als eine Quelle in einer Geschichte nutzen, und auf jeden Fall nochmal ausführlich mit den Protagonist_innen reden, damit auch Platz fürs Hinterfragen bleibt (genauso hatte ich das 2021 mit meiner Karotten-Radiosendung auch gemacht, wo ich zusätzlich Ö1 als direkt dilemma-abfangende Institutions-Ebene über mir hatte). Überhaupt hat das Event ja hauptsächlich Themen präsentiert, die Art von Texte, die ich beruflich schreibe, brauchen aber Geschichten – die muss ich also eh auch noch finden.

Zweitens, ich schreibe diesen Blogpost hier, meine übliche Strategie zum laut Nachdenken. Falls wer von euch Gedanken zum Thema teilen möchte – immer her damit!



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

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Im Zuckersüß sammle ich (fast) jeden Sonntag meine liebsten Links der Woche: Rezepte für die Nachback-Liste, lesenswerte Blogposts, Zeitungsartikel und Longreads, Podcasts oder Musik, die mir gerade gefällt und oft genug auch Internet-Weirdness. Außerdem schreibe ich auf, was ich sonst so interessant fand: neue Rezepte in meiner Küche, Lokale, in denen ich gegessen, Pullover, die ich gestrickt oder Texte, die ich geschrieben habe.