Eine Reise in die USA, Pt. 2: KY

Nach gut einer Woche in New York bin ich mit meiner Schwester weiter nach Cincinnati geflogen, um weitere 10 Tage in Kentucky zu verbringen.

Und entgegen allen Warnungen, wie langweilig es doch am platten Land sein würde, wurde es richtig interessant. Nicht nur, weil ich eine völlig andere Seite der USA zu sehen bekam, sondern auch weil es im „Bluegrass State“ einige coole Sehenswürdigkeiten und Museen gibt.

Churchill Downs
Vor dem Haupteingang: Ein Pferd, das dreimal (?) das Kentucky Derby gewann.

Dazu gehört zum Beispiel Churchill Downs in Louisville, an dem jährlich eines der berühmtesten Pferderennen der Welt stattfindet und die Prominenz ihre extravaganten Hutkreationen ausführt. Für Pferde konnte ich mich (vermutlich auch wegen meiner Allergie gegen ihr Fell) noch nie begeistern, doch ein Besuch im Kentucky Derby Museum lohnt sich meiner Meinung nach. Vor allem der Einführungsfilm auf einer 360°-Leinwand in Rennbahn-Form hat mir gefallen. Der packenden Vorführung folgt man dabei auf Drehhockern und erfährt alles mögliche über Kentucky, Pferderennen, -zucht und Jockeys.

Old Louisville
Die Häuser im St James Court sind mit elektrischem Licht angestrahlt, der Straßenzug aber mit Gaslampen beleuchtet!

Etwa genauso alt wie Churchill Downs ist der St James Court im Stadtteil Old Louisville. Dort reihen sich prächtige viktorianische Villen in einer mit Gaslampen (!) beleuchteten Allee aneinander.  Gleich nebenan ist der Central Park, in dem jeden Sommer ein Shakespeare-Festival stattfindet. Dort habe ich eine kostenlose Aufführung von „The Merry Wives of Windsor“ der Cincinnati Shakespeare Company angeschaut. Dazu gabs leckeren Wein aus der Gegend (leider aus Plasitkbechern…) und noch viel leckerere Bourbon-Peach-Popsicles. Auch so etwas, das ich nächsten Sommer in meiner Küche nachbauen will!

Louisville beherbergt außerdem das Muhammad Ali Center. Dieses recht große Museum ist komplett dem weltberühmten Boxer, der als Cassius Clay in der Stadt aufwuchs, gewidmet. Auch hier beginnt die Ausstellung mit einem Einführungsfilm auf mehreren Leinwänden (eine gewöhnliche scheint nicht genug zu sein), verliert sich dann aber leider in einer Masse an Text. Selbst als äußerst schnelle Leserin war ich bald überfordert von den Textschnipseln an Boden, Wänden, Tafeln und Decken. Ganz umsonst fand ich den Besuch dennoch nicht, denn anhand Muhammad Alis Lebensgeschichte wird Rassismus und Rassentrennung in den USA verständlich aufgezeigt. Außerdem war zum Zeitpunkt meines Besuchs gerade eine Foto-Sonderausstellung mit faszinierenden Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den 1960ern und 1970ern.

Ein paar Blocks weiter auf der „Museum Row“ in der West Main Street, die insgesamt sieben Attraktionen (z. B. auch die Louisville Slugger Factory) versammelt, befindet sich das Frazier History Museum. Dort gab es gerade eine furchtbar teure Hunger Games-Sonderausstellung, – Jennifer Lawrence ist nämlich ebenfalls aus Louisville – die wir allerdings links liegen ließen um in eine andere Sonderausstellung zu gehen: „Spirits of the Bluegrass: Prohibition and Kentucky“. Mein Wissen über die amerikanische Prohibition der 1920er beschränkt sich auf Aufgeschnapptes aus Filmen wie „The Great Gatsby“, sodass ich hier viel über diese Ära lernen konnte. Die Party-Kleidung aus der Zeit ist zudem schön anzuschauen und die verschiedenen Plakate für und wider den Alkoholkonsum recht witzig:

Alkohol
Prohibitionsplakat im Frazier Museum Louisville und ein Cocktail aus der West Main Crafting Co in Lexington

Heute gibt es zwar immer noch ein recht fragwürdiges Alkoholgesetz in den USA (warum man mit 18 in die Army eintreten oder Waffen kaufen darf, aber kein Bier ist mir rätselhaft), aber ich bin ja mittlerweile of age. So konnte ich nicht nur Bourbon und Wein aus Kentucky probieren (später mehr dazu), sondern mich auch durch die Barszene in Lexington probieren. Da gibt es zum Beispiel die West Main Crafting Company auf der West Main Street, deren Karte einer Hochglanzzeitschrift ähnelt. Fragt mich nicht, welchen ich getrunken habe, der Name war ziemlich kompliziert. Was ich mir gemerkt habe, war der äußerst hübsche „Brunnen“ der mit dem Absinth serviert wurde, sodass Zuckerwürfel auf entsprechenden Löffeln darüber stilvoll aufgelöst werden konnten.  Und es gibt frische Donuts! Wer einen etwas „nobleren“ Abend verbringen will, ist in dieser Bar genau richtig.

Ein paar Häuser weiter ist die Seltzer Bar (leider ohne Internetauftritt). Die sieht weitaus unscheinbarer aus und das Menü ist eine simple A4-Seite. Doch die Bartender waren superfreundlich und ihre Kreationen faszinierend. Obwohl ich nur ein Getränk bestellt hatte, kam ich in den Genuss von einigen mehr. Ich bekam z.B. den „Java Wine Spritzer“, eine Art Kaffee-Sangria, zu probieren und auch dessen Herstellung in einer Zentrifuge (die wohl ursprünglich mal für medizinische Zwecke gedacht war) zu sehen. Sehr cool war außerdem Butter-Sirup, der Bourbon-Cocktails verfeinerte.

Lexington
Parkplatz Street Art in Downtown Lexington

Die Innenstadt von Lexington ist ansonsten recht unspektakulär und vor allem gar nicht für Fußgänger geeignet. Überhaupt scheint mindestens ein Drittel von „urbanen“ Bereichen Kentuckys aus Parkplätzen zu bestehen, was mich als vehemente Auto-Gegnerin ziemlich ärgert.

Um eine weitere gastronomische Empfehlung meinerseits zu besuchen, braucht es leider wieder ein Auto. Im Bourbon&Toulouse, das von oben bis unten im Mardi-Gras-Style eingerichtet ist, gibt es günstige Südstaatenküche. Ob mit Fisch, Fleisch oder vegetarisch, eins eint die verschiedenen Gerichte, zu denen immer Reis gereicht wird: sie sind suuuperscharf (also für meine Verhältnisse). Die „Black Beans & Caramelized Corn“ haben mir so gut geschmeckt, dass ich sie sogar schon daheim nachgekocht habe. Leider wird alles auf Plastiktellern serviert und bei Getränken gibt es nur klebrige Softdrinks, chlorig schmeckendes Wasser (wie fast überall, wo ich in den USA war) oder Bier (auch aus Bayern!).

Obatzda
Bayrischer Export!

In einem weiteren coolen Lokal in Lexington, dem Kentucky Native Café, ist mir noch ein Bayern-Bezug untergekommen: Die servieren tatsächlich „Bavarian Pretzels with Chive Obatzda“, um nur 9,95$! Die habe ich zwar nicht bestellt, dafür aber eine hausgemachte Brombeer-Limonade. Was eigentlich noch cooler an diesem Café ist, ist die Location innerhalb einer Gärtnerei. Um zu den Tischen, die von Sträuchern und Bäumen umgeben sind, zu gelangen, muss man erstmal einige Gewächshäuser passieren.

Gärtnerei
Eine Gärtnerei, die gleichzeitig ein Café ist: super Idee!

Ein Geschäft in Lexington möchte ich euch noch ans Herz legen, auch wegen seiner überaus kreativen Raumgestaltung. Im Kentucky for Kentucky-Laden gibt es coole Kleidung, Plakate und Souvenirs und den Cocaine Bear. Dessen Geschichte ist unglaublich: Er starb tatsächlich an einer Überdosis geschmuggelten Kokains und wurde später ausgestopft.

Cocaine Bear
Die Geschichte des Cocaine Bears ist unglaublich (*clickbait aus*).

Am zweiten August-Wochenende fand in Lexington das Crave-Festival statt, dass so auch irgendwo in Deutschland hätte sein können. Hippe Foodtrucks, eine Bühne mit Livemusik über den ganzen Tag und recht teure Preise zeichneten das Ganze aus. Schön wars trotzdem und ich kam dazu, ein paar weitere typische Gerichte zu kosten, z. B. Shrimp and Grits:

Shrimp and Grits
Südstaatenspezialität Shrimp and Grits mit meiner Schwester als Hand-Model

Dass Bourbon DAS Ding in Kentucky ist, ließ sich an jedem Stand erahnen, denn es gab kaum einen ohne eine Spezialität damit. Ein Getränkestand hatte Ginger Ale im Angebot, das durch Bourbon-Fässer aromatisiert worden war. Und es war sooo gut! Ich musste direkt meine Schwester als Model vors Old-School-Werbetaferl stellen.

Ginger Ale
Super leckeres Ginger Ale auf dem Crave Festival

Durch Kentucky führt auch ein ganzer „Bourbon Trail“. Wenn man die zehn zugehörigen Destillerien besucht und sich in jeder einen Stempel für seinen „Bourbon Trail Passport“ holt, bekommt man am Ende sogar ein T-Shirt davon. Meine Begeisterung fürs Bourbon-Brennen geht allerdings nicht ganz so weit, deshalb habe ich nur eine Destillerie angeschaut:

Die Heaven Hill Distilleries hat ein ganzes „Bourbon Heritage Center“ in die Landschaft gestellt und bietet dort Touren durch ihre Lagerräume (s. Titelbild) an. Den Abschluss bildet dann ein Tasting verschiedener Bourbon-Sorten, die sich in ihren Getreideanteilen unterscheiden.

Bourbon Tasting
Bourbon Tasting

Ich muss zugeben, dass mir Bourbon pur nicht so sehr zusagt, dafür umso mehr in Kombination mit anderen Getränken (Cocktails!) oder Süßigkeiten, zum Beispiel Bourbon Balls. Im Bourbon Heritage Center gabs eine gleichnamige Eissorte, die wir für meine Schwester ins Auto (geheim, geheim!) mitnahmen. So konnte die Arme mit ihrem „under 21“-Pickerl doch noch den Staats-Schnaps kosten.

Bourbon Ball Ice Cream
Meine Schwester ist gut sichtbar unter 21…

Was gehört neben guten Getränken und Desserts noch zu gelungenen Ferien in den USA? Genau: BBQ.

BBQ
Auch die Vegetarierin wurde beim BBQ berücksichtigt

Witzigerweise kamen wir nach Steaks und superleckerem Grillgemüse (die Hälfte davon aus dem Garten!) genau am „National S’Mores Day“ darauf, eben solche zu machen. Noch nie vorher hatte ich diese pappsüße Kombination aus Vollkornkeks, Milchschokolade und gegrilltem Marshmallow probiert. Die Graham Crackers fand ich sehr lecker und für fluffig-klebrige Marshmallows bin ich auch zu haben. Aber Hersheys Milchschokolade schmeckt ziemlich schrecklich (scheint ein „europäisches“ Phänomen zu sein, s. dazu die We Heart Chocolate – Folge vom Gastropod)!

Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, S’mores mal komplett selber zu machen – also Graham Crackers und Marshmallows. Die Ergebnisse hoffentlich nächsten Sommer hier in der Zuckerbäckerei ;)

S'mores
Sehr amerikanisch: S’mores

Mein Aufenthalt in Lexington überschnitt sich mit den rassistischen Aufmärschen in Charlottesville im Nachbarstaat Virginia, über die ich bei jeder Autofahrt (es waren viele!) bei NPR hörte (darüber gelesen habe ich auch viel, einige Artikel sind im Zuckersüß 254 gesammelt). Diese Schilder, die in einigen Wohngegenden Lexingtons aufgestellt waren, weckten bei mir dann doch einen Hoffnungsschimmer.

Nachbarn
Gleich neben diesem Schild hängt ganz patriotisch eine USA-Flagge.

Zur gleichen Zeit waren außerdem noch die Einführungstage an der University of Kentucky. Mit meiner Cousine, die dort studiert hatte, spazierten wir über den riesigen Campus (natürlich Auto-tauglich und voller Parkplätze) und liefen dabei an unzähligen Mädchen-Gruppen vorbei. Sie trugen alle das gleiche Shirt und ähnelten sich im Style auch sonst. Sie liefen entweder im Pulk durch die Gegend oder standen in sehr langen Schlangen vor verschiedenen Sorority-Häusern. Nachdem ich mir diese Einrichtungen erklären ließ, fand ich sie noch seltsamer als vorher. Ich bin jetzt sehr froh, in Wien zu studieren und nicht an einem US-College, an dem einfach alles Unsummen zu kosten scheint. Auch die Tatsache, dass „Dorms“ fast immer geteilt sind, Essen (Frühstück/Mittag/Abend!) hauptsächlich mit „Meal Plans“ in Cafeterias zu haben ist und das Studierenden-Leben fast abgeschottet vom Rest der Stadt/Welt ist, sind für mich nicht gerade Pluspunkte an diesem Bildungssystem.

Sorority
Alle diese Mädchen wollen zur Sorority gehören.

Bis jetzt sieht es aus, als hätte ich mich nur in Lexington und Louisville aufgehalten, aber das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Ich war auch noch in Bardstown, das sich als „die schönste Kleinstadt“ in Amerika präsentierte:

Bardstown
Ich fand diese Stadt ziemlich fad.

So schön, wie diese Kleinstadt verspricht zu sein, fand ich es jedoch nicht. Wie in anderen kleinen Städten dort stehen viele Gebäude im Stadtkern und in der meist extrem weitläufigen Peripherie leer oder verfallen sogar.

Straße
Schnurgerade Straßen mit einzelnen Geschäften auf beiden Seiten, viele davon längst nicht mehr offen

Eine Ausnahme davon ist Elizabethtown  (bei Wikipedia fand ich heraus, dass es sogar einen gleichnamigen Film gibt, der dort spielt!). Man sieht es dessen Zentrum auf den ersten Blick an, dass es erst kürzlich renoviert wurde: Cafés, Bars und kleine Geschäfte auf der Hauptstraße sehen nagelneu aus. Im Sommer findet jeden Donnerstag um 19h eine historische Stadttour statt (hier gibts ein YouTube-Video dazu). Ehrenamtliche des Heritage Council spielen, voll kostümiert, berühmte Bewohner_innen der Stadt und erzählen „ihre“ Geschichten. Abgesehen davon, dass die kostenlose Tour wirklich sehr liebevoll gemacht ist, habe ich viel Neues erfahren – z.B. dass Präsident Lincolns Stiefmutter ziemlich lange in Elizabethtown gewohnt hat. Unbedingt empfehlenswert!

Kentucky hat für Outdoor-Menschen sehr viel zu bieten. So jemand bin ich zwar nicht, auf der Natural Bridge im Red River Gorge war ich trotzdem. Die steinerne Brücke, die man entweder über einen Wanderpfad mit sehr vielen Treppen, oder für 25$ mit einer Seilbahn erreichen kann, sieht schon beeindruckend aus.

Nicht weit davon ist Miguels Pizza, das v.a. Anlaufstelle für Kletterer und Wanderer ist. Viertel, halbe oder ganze Pizzen kann man sich hier ganz frei zusammenstellen, wofür man einfach einen Ankreuzzettel ausfüllt und an der Theke abgibt. Ein paar Minuten später erhält man seine ofenfrische Bestellung zum Tisch – genau richtig nach den gefühlt 1000 Stufen zur und von der steinernen Brücke.

Schmetterling
Ein Schmetterling im Bernheim Forest

Im Bernheim Forest bin ich noch einen Wanderweg entlangspaziert. Obwohl ich mit meinen Begleiterinnen immer den Schildern folgte, gingen wir letzten Endes im Kreis und nicht dorthin, wo der Weg hätte führen sollen. Die Anlage erwies sich dennoch als schöner Tagesausflug, auch wegen des „Edible Gardens“, in dem die verücktesten Obst- und Gemüsesorten (Lila Tomaten!) angebaut werden.

Eichhörnchen
Diebische Eichhörnchen schnappen die Erbeeren, bevor es Menschen tun.

Das wars von meiner USA-Reise und ich glaube, mein Blogpost ist jetzt auch lang genug geworden. Bald gehts weiter mit Rezepten und weiteren Reiseberichten!



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

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Im Zuckersüß sammle ich (fast) jeden Sonntag meine liebsten Links der Woche: Rezepte für die Nachback-Liste, lesenswerte Blogposts, Zeitungsartikel und Longreads, Podcasts oder Musik, die mir gerade gefällt und oft genug auch Internet-Weirdness. Außerdem schreibe ich auf, was ich sonst so interessant fand: neue Rezepte in meiner Küche, Lokale, in denen ich gegessen, Pullover, die ich gestrickt oder Texte, die ich geschrieben habe.

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