Ich war im August knappe drei Wochen in den USA, für die FJUM Transatlantic Summer School in Solutions Journalism mit Lauren Kessler an der University of Washington in Seattle (hier landet alles, was ich darüber gebloggt habe). Bevor ich meine Gedanken zur Summer School selbst fertig aufschreibe, first things first: (almost) everything I ate in the US.
Es folgen die Lokale in Kentucky (wo ich ein paar Tage zwischengestoppt bin) und Washington, in denen ich gegessen/getrunken habe – in chronologischer Reihenfolge. Die mit einem + in der Überschrift würde ich sofort weiterempfehlen, die anderen stehen hier aus Dokumentationszwecken.
tl;dr: Meine liebsten Restaurants waren das mexikanische Corto y Lima (Lexington, KY), der rauch-lastige County Club (Lexington, KY), das cute chinesische Mini-Lokal Little Duck (Seattle, WA), das Korean Tofu House (Seattle, WA) und das mexikanische Gracia mit seinem gemütlichen Schanigarten (Seattle, WA). Meine liebsten Bars waren das Bourbon on Rye (Lexington, KY), die sehr witzige Karaoke/Tiki- Hula Hula Bar (Seattle, WA) und das tee-zentrierte Paper Fan (Seattle, WA). Meine liebsten Bäckereien waren der fast kaffeehaus-gemütliche Coyle’s Bakeshop (Seattle, WA), Sea Wolf Bakers (Seattle, WA), und die japanisch-französische Fuji Bakery (Seattle, WA).
Am Ende dieses absurd langen Posts mache ich mir noch Gedanken über die US-amerikanische Restaurantkultur und was mich daran stört– Plastik-(Einweg-)Geschirr, digitalisierte Interaktion, vorgegebene 20-Prozent-tips und unterbezahlte Servicekräfte.
Kentucky
Pasta Garage
962 Delaware Ave, Lexington, KY
Erstes Essen nach langer Reise: Italian-American Meatball Spaghetti (~12$) in der Pasta Garage. Sauce auf den übertrieben gebutterten Nudeln, nicht damit vermischt, und ein ziemlich kartoniges Weckerl am Rande. Nicht sehr überzeugend.
Doodles +
Frühstück in der neuen Zeitzone dann im Südstaaten-inspirierten Doodles. Obwohl es sich als gemütlicher Brunch-Spot verkauft, bestellt man beim Betreten am Tresen und trägt sein Getränk selber zum Tisch.
Für den echten US-amerikanischen Zuckerschock habe ich mir erstmal New-Orleans-Style Beignets (5$) bestellt. Sie waren super gut fluffig, entweder sehr eigelb-lastig oder eingefärbt, und dicht mit Puderzucker bestaubt. Es hätte sie auch in einer erweiterten Version mit gebratenem Bacon und frischem Obst gegeben, was mir mehr als Dessert denn als Frühstück vorkam.
Lillies Egg Doodles (9$) stellten sich als zwei Spiegeleier mit einem „Deckel“ aus dichtem, leicht gesüßtem Biscuit (fast wie Fladenbrot) heraus. Ich war sehr erstaunt, als ich nach meiner bevorzugten Beilage dazu gefragt wurde (zu Brot und Ei noch was dazu? beim Frühstück?), fried potatoes erschienen mir eine sichere Bank. Serviert wurden sie auf einem kleinen Melamin-Teller, der für mich irgendwie Kindergarten-Vibes versprühte.
Castle & Key Distillery
4445 McCracken Pike Frankfort, KY
Ohne Bourbon kein Kentucky (oder so). Deshalb war ich bei einer Guided Tour in der Castle & Key Distillery, in der von 1819 bis in die 1970er Jahre und dann wieder ab 2014 Schnapps gebrannt wird – einerseits Bourbon und Rye Whisky, neuerdings auch Gin mit Botanicals aus dem Garten.
Zum Zeitpunkt meines Besuchs Ende Juli war aber gerade Großputz angesagt, alle 11.000-Gallon (41.000 Liter) Gärbehälter waren leer. Dennoch lag der fruchtig-hefige Duft von Maische überall in der Luft – Jahrzehnte des Gärens lassen sich wohl nicht aus dem Metall kriegen.
Nach einem Spaziergang über das Gelände inkl. schlüsselförmigem Wasserbecken (daher der heutige Name der Marke), schattigem „Bourbon sunken garden“ und einem Beton-Lagerhaus/50er-Jahre-Atombunker gings in den Verkostungsraum. Ich probierte den neuesten limited edition Bourbon von 2024 (150 Barrels gibts davon – das ist eine recht kleine Destille), und den Rye Whiskey vom letzten Jahr, außerdem Gin mit Orangen-Hibiskus-Sirup. Vom Rye Whiskey habe ich mir dann gleich eine Flasche mitgenommen, gut verpackt in Luftpolsterfolie hat sie die Reise über den Atlantik (genau wie mein völlig geschrotteter Koffer) aber leider nicht überstanden.
Vor der Heimfahrt noch ein Stopp in der Cocktailbar: Über die Bloody Mary traute ich mich nicht drüber, deshalb trank ich einen Cold Brew-Orangen-Rye-Cocktail mit Muskatnuss (13$) erneut aus einem PlAsTiKbEcHeR (ugh).
County Club +
555 Jefferson St, Lexington KY
Im County Club war ich 2017 schon mal (drüber geschrieben habe ich in Eine Reise in die USA, Pt. II: KY aber seltsamerweise nicht), weil Stella Parks, auf deren Bravetart-Buchpräsentation ich damals zufällig gelandet war, es als eines ihrer liebsten Restaurants in Lexington genannt hatte. Das Restaurant mit hübscher Veranda ist spezialisiert aufs Räuchern, und das schlägt sich in (beinahe) jedem Gericht nieder.
Als geteilte Vorspeise Kartoffelsalat in Zitronen-Dijon-Senf-Dressing (6$), sehr erfrischend, und Eisberg-Salat in Vierteln mit Tomaten und Blue Cheese Dressing (10$). Meine Hauptspeise enthielt so viel Fleisch, wie ich üblicherweise in zwei Wochen nicht esse: Smoked Brisket Sandwich (15$), mit rauchigem, salzigen, zarten, fettem Rindfleisch in einem leicht gesüßten Kartoffelbun, dazu allerlei hausgemachte hot sauces am Tisch. Das geräucherte Joghurt-Pannacotta mit Basilikum-Chantilly hat mich schwer begeistert – ich will auch Rauch-Aroma in meinen Desserts!
Corto y Lima +
101 West Short St, Lexington, KY
Mittags Margarita trinken? Warum nicht, wenn grad Wochenende und Happy Hour ist und das Glas maximal 7$ kostet! Ich habe mich für die basic Variante mit Limette und Salzrand entschieden, meine beiden Begleiterinnen tranken eine Version mit Wassermelone bzw. Prickly Pear, d.h. Kaktusfeige. Zum Snacken dazu Guacamole mit Tortilla-Chips (12$). Super (und natürlich hatte ich am Ende einen guten Schwipps).
Der Elote Salad (~10$) gehörte zu meinen Highlights auf der ganzen Reise: gegrillter Mais mit kaum salzigem bröseligen Käse, Chili, Limette und ein bisschen Grünzeug. Jetzt hab ich auch mal einen Referenzpunkt für den Mexican Street Corn Salad (Esquites) von SeriousEats, den ich schon unzählige Male gemacht habe – nur halt nie mit genau den im Rezept aufgeführten Zutaten (Cotija-Käse habe ich noch nie irgendwo gesehen, Koriander habe ich höchst selten zur Hand).
Abenteuerlustig unterwegs bestellte ich außerdem noch Tamales (13$), die ich auch noch nie probiert hatte. Das war feines Polenta (zu meiner Überraschung kein bisschen gesalzen) mit geschmortem, stark gewürztem Fleisch in Maisblättern gegart, dazu scharfe grüne Sauce zum Eintunken.
Bourbon on Rye +
Der Chef des Bourbon on Rye in der Innenstadt von Lexington hat mich 2017, bei meinem ersten Besuch dort, allerlei Zutaten probieren und mich außerdem in seine Küche schauen lassen, wo er zum Beispiel mittels einer Zentrifuge Rotweininfusions klärte. Das war damals ein Anstoß für meine Mixology-Begeisterung und Grundstein für ausgedehnte Cocktailbar-Abende daheim in Wien.
Natürlich musste ich bei meinem zweiten Besuch in der Stadt wieder in der Bar vorbeischauen, die unverändert klassisch-elegant aussieht: dunkles Holz, viele Spiegel, Kronleuchter und goldene Metall-Decke. Bestellen muss man auch in diesem Umfeld an der Bar, und bei der Gelegenheit auch gleich seine Kreditkarte dort lassen. Ich trank einen Rye Tai (13$) mit Rye Whiskey, Pistazien-Orgeat, Cherry-Herring-Likör, Limette und Avocado-Öl, der erfrischend sauer und sehr fruchtig war.
Crank & Boom Craft Ice Cream
1210 Manchester Street, Lexington KY
Der Eisladen Crank & Boom liegt im up- and coming Distillery District, umgeben von hippen Bars und Restaurants. Aus zwanzig verschiedenen Sorten von Banana Pudding über Superfudge bis Vanilla Bean kann man sich dort Sundaes zusammenstellen. Ich entschied mich für Bourbon & Honey und Ouita’s Corn Cookie Eis, dazu Chocolate Bombe Saue und Candied Pecans (8$). Die Portion war so riesig und mächtig, dass ich drei Anläufe brauchte, sie aufzuessen (dazwischen habe ich sie einfach immer wieder ins Gefrierfach gestellt).
Ghost Fox Winery
2385 Chrisman Mill Road, Nicholasville, KY
Ein Heuriger, in den US-Südstaaten! Also mehr oder weniger jedenfalls. Die Ghost Fox Winery gibts erst seit ein paar Jahren, die Weinstöcke werden deshalb dieses Jahr zum ersten Mal beernet. Bis jetzt kauften die Betreiber Saft aus Kalifornien zu, und schenkten ihren Wein in der minimalistischen schwarz-weiß-beige gehaltenen Location im Hinterland von Lexington aus. Das Gelände scheint für die Beliebtheit des Weinguts wichtiger als die Produkte – man kann es für Baby Showers (???) und Hochzeiten mieten, regelmäßig finden öffentliche Events statt.
Auch auf Nachfrage erfuhr ich leider nur wenig über den Wein selber, den man sich mithilfe eines kleinen Klemmbretts zu Verkostungsflights zusammenstellen konnte. Ich hielt mich fern von den aromatisierten, aufgespriteten Weinen (Strawberry-Basil, Mango oder Spicy Cucumber) und stattdessen an Klassisches: sowohl Sauvignon-Blanc, Riesling als auch Cabernet Sauvignon gingen schwer ins süß-fruchtige. Snacks hatten wir übrigens von daheim mitgenommen, das ist hier erstaunlicherweise üblich.
Das Weingut hat neben eigenen Weinen auch Produkte der (recht jungen) Weinbauschule der University of Kentucky im Sortiment. Das sind einerseits einige sparkly hard ciders, aber auch der signature Schaumwein Solidago, benannt nach der state flower Solidago (Goldrute).
Bourbon n‘ Toulouse +
Zum Abendessen dann in ein buntes, lautes, günstiges Studi-Lokal mit Cajun-Küche, das mir große Lust gemacht hat, mal in den deep south der USA zu reisen. Ich bestellte zweimal den 1/4 Teller (was dennoch eine RIESIGE Portion war), um möglichst viel probieren zu können. Die Black Beans & Caramelized Corn waren mit roter Paprika, viel Sahne und noch mehr Chili gemacht, sie taugten mir sehr. Das Jambalaya (dirty rice) stellte sich als Reis mit Räucherwürstel, Hendl, Paprika, Zwiebeln und Sellerie heraus und war ebenfalls sehr scharf – keinerlei Bedarf für eine der etwa 30 angebotenen Hot Sauces. Dazu gabs ein stark gebuttertes Stück Baguette und swimming-pool-artiges Leitungswasser, das mich die Wiener Wasserqualität gleich nochmal mehr schätzen ließ.
Auch dieser Laden setzt auf Bestellung an der Bar und Selbstbedienung, dass alles auf Styroportellern mit Einweg-Plastik-Besteck und -Bechern serviert wird, fand ich aber schon ziemlich ungut.
Ethereal Brewing
1224 Manchester Street, Lexington, KY
Danach noch auf einen Absacker zurück in den Distillery District zu Ethereal Brewing. Bier ist bekanntermaßen nicht mein Ding, die Namen der craft beers – z.B. Cherryish the Unemployment – brachten mich aber zum grinsen. Der Kentucky Mule Kombucha aus der Dose hat mir aber leider auch nicht geschmeckt, er war viel zu sauer.
Alcove Kitchen & Bar +
1410 Vine Street, Cincinnati, OH
(Cincinatti liegt zwar in Ohio, der Flughafen, wegen dem ich dort war, heißt aber Northern Kentucky International, deswegen mach ich hier mal keine neue Zwischenüberschrift für das letzte Restaurant auf.) Sonntagmittag ist im luftig großen, grünen, hippen Alcove in der Innenstadt Brunch-Zeit, mit einer modern American Speisekarte. So gern ich French Toast, Avocado Toast oder Quiche auf Salat esse, wollte ich wieder etwas mir neues ausprobieren und landete so abermals bei einem Südstaaten-Klassiker: Chicken & Waffles (16$). Das war tatsächlich paniertes, frittiertes Hendl-Filet zwischen süß-kuchigen Waffeln mit Brombeeren und Erdbeeren, Chili-Honig und viel Puderzucker. Die Portion war mal wieder viel zu groß für mich, konzeptuell fand ich das Gericht aber sehr spannend. Es war das erste Mal außerhalb Marokkos, wo ich Fleisch und Zucker gemeinsam auf dem Teller hab (mal abgesehen von gebratenem Bacon zu irgendwelchem süßen Zeug).
Was mich auch sehr überrascht (geschreckt?) hat: gratis Fentanyl-Teststreifen am Klo. Die Opioid-Krise ist hier so sehr Normalität, dass sogar ein ~cooler~ Brunch-Spot in Kooperation mit der lokalen Gesundheitsbehörde safer use ermöglichen will, wow.
Übrigens, um Cincinatti siedelten sich historisch viele (West)Deutsche an, das Stadtzentrum heißt deshalb noch heute Over the Rhine, und es gibt (auch im Alcove!) einige seltsam anmutende lokale deutsche Spezialitäten wie Goetta, eine Art Bratwurst aus faschiertem Schweinefleisch und Haferflocken. Ich frage mich, bis wann das auch in Deutschland eine bekannte Zutat war, und ab wann die Diaspora-Küche für in Deutschland aufgewachsene Menschen wie mich völlig fremd erschien!
Washington
Mark Thai Food Box +
Fünf Flugstunden weiter im Westen der USA sollte ich mich nun zwei Wochen lang mit eher knappem Budget durch Seattle essen. Erster Stopp, gemeinsam mit neun Journo-Kolleg_innen aus meinem Summer School-Kurs war Mark Thai Food Box im University District, dessen winziges Lokal wir zum Mittagessen komplett ausfüllten. Thai Fried Rice mit Tofu und Spiegelei (14$), süß, sauer, salzig und ein bisschen spicy. Den Chrysantehrnum Tea Drink aus der Dose konnte ich nicht austrinken, denn er war picksüß. Zum Schluss servierte der Besitzer noch Roti aufs Haus, es erinnerte mich an mit Erndussbutter gefülltes marokkanisches Msimn.
Lander Hall Local Point (University of Washington)
1245 NE Campus Pkwy, Seattle, WA
Für die ~experience~ wollte ich dringend in einer der vielen Dining Halls auf dem Campus essen. Weil noch Sommerferien waren, waren die nicht nur gespenstisch leer, sondern hatten auch verkürzte Öffnungszeiten. Nach meinem Kursende nach 13 Uhr gabs nur noch Pizza-Slices um 5$, die ich bestenfalls als mittelmäßig beschreiben würde. Sehr dichter, kaum gelockerter, knusprig-keksiger Boden mit viel Schinken und gezuckerten Ananas-Stückchen.
Studienanfängerinnen, die in einem der dorms on campus wohnen, sind übrigens verpflichtet, sich einen dining plan zu kaufen, egal ob sie in der Mensa essen wollen oder nicht. Der kostet fürs kommende Studienjahr 1195$ aufwärts pro Quartal und deckt dann noch nichtmal mehr als zwei Mahlzeiten pro Wochentag ab. Deprimierend.
Little Duck +
4100 Roosevelt Way NE, Seattle WA
Von diesem cuten kleinen Lokal in Campusnähe, das aussieht wie ein altes Tankstellenhäuschen mit Glasbaustein-Wänden voller Flohmarktmöbel, habe ich bei eater.com gelesen. Egal ob man was zum Mitnehmen oder im-Restaurant-essen will, bestellen muss man über eine Webseite (QR-Code am Tisch), über die man theoretisch auch gleich zahlen könnte. Die Speisekarte auf der hübsch bemalten Tafel neben dem Tresen ist nur auf chinesisch geschrieben, ich war also ohnehin auf die online verfügbare englischsprachige Variante angewiesen. Auf meine interessierte Nachfrage zum Bestellprozess erklärte der Kellner, dass die Digitalisierung dieser Interaktin mit dem Personalmangel bzw. Personalkosten-Sparen zusammenhängt (zu diesem Zeitpunkt waren aber nur sechs Leute im etwa 30 Plätze fassenden Lokal).
Das Little Duck ist auf nordost-chinesische Küche spezialisiert, und am liebsten hätte ich fünf verschiedene Gerichte probiert. Das hätte mich dann aber mehr als 100 Dollar gekostet, und das war zu viel für mein Budget. Ich landete schließlich bei Home Style Tofu (in einer dicken, süß-scharfen Sauce mit Gurken, Chinakohl und Chili) mit gedämpftem, ungesalzenen Reis (20$). Hier würde ich gern öfter essen!
Annapurna Café
Das Annapurna Café in Capitol Hill ist mir ebenfalls auf eater.com untergekommen, und gemeinsam mit einer großen, hungrigen Gruppe an Journo-Kolleg_innen kehrte ich dort spontan zum Mittagessen ein. Ich teilte mit meinem Gegenüber drei verschiedene Gerichte aus der Himalaya-Küche: Idlis with Sambar Soup (12$) stellten sich als gedämpfte Dumplings mit Reis – und Mungobohnenmehl heraus. Von der Konsistenz entsprach das einer Mischung aus Servietten-/Gummiknödeln und Cornbread, dazu gabs eine malzig-süße dicke Sojasauce, Chilipaste und Minzdip zum Eintunken. Die dazu gereichte klare Suppe war ein Rätsel für mich, ich konnte die Gemüseeinlage abseits von Karotten, Zwiebeln, Zucchini und Curryblättern einfach nicht identifizeieren. Ich glaube, sie war mit Grieß oder ähnlichem angedickt und stellenweise ziemlich scharf.
Die zweite Vorspeise kam von der Saisonkarte, leider habe ich den Namen nicht aufgeschrieben: das Dal-Patty mit kühler Gewürz-Joghurt-Sauce war mir im Mund zu bröselig-trocken. Unsere Hauptspeise habe ich vergessen zu fotografieren, obwohl ich sie gerne mochte: Shrimp-Korma mit Safranreis und sehr gutem Knoblauch-Naan (25$).
Das gechlorte Leitungswasser bekam ich zu diesem Zeitpunkt beim besten Willen nicht mehr runter, auf pickige Softdrinks oder Bier hatte ich auch keine Lust und bestellte mir dann abenteuerlustig Jal Jerra (5$), eine Art Gewürzlimonade. Die war allerdings auch unerträglich süß und außerdem mit einer ziemlich gewöhnungsbedürftigen Gewürzmischung (Kreuzkümmel, Ingwer und Tamarinde) aromatisiert.
Hula Hula Karaoke and Tiki +
Am späten Nachmittag landeten wir in der Hula Hula Karaoke and Tiki Bar, ebenfalls in Capitol Hill. Bevor wir hineindurften, mussten wir nicht nur unsere Reisepässe zeigen, sondern auch die Wasserflaschen aus unseren Rucksäcken in den Gulli leeren. Drinnen *durften* wir sie gleich wieder am Wasserspender neben der Tür auffüllen. Chlorwasser wollte ich aber nicht, Bier genauso wenig, und überhaupt war das ja eine Tiki-Bar (schwer verkennbar am Hawaii-Kitsch überall), also fragte ich nach einem möglichst nicht-süßen Cocktail. Die Kellnerin, die sich gleich mit Namen vorstellte und unsere Kreditkarten einsammelte, empfahl mir den Fire in the Whole (15$) mit Mezcal, Falernum, Limette und Peychaud Bitters, den ich gut fand, mit ein bisschen weniger Zucker aber noch besser. Sie sollte noch sehr oft an unserem Tisch vorbeischauen, aber irgendwann einigten wir uns auf ein „europäisches“ Level von Service, denn bei uns musste sie sich ihr Trinkgeld (25%, automatisch vorausgewählt am Kreditkartenlesegerät) nicht durch Überfreundlichkeit und viertelstündliches Zeigen ihres wirklich tiefen Aussschnitts verdienen…
Die einzigen anderen Gäste zu dieser frühen Stunde waren zwei Dutzend junge Navy-Soldat_innen in weißen Uniformen mit blauen Halstüchern und weißen Hüten, die sich karaokesingend die Kante gaben. Später sollte die Bar noch gestopft voll werden, da tauchten dann auch die Vorgesetzten der sailors auf, alle mit hochdekorierten Uniformen und dunklen Sonnenbrillen. Mehr Klischee als in jedem Film.
Korean Tofu House +
4142 Brookly Ave NE, Seattle, WA
Das Korean Tofu House im University District bleibt mir noch lang sehr gut in Erinnerung. Zu unseren fünf Hauptgerichten bekamen wir gratis eine Auswahl an Snacks: super scharfes Kimchi, scharfe Chili-Fritters, sauer eingelegte Sprossen, gekochte Kartoffelwürfel mit Sojasaucen-Glasur, und Tofu-Streifen in Fischsauce.
Ich habe aus ich-will-neues-probieren-Interesse Japchae (15$) bestellt, das waren Glasnudeln aus Süßkartoffelstärke in einer süß-würzigen Sauce mit Tofuwürfeln, Chinachokl. Karotten, Zucchini und Jungzwiebel. Ich aß noch zwei Mahlzeiten von dieser einen Portion.
La Cocina Santiago & Cantina
432 Broadway Ave E, Seattle, WA
Samstagabend war ich mit zwei Kolleg_innen im queeren Ausgehbezirk Capitol Hill spazieren, wo wir bei der Cocina Santiago vorbeikamen und uns spontan an einen der (eingezäunten) Tische am Gehsteig setzten. Mit Halbliter-Margaritas (10$) und Nachos zum Snacken schauten wir dem Treiben auf der Straße zu, und bekamen sehr viele sehr gute Outfits zu sehen. Beim Blick ins Restaurant selbst gingen uns aber auch fast die Augen über: wild gemusterte Tischdecken, Plastik-Klappstühle, alle Farben auf einmal, pixelige Word-ClipArt-Grafiken auf der Speisekarte und kitschige Bachata-Musik aus den Lautsprechern.
Coyle’s Bakeshop +
8300 Greenwood Ave N, Seattle, WA
Für diese Bäckerei – empfohlen von meiner Rezeptentwicklungsheldin Nicola Lamb – bin ich 45 Minuten lang mit dem Bus gefahren, und wurde nicht enttäuscht. Coyle’s Bakeshop hat eine große Auswahl an Plundergebäck, Scones und Keksen und – in der Kaffeestadt Seattle selten – eine ganze Seite voller loser Tees im Angebot. Auch hier muss man coffeshopmäßig am Tresen bestellen, wird danach aber am Tisch bedient. Ich muss sagen, dass das das mit Abstand gemütlichste Café war, in dem ich in den USA war.
Zu meinem ätherisch-scharfen Schwarztee aß ich ein sehr blättriges Plundergebäck mit Kirschen und Meersalz (5$) und las dabei im New Yorker. Btw, die walls of text im Printmagazin haben mich ehrlich schockiert, Magazindoppelseiten mit je drei Spalten Text ohne Bild habe ich nicht für möglich gehalten (ich lese ja sonst immer nur online im New Yorker). Für den Heimweg habe ich mir noch ein Choux (4$) mitgenommen, das mit großzügig Vanille-Chantilly gefüllt war.
Xi’an Noodles
5259 University Way NE, Seattle, WA
Das westchinesische Xi’an Noodles lag auf meinem Heimweg von Coyle’s Bakeshop, und weil ich irgendwo eine Empfehlung dafür gelesen hatte, kehrte ich hier zum Abendessen ein. Bestellen konnte man hier auch nur digital am Tresen (fast wie bei McDonalds!), ich wählte Chicken Biang Biang Noodles (13$). Die stellten sich als das Gericht heraus, das ich insgesamt am wenigsten mochte: Breite, chewy Nudeln in sauer-scharf-süßer Sauce mit gekochtem, gehackten Hendl (inkl. random zerteilten Knochen!), Chili crisp, Erdnüssen, Koriandergrün, saurem Krautsalat und Jungzwiebeln. Nur lauwarm, schwierig zu essen (Knochensplitter! zähe Hendlhaut!) und zu sauer für meinen Geschmack.
Doc’s Marina Grill
403 Madison Ave S, Bainbridge Island, WA
Ein Ausflugslokal auf Bainbridge Island, eh ok: Fish & Chips mit sehr mayonaisigem Cole Slaw (hätte echt Säure vertragen!) und Mayo zum Tunken (18$), dazu unsweetened Iced Tea aus dem Plastikbecher (4$).
Ice Cream Social
The Cove, 278 Winslow Way E, Bainbridge Island, WA
Von neuseeländischem Eis hatte ich noch nie gehört, umso überraschter war ich, als das Vanilleeis bei Ice Cream Social auf Bainbridge Island mit den von mir gewählten Brombeeren wie in einem Milchshake geblendet und dann soft serve mäßig in einen Becher gefüllt wurde. Für Streusel on Top (+1$ exkl. Steuer) war ich zu knausrig, der kleinste Becher kostete nämlich schon (5$), und ich konnte ihn mal wieder nicht aufessen.
Arepa Venezuelan Kitchen +
Dieses venezulanische Restaurant im University District fand ich auch super, es hat das dringende Bedürfnis in mir geweckt, selber mal Arepas zu machen. Ich habe eines mit schwarzen Bohnen, frittierten Plantains, pulled Beef und Käse gegessen (messy af, aber SO gut, 13$).
Husky Grind Café, District Market (University of Washington)
315 NE Campus Pkwy, Seattle, WA
Saddest Bagel (3$) der Welt, und das, obwohl ich ihn extra toasten hab lassen. Bäckereien fehlen in Seattle!
Sizzle&Crunch Vietnamese Grill
Um endlich mal wieder Brot zu bekommen, schien Banh Mi eine gute Option, ich fand dieses mit Tofu und Spiegelei von Sizzle and Crunch ganz ok (12$).
Sea Wolf Bakers +
Auch zu dieser Bäckerei war ich eine halbe Stunde lang unterwegs und hab mir deshalb gleich drei Sachen gekauft. Ein Ciabatta-Semmerl, über das ich mich sehr gefreut habe (richtiges Brot, frisch gebacken!), eine monströs große Zimtschnecke mit Rosinen und Frischkäseguss und ein Jalapeno Cheese Biscuit (alles zusammen 17$). Letzteres fand ich sehr erstaunlich: es war ziemlich kuchig, bestimmt gezuckert, käsig und halt ziemlich spicy, durch (frische, nicht gepicklete) Jalapeno-Scheiben im Teig.
Gracia Cocina Mexicana +
5313 Ballard Avenue, Seattle, WA
Dieses stylishe Lokal im ebenso stylishen Bezirk Ballard haben zwei Kolleginnen von mir ausgesucht, und rückblickend fand ich es von allen Restaurants, in denen ich in den USA war, am angenehmsten. Neben der für mich spannenden mexikanischen Karte (mit riesiger Mezcal-Auswahl, btw), war der Service nett, der Schanigarten gemütlich, das Geschirr hübsch (und nicht aus Plastik!) und keine Interaktion digitalisiert (ich konnte sogar in cash bezahlen!).
Zum Mezcal Margarita (16$) gabs Tortilla Chips und Salsa Verde (4$) zu Snacken.
Nach dem Super Mais-Salat bei Corto y Lima in Lexington bestellte ich hier wieder Esquites (14$). Sehr rauchig, und mit zweierlei Tortilla Chips, sehr gut. Und dann noch ein Taco el Pastor mit geschmorter Schweinsschulter, Ananas, Koriander und Radieschen (6,50$).
Saint Bread +
Es brauchte drei Anläufe, bis ich endlich was bei Saint Bread bekam, die sehr langen Schlangen vor der Tür schreckten mich nämlich zweimal ab. Auch diese Bäckerei hatte ich via Nicola Lamb gefunden, sie war praktischerweise nur wenige Blocks von meinem Dorm entfernt.
An dem späten Nachmittag, an dem endlich mal nicht so viel los war, war leider auch nur mehr wenig in der Auslage übrig. Ich nahm einen Gochu-Doodle (4$), und war mir ziemlich sicher, dass er den Gochujang-Karamell-Cookies nach Eric Kim, die ich im Dezember 2022 gebacken hatte, ähneln würde. Und ja, tatsächlich, mit dem feinen Unterschied, dass hier auch eine deutliche vanilla extract-Note dabei war, was dem Gesamtgeschmacksbild keinesfalls schadete. Sollte ich auch mal wieder backen!
Paper Fan Cocktail Bar +
Biang Biang Noodles, 601 Pike St, Seattle, WA
Auch bei diesem Speakeasy über einem Nudelrestaurant in Capitol Hill brauchte es zwei Anläufe, es hatte nämlich irritierenderweise an einem Samstag um 22 Uhr schon geschlossen. Mittwoch um 19 Uhr war dann unsere Chance, sogar ein Tisch für vier war spontan zu haben (bei insgesamt 18 Sitzplätzen gar nicht so realistisch).
Die Paper Fan Cocktail Bar ist spezialisiert auf Drinks mit Tee drin und hat ein all-female Team. Bei mir sollte es ein Cucumber Roll (17$) werden, mit Sesamöl-washed Gin, Oolong und Gurke. Der Cocktail hatte deutliche Salat-vibes, aber auf eine gute Art! Meine Begleiter_innen tranken eine Matcha-Yuzu-Gin-Tonic-Variation bzw. Apfelholz-geräucherten Rye Whisky mit dunklem grünen Hojicha-Tee.
Die Bar-Snack-Karte ging weit über Knabberzeug hinaus, der Hongkong Street Rice (11$) mit Karotten, Mais, Jungzwibeln, Mapo Tofu und smashed Gurken war ein ganzes Abendessen für mich. Als Rausschmeißer gabs Jasmin-Chrysantehmen-Tee in einer sehr niedlichen Mini-Koi-Schüssel.
Wild Rose Bar
Der Abend war noch jung, weiter gings in die Wild Rose Bar, die laut Webseite die älteste Lesbenbar der Stadt ist. Auf der Tafel stand eine riesige Auswahl an craft beer und auch Cocktails – ich hielt mich zur Abwechslung an alkoholfreies Ginger Beer (7$).
PONY. A very queer Bar +
Um 23 Uhr wurden wir auch aus der Wild Rose Bar hinausgebeten, Sperrstunde. In die Karaokebar ums Eck kamen wir nicht rein, weil der Türsteher Personalausweise nicht als offizielle Dokumente anerkannte und so landeten wir schließlich im PONY. Zu zehnt, davon acht Frauen, in eine Schwulenbar zu latschen ist schon frech, aber wir wurden freundlich empfangen, es war super. Und mein Ginger Beer bekam ich vom Bartender geschenkt, weil die Person vor mir so großzügig getipped hatte.
Fuji Bakery ID Store+
Von der Fuji Bakery hatte ich auch schon im Vorhinein gelesen, ich freute mich deshalb sehr, als ich bei meiner Erkundungstour durch Chinatown/Intl. District zufällig an einer Filiale vorbeikam. Kurz vor Ladenschluss gabs nur noch zwei verschiedene Produkte, eine Packung Shokupan in Plastik und Pain-d’Épi mit Bacon und Apfelessig-Senfkörnern (4$). Das zu essen machte mich sehr froh, denn es war richtiges Sauerteigbrot mit toller Kruste und Krume, und die Kombi von salzig-knusprigem Bacon und fruchtig-sauren Senfkörnern passte gut.
Okinawa Teriyaki +
1100 Western Ave, Seattle, WA
Seattle ist die Geburtsstadt von Chicken Teriyaki, wie ich auf Kenji López-Alt’s Webseite gelernt habe. Deshalb bin ich einer seiner Empfehlungen gefolgt und zu Okinawa Teriyaki in der Nähe des Fährhafens in Downtown gegangen, um Chicken Teriyaki (13$) zu essen. Das Fleisch war rauchig gebraten und innen zart, mit süßer Sauce und knackigem Salat, dazu lockerer Langkornreis.
Zufälligerweise saß ich direkt unter der Zeitungsausschnitte-Galerie des Restaurants, und kam so nebenbei darauf, wie stark die Teuerung in Seattle war: 2011 kostete das Chicken Teriyaki noch weniger als die Hälfte, nämlich 5,95$.
Lazy Cow Bakery
3418 Fremont Ave N, Seattle, WA
In die Lazy Cow Bakery stolperte ich zufällig auf Fremont-Erkundungs-Spaziergang. Vor der (ziemlich kleinen) Vitrine mit dem Gebäck schwankte ich zwischen Mini-Guglhupf und Pain au Chocolat, es wurde zweiteres (5$).
Eine Kollegin fragte mich vorm ersten Reinbeißen, ob ich eher Team Cornetto oder Team Croissant sei. Tatsächlich ist mir die luftige Blättrigkeit französischer Hörnchen lieber als die dichten italienischen, doch leider bewegte sich dieses Gebäck eher dieser Seite.
El Camino
607 North 35th St, Seattle, WA
Zum Abschieds-Essen trafen wir uns als große Gruppe im El Camino, einem bunten mexikanischen Restaurant in Fremont. Während der Happy Hour gabs Margaritas um 7$, und die beste Nacho-Platte (9$), die mir untergekommen ist: mit Käse überbacken, Guacamole, sour cream (die mir sehr viel fetter vorkam als österreichischer Sauerrahm), schwarzen Bohnen und Tomaten-Zwiebel-Salat.
Danach bestellte ich mir noch zwei Tacos, einmal mit Hendl, einmal Veggie (6$).
Fainting Goat Gelato
3415 Fremont Ave N, Seattle, WA
Ohne Dessert geh ich ungern heim, gut dass auf dem Weg Fainting Goat Gelato erschien. Aus Angst vor drohendem Zuckerschock wählte ich die mir am bittersten erscheinende Sorte, nämlich Espresso (5$), die sich als sehr leicht (wenig fett) herausstellte, gut, dass ich diesmal schon einen Dollar für zusätzliche Schokostreusel investierte.
BulldogNews
4208 University Way NE, Seattle, WA
Bei BulldogNews holte ich mir ein leider mittelmäßiges Frühstücksgebäck: Ein aufgewärmtes Dill-Scone mit Käse (5$).
Sweet alchemy
Bei Sweet Alchemy schlich ich zweimal vorbei, bis ich mich schließlich dazu durchrang, wieder übertrieben viel Geld für ein kleines Eis (6$) auszugeben. Von meinen zwei gewählten Sorten stellte sich immerhin eine als großartig heraus: Kardamom-Rosenwasser-Pistazie. Die zweite, aus koreanischem Reisbier, fand ich etwas fad und von der Konsistenz irritierend, sie pickte am Gaumen fest.
Communion +
Schon vor meiner Reise hatte ich mir vorgenommen, in Seattle zumindest einmal in ein ~besseres~ (d.h. high concept/elegantes) Restaurant zu gehen. Sternegastro erschien mir übertrieben, deshalb reservierte ich schließlich im Communion, das von vielen Seiten (Tejal Rao/NYT, Harry Cheadle/Eater Seattle) hochgelobt wurde.
Mit ein paar Tagen Vorlauf bekam ich als Einzelperson nur für 17 Uhr einen Platz, an der Bar, was mir eh recht war. Als ich ankam, war das Restaurant bereits komplett voll, das erste Seating (von drei) des Abends in vollem Gange.
Ich bestellte erstmal einen Kinfolk (16$) aus Bourbon, jamaikanischem Rum, Cynar und Pecanlikör. Ich fand den Drink weit weniger smooth als die Karte ihn angepriesen hatte, er war andererseits aber auch das, was ich mir unter dem Restaurant-Motto Seattle Soul vorstellte.
Auf meine Nachfrage, wie die Karotten in einem bestimmten Gericht den zubereitet seien (roh bin ich ja leider allergisch dagegen, und ich würde sie im Zweifel auch herauspicken, wenn sie z.B. nicht geraspelt sind oder so), wurde ich recht brüsk darauf hingewiesen, dass keinerlei Änderungen möglich seien, ohne dass meine Frage beantwortet wurde. Naja. Dann eben zwei kleine Teller statt einer Hauptspeise mit vielen Komponenten.
Die ghanaisch-inspirierten Fritters (14$) waren quasi Falafel, auf einer kalten spicy Tomaten-Paprika-Sauce. Fried Okra stand im Beilagen-Teil der Speisekarte, für mich waren es einfach zwei volle Portionen. Die Schoten waren mit einer SEHR (zu) salzigen Gewürzpaste scharf angebraten, ich hätte gerne Brot zum Auftunken dazu gehabt. Ich habe sie absichtlich nicht aufgegessen und um eine To-Go-Box gebeten, um auch noch ein Dessert probieren zu können. Mit der Papierbox bekam ich aber auch noch unaufgefordert die Rechnung hingelegt (nach nichtmal 30 Minuten im Restaurant) es dauerte eine Zeit, bis ich erneut die Aufmerksamkeit einer Kellnerin gewinnen konnte, um doch noch ein Dessert zu bestellen.
Für richtiges Südstaaten-Flair (it’s a theme, findet ihr nicht?) entschied ich mich für Bread Pudding (12$). Der war unten gooey, oben knusprig, durch und durch voller Cassiazimt und mit stark gesüßter Zimt-Sahne und karamellisierten Pecan-Stücken garniert. Ein enorm süßes (kein bisschen Säure zur Balance), mächtiges Dessert, das in meinem Kopf nicht amerikanischer sein könnte. Ich habe mir vorgenommen, eine Adaption davon zu backen, angepasst an europäische Gaumen.
Alleine auf Reisen im upscale Restaurant zu essen hat mir grundsätzlich ganz gut getaugt, das Communion selber überzeugte mich aber leider nicht so richtig. Abgesehen von den schon angesprochenen Kritikpunkten am Essen war es beinahe unerträglich laut (mir summten noch nach dem Verlassen des Ladens die Ohren). Das hatte einerseits mit der zwar sehr hübschen, aber sicherlich nicht lärmschluckenden Kupfer-Decke zu tun, andererseits mit der laut aufgedrehten Musik (all black, wie auch das Personal und die vieldekorierte Chefköchin Kristi Brown). Mein Besuch fühlte sich außerdem sehr gehetzt an, was mir dem Rahmen unangemessen vorkam. Immerhin ist das Communion ein Restaurant, das Wochen vorher ausreserviert zu sein scheint, und kein Schnellimbiss.
Das upscale image des Lokals biss sich in meiner Wahrnehmung auch mit der Tatsache, dass die Löhne der Servicekräfte offenbar auch hier nicht eingepreist sind. Nach Steuern kamen automatisch noch fünf Prozent surcharge auf die Rechnung, die laut Speisekarte in Mitarbeiter_innen-Benefits gehen. Das Kreditkarten-Lesegerät schlug dann auch noch 25 Prozent Trinkgeld drauf, das man theroetisch wieder wegklicken könnte.
Dick’s Drive-In
Nach dem frühen Abendessen im Communion hörte ich mir noch ein Konzert in der Sea Monster Lounge an, und war einem Mitternachtssnack danach nicht abgeneigt. Am Weg zurück zum Dorm lag Dick’s Drive-In, offenbar eine iconic Fast-Food-Kette in Seattle. Die Preise dort haben mich stark überrascht, aber ausnahmsweise weil sie sehr niedrig waren.
Für meinen Cheeseburger mit Pommes und Ketchup zahlte ich insgesamt keine sieben Dollar, für das Geld hatte ich wenige Tage vorher im Supermarkt auch bloß eine 1,5l-Flasche Wasser und einen Apfel bekommen.
Das Fast Food schmeckte dann natürlich auch dem Preis entsprechend ~mittel~: Das Burger-Bun war quasi Karton, die Pommes außerordentlich labbrig. Aber: gute Klischee-Experience an meinem letzten Abend in den USA – selbst zur nächsten Sitzgelegenheit (ums Drive-In herum gab es nur Parkplätze, keine einzige Bank) waren es zwei Blocks zu laufen.
Starbucks
Am Flughafen, nach erfolgreichen Durchqueeren sämtlicher Sicherheitstheater-Instanzen, über die ich mich wie bei jeder Flugreise fürchterlich ärgern muss, ging ich zu allerletzt noch zu Starbucks – immerhin hatte ich zwei Wochen lang in dessen Ursprungsstadt Seattle verbracht. Im hochfrequentierten Flughafen-Coffeeshop wurde mir mit meiner Oat Matcha Latte (9$?!) noch ein neuer Name verpasst. Zeit, Heimzufliegen!
Plastik-Geschirr, digitalisierte Interaktion, vorgegebene tips: Was mich an der US-amerikanische Restaurantkultur stört
Ich gehe sehr gerne in Restaurants (nicht nur wegen des Essens) und mache mir mindestens genauso gerne Gedanken darüber (das kann nach bisher 36.000+ Zeichen in diesem Post jetzt keine Überraschung sein). Deshalb komme ich nicht umhin, hier noch über meinen Gesamteindruck der US-amerikanischen Restaurantkultur zu schreiben. Der liegt zwischen irritiert und daheim-ists-irgendwie-besser.
Life in plastic, it’s fantastic. Not.
So viel Einweg-Plastik-Geschirr wie mir in US-Restaurants serviert wurde habe ich zuletzt in italienischen Studenten-WGs (geschlechtergerechte Sprache nicht notwendig) gesehen. Dass To-Go-Sackerl von Fast-Food-Ketten viel Plastik enthalten – geschenkt. Aber dass die gar-nicht-günstige Cocktailbar einer Distille (Castle&Key) Bloody Marys in windigen Einwegbechern ausgibt, dass ein kleines local Restaurant (Bourbon n‘ Toulouse) Styropor-Teller und Plastikgabeln nutzt, und selbst ein scenic Ausflugslokal auf Bainbridge Island (Doc’s Marina Grill) seine Getränke ausschließlich in Plastikbechern (immerhin Mehrweg) serviert, finde ich furchtbar.
Meine deutsche Recycling-Sozialisierung schlägt bei jedem Plastikteil, das auf der landfill zu landen droht, Alarm. Daneben stört mich aber vor allem das Gefühl von Plastik* – jeder Schluck, jeder Bissen schmeckt irgendwie billig. Ich glaube, wenn ich öfter in diese Restaurants gehen würde, würde ich irgendwann anfangen, mein eigenes (Glas/Porzellan) Geschirr anzuschleppen, weil mir sonst die Lust verginge.
*Ja, natürlich, alles sozialisiert – vor 60 Jahren hätte ich es wahrscheinlich als innovativ, hygienisch und zukunftsweisend gefeiert. S.a. Zuckersüß 386 über die Bakelit-Ausstellung im MAK, ORF Topos: Vom Siegeszug zum Problembewusstsein.
Alles digital
Trotz meiner Tech-Affinität finde ich es richtig unangenehm, wenn ich mich in ein Restaurant setze und als allererstes wieder mein Telefon in die Hand nehmen muss, um einen QR-Code zu scannen, der mich zur Speisekarte führt. Einerseits verändert es die Stimmung am Tisch, wenn alle auf ihre Screens starren, andererseits fehlt einer Webseite oder einem PDF jegliche Haptik, die so viel über das Restaurant verraten kann (s.a.: The Walrus: Please Don’t Make Me Use Another QR Code Restaurant Menu, Taste: Getting Lost in the World’s Largest Stack of Menus, L. Sasha Gora: Today’s Special: Reading Menus as Cultural Texts).
Während in österreichischen Lokalen, die digitale QR-Code-Menüs verwenden, am Ende immer noch (also in allen mir bekannten Fällen) ein Mensch die Bestellung aufnimmt, ist das an vielen Orten in den USA durchdigitalisiert/wegrationalisiert. Statt einer (zugegeben unterbezahlten, s.u.) Kellnerin wickelt irgendein Software-Service diese Interaktion ab. Dabei geht viel mEnScHliChKeIt (sorry, ich kling in meinen Ohren wie ein konservativer Boomer, wenn ich das schreib) verloren, die mir bei einem Restaurantbesuch schon wichtig ist.
Und Restaurant-Betreiber_innen zahlen wahrscheinlich hohe Gebühren an einen weiteren Third-Party-Plattform-Service, der mit irgendwelcher schwindliger Software Profite für Shareholders einfährt, die den Leuten, die tatsächlich im/mit dem Restaurant arbeiten, dann fehlen. (S.a.: Expedit: This is a credit cards newsletter now über Kreditkartenfirmen, die in Restauranttech investieren).
Bestell-Automaten mit riesigen Touchscreens, wie sie hierzulande in den letzten Jahren bei Fast-Food-Ketten allgegenwärtig geworden sind, treiben das auf die Spitze. Ich hoffe, der Trend springt nicht auf „kleine“ Restaurants über, so wie es in den USA offenbar schon passiert ist. Effizient ists bestimmt, aber auch sehr seelenlos. S.a. Aaron Ayscough kürzlich in seinem Wein-Newsletter:
For the sake of our inquiry, we might adjust Brown’s formulation, and ask what you call New York minus the excess, with free healthcare, free higher education, rent controls, and affordable childcare?
Not drinking Poison: Droplets: The Week in Natural Wine (15.08.2024)
Europe contains quite a few cities like that, actually. Places with much smaller economies, in which restaurateurs are not required to raise immense capital to open restaurants, and in which they do not feel obligated to sign up for every new wingnut app service in the name of supreme efficiency, or because one of their investors is also an investor in said app. These are places where restaurateurs retain the freedom to practice hospitality on a human scale, if they are so inclined.
Restaurantrechnungen und living wages
„Restaurants are the closest thing the United States has to a social safety net“, dieser Satz aus einem New Yorker-Interview mit dem Aktivisten/Künstler/Koch Tunde Wey aus New Orleans bzw. einem Tweet von Dara Moskowitz ist mir auch vier Jahre nach dessen Erscheinen noch im Gedächtnis hängen geblieben. Nach allem, was ich sonst über die US-amerikanische Gastrobranche weiß und jetzt in knappen drei Wochen dort erfahren habe, ist aber auch das ein sehr lausiges Sicherheitsnetz.
Der bundesweite Mindestlohn in den USA liegt seit 2009 bei 7,25$ pro Stunde, der in Washington beträgt derzeit 16,28$ pro Stunde, in Seattle 19,97$. Der Living Wage Calculator des MIT errechnet für einen alleinstehenden Erwachsenen in Seattle 28,70$ als existenzsichernden Stundenlohn bei einer Vollzeitbeschäftigung, was sich auf 59.695$ pro Jahr vor Steuern beläuft. Laut Bureau of Labor Statistics liegt das durchschnittliche Jahresgehalt in der Gastronomie bei lediglich 42.920$. Von living wages, also existenzsichernden Löhnen, kann also nicht die Rede sein. Trinkgelder sind damit nicht ein angenehmes extra-Einkommen, sondern entscheiden darüber, ob man seine Miete zahlen kann oder nicht.
Dass die Kellnerin in der Hula Hula Karaoke-Tiki-Bar viertelstündlich an unserem Tisch vorbeischaute und einen sehr tiefen Ausschnitt trug, begründete sie tatsächlich mit dem viel zu niedrigen Lohn und ihrer Abhängigkeit von tips.
Dass Gastronomiebetriebe dann trotzdem so etwas wie service charges oder benefit surcharges zwischen fünf und 20 Prozent auf die Gesamtrechnung draufschlagen, manchmal auch undurchsichtig ab einer gewissen Anzahl von Gästen pro Tisch, statt einfach anständige Löhne einzupreisen finde ich ziemlich deppert. Wie ich in der Redaktionssitzung für einer der Wochenend-Beilagen der Seattle Times erfahren habe (dazu bald mehr), wird in der Stadt derzeit heiß über eine generelle service charge diskutiert, denn die komplizierte Rechtslage ändert sich bald:
Currently, businesses with 500 or fewer employees can pay a minimum wage of $17.25 per hour, given an employee makes at least $2.72 an hour in tips or gets paid $2.72 hourly toward medical benefits. Employers with 501 or more employees, and those that don’t pay toward medical benefits or don’t have a tipping model, must pay all employees at least $19.97 an hour.
Seattle Times: Restaurant owners sound alarm ahead of wage hike (17.08.2024)
That fine print will vanish Dec. 31, when the city’s tip credit will expire and all businesses, regardless of size, will bump to that $19.97 rate. It’s the second-highest minimum wage in the country, behind Tukwila.
Als Arbeitsrechts-Ultra bin ich natürlich ganz klar auf Seiten der Arbeitnehmer_innen – wie kann es bitte gerecht sein, den Mindestlohn, der bewiesenermaßen eh schon nicht zum Leben reicht, um 20 Prozent zu kürzen, weils ja eh Trinkgeld gibt?
Bei den meisten Kassensystemen ist ein tip von 20 Prozent aufwärts voreingestellt – selbst bei Eisläden, Bäckereien oder ähnlichen Geschäften, wo einfach nur über die Theke verkauft wird. Dass ein so hoher Trinkgeld-Betrag schon vorgegeben wird, finde ich ziemlich frech – auch wenn man es mit zwei taps auf den Touchscreen theoretisch wieder weg-klicken kann. Mit meinem Trinkgeld wollte ich allerdings – in vollem Wissen über die erbärmlich niedrigen Löhne der Branche – nicht knausern. Selten habe ich den vorgeschlagenen Wert verändert.
Was mich an diesem System stört: Für mich als Kundin ist bei einem ersten Blick auf die Speisekarte nicht abschätzbar, wie teuer ein Restaurantbesuch werden wird. Der Preis setzt sich zusammen aus dem angeschriebenen Betrag, evtl. einer service charge (5-20%), den Steuern (~10% sales tax, evtl. zusätzlich Sweetened Beverage Tax), evtl. Transaktions-Aufschlägen und tips. S.a.: Why Tipping Is Everywhere im NYT-Podcast The Daily über die Änderungen, die die Pandemie in die US-Gastro gebracht hat, die nun schwierig zurückzudrehen sind.
Es ist natürlich ein netter psychologischer Trick, die Steuern und Gebühren immer erst im Nachhinein dazuzurechnen, weil man dann als Gast geneigt ist, mehr Geld auszugeben und außerdem latenten Groll gegen diese ganzen „zusätzlichen“ Kosten hegt. Aber ehrlich gesagt finde ich es ziemlich feige von den Restaurantbetreiber_innen, nicht den vollen Preis in die Karte zu schreiben, und noch feiger, den eigenen Angestellten nicht so viel zu zahlen, dass es überhaupt zum Leben reicht. Solche Bedingungen hat niemand als ~social safety net~ verdient.
tl;dr: Die US-amerikanische Restaurantbranche (so wie ich sie in drei Wochen als Gast wahrgenommen habe) macht einige Dinge anders als die österreichische, und damit meine ich: schlechter. Plastik-Geschirr, digitalisierte Interaktion und nicht-existenzsichernde Löhne bei undurchsichtiger Preisgestaltung sind wirklich nichts Erstrebenswertes.
Würde ich mich jetzt an den solutions journalism-Ansatz halten, wegen dem ich überhaupt in den USA war, müsste ich jetzt irgendein Beispiel-Lokal finden, das Lösungsvorschläge für diese Kritikpunkte bietet und andere zu positiver Veränderung anstiftet, aber als easy way out sag ich einfach: USA, schauts euch was von Europa ab.