Neues aus Nancy 2

In meinen fast vierzehn Monaten in Marokko gelang es mir nicht öfter als zweimal (Neues aus Marokko I und II) ein paar Erlebnisse aus meinem Alltag aufzuschreiben, einmal abgesehen von den Geschichten, die in meinen Rezeptposts Platz fanden.

Die Anzahl der neuen Rezepte hier wird sich in den nächsten Monaten mangels Ofen stark in Grenzen halten, aber immerhin habe ich von Anfang an, schon im letzten Zuckersüß, festgehalten, was mir so passiert ist.  Die Geschichten der ersten Woche an der Uni Lorraine sprengen aber die Grenzen meiner sonntäglichen Linksammlung, also mache ich einfach einen eigenen Post daraus:

Tag 1 an der Uni – eine Übung in Frustrationstoleranz

Über meine „Unterwältigung“ beim Einzug ins Wohnheim habe ich ja schon berichtet, die Geschichte mit der Schlüsselkarte aber nicht. Obwohl ich zur Unterzeichnung der Dokumente und der Schlüsselübergabe zweimal im Wohnheims-Büro war, kam niemand dort auf die Idee, mich auf die Funktionsweise der Haupteingangstür hinzuweisen. Ab 20 Uhr und wochenends ganztägig ist diese nämlich verschlossen und nur mithilfe des Studierendenausweises zu öffnen. Nur funktioniert das sinvollerweise nicht mit jedem Ausweis, sondern nur mit freigeschalteten. Nun ratet mal, wer keinen freigeschalteten Studierendenausweis hatte – genau, ich!
So kam es, dass mir der Nachtwächter Freitagabend (unerlaubterweise) eine Mitarbeiter_innen-Schlüsselkarte auslieh und mich bat, meine eigene Karte so früh wie möglich aktivieren zu lassen und die andere wieder zurückzugeben. Montagmittag kam ich also von der Uni zurück (vorher war das Büro noch geschlossen) und ich wurde tatsächlich gebeten „wann anders“ nochmal zu kommen, denn der Code zur Freischaltung von Ausweisen für die Haupteingangtür wäre gerade nicht zur Hand.

Motiviert (streberhaft) wie ich bin, ging ich Montag morgen um acht Uhr (sehr schrecklich) in meine erste Info-Com-Vorlesung Acteurs et mediations de l’information documentaire. Dort war ich erst einmal irritiert von der „Verschulung“ der Lehrveranstaltung (kein Seminar!). Der Dozent bestand auf Mitarbeit aller und drohte mehrmals mit Saalverweis – wegen Dingen, die eigentlich in der Verantwortung der Studierenden liegen sollten (Smartphones auf dem Tisch, Lippenstift nachziehen etc). Außerdem ungewohnt: Alle Studierenden (bis auf mich, eine andere ERASMUS-Studentin und einen dritten Studenten) tippten ihre Notizen in Laptops. Ich bleib lieber bei Papier und halber Sketchnoterei!

Die nächste Vorlesung schwänzte ich dann, um ein paar Dokumente auszudrucken und einen Termin wahrzunehmen. Auf dem Campus gibt es laut Portier zwei Drucker. Beim einen war das Papier aus, weshalb ich in die Bibliothek ging. Der dortige Drucker ist von genau sechs Rechnern ansteuerbar, die praktischerweise alle besetzt waren. Freundlicherweise ließ mich einer der Studierenden dort kurz meine drei Seiten ausdrucken, denn ich musste ja zur Studienkoordination. Dort kam ich auch pünktlich an, doch die gute Frau, die mir vor einem Monat einen Termin bestätigt hatte, tauchte auch nach einer Stunde nicht auf. Ich blieb also vorerst nicht inskribiert.

Und noch eine super Geschichte vom Montag: Offenbar wurde am Sonntagabend ein Busfahrer angegriffen und ausgeraubt, weshalb das gesamte Öffi-Netz der Stadt für den Folgetag stillgelegt wurde. Ich glaube, eine Monatskarte leiste ich mir bei diesem sehr *serviceorientierten* Verkehrsbetrieb nicht (Hail Wiener Linien!).

Am Abend besuchte ich dann den Französischkurs für ERASMUS-Studierende, in dem wir „Mon Meilleur Ami“ anschauten und diskutieren. Das fand ich sehr super, der Film war nämlich wirklich lustig. Mein letzter Sprachkurs war einer für Italienisch A1 am Sprachenzentrum, aus dem ich am Ende nicht mehr mitnahm, als mir Duolingo ohnehin schon beigebracht hatte. Ich glaube, dieser hier könnte mir mehr weiterhelfen.

Anschließend veranstaltete das Erasmus Student Network (eine super Organisation!) einen kleinen Flohmarkt. Dort konnte man sich gratis alles mitnehmen, was man von den Dingen, die vorherige Erasmus-Studierende dagelassen hatten, brauchen konnte. So kam ich zu einem Nudelsieb, einem Weinglas, einer Müslischüssel und einem Kleiderbügel.

Tag 2 an der Uni – Es wird besser!

Mein erster Kurs am Dienstag (um 10 Uhr, schon viel sympathischer) war dann das komplette Gegenteil zu meinem ersten Kontakt mit dem französischen Uni-System. Der Professor – mit Captain America-Gürtel und Batman-Cover auf dem Macbook – begann die Einheit erstmal mit einem Quiz zu den bereits behandelten Themen. Und zwar via App (Speak Up), die auch für Rückfragen während der Lehrveranstaltung genutzt werden kann. Zur Illustration seiner Beispiele verwendete er verschiedene Videos (z.B. diese MacIntosh-Superbowl-Werbung von 1984 oder diesen Clip für den Renault Twingo). Ich war so begeistert von der Vorlesung, erst recht im Kontrast zur vorherigen, dass ich dem Professor am liebsten gesagt hätte, wie super seine Arbeit ist. Von der Lehrperson hängt also auch in Frankreich alles ab.

Im Resto Universitaire stand zur Abwechslung mal etwas Vegetarisches auf dem Speiseplan (Soja-Pflanzerl in Tomatensauce), nur war das schon aus, als ich ankam. Schade. Dafür bekam ich am Nachmittag einen Topf von meiner Nachbarin geschenkt, das heißt, ich kann nun wirklich kochen und nicht mehr nur aufwärmen!

Außerdem bekam ich endlich meine Schlüsselkarte aktiviert und meinen Kursplan unterschrieben. Dafür hatte die Koordinatorin zwar auch nicht mehr als 2 Minuten übrig, aber immerhin war sie in ihrem Büro. Um tatsächlich eingeschrieben zu sein, also auf die Materialen der Kurse zugreifen, Hausaufgaben abgeben und Prüfungstermine sehen zu können, muss ich aber zu einer weiteren Stelle gehen, die erst am Donnerstag wieder offen hat. Bürokratie macht schon Spaß. Nicht.

Wegen diesen administrativen Angelegenheiten kam ich dann zu spät zum Atelier d’écriture und war erstmal völlig verwirrt. Die Dozentin las Zitate von bekannten französischen Schriftstellern vor (die mir natürlich nicht alle bekannt waren) und präsentierte Stilfiguren. Nachdem ich diese bei Wikipedia nachgeschlagen hatte, konnte auch ich mich an die Aufgabe machen. Reihum las dann jeder im Kurs sein Zeugma vor und ich war doch recht stolz, dass ich es schaffte, etwas zu erarbeiten (auch noch halbwegs passend zu meiner Situation): Elle prends un cours d’écriture francais et le taureau par les hornes (etwa „Sie nimmt einen Schreib-Kurs auf Französisch und packt den Stier bei den Hörnern“). Später sollten wir einen Ort und eine Person unter bestimmten Bedingungen beschreiben, was mich sehr viel Anstrengung kostete. Einen solchen „Creative Writing“-Kurs habe ich noch nicht einmal auf Deutsch besucht, die Herausforderung, das Ganze in meiner Drittsprache Französisch zu meistern ist ziemlich hoch. Ohne (Online-)Wörterbuch bin ich in dem Kurs aber auf jeden Fall verloren und auch ein digitales Schreibgerät wäre hier gut. Ansonsten kann nämlich nicht einmal ich mehr entziffern, was ich geschrieben, ausgebessert und durchgestrichen habe…

Der Französischkurs abends war im Vergleich dazu ein Kinderspiel, wir füllten ein paar Lückentexte aus und hörten Chansons, u. a. diesen sehr theatralischen von Serge Lama: Je suis malade.

Tag 3 an der Uni – Zwei weitere Seminare

Für Mittwoch stehen zwei weitere Kurse des Arbeitstechniken-Moduls, zu dem auch das Atelier d’écriture vom Dienstag gehört, in meinem Stundenplan. Zuerst die Techniques d’enquête, wo ich mich zuallererst der Dozentin vorstellte. Sie erklärte mir grob, wie das Seminar abläuft – eine Hälfte Theorie, eine Hälfte Praxis, hauptsächlich Gruppenarbeit – und bat die anderen Studierenden, mich doch in eine Gruppe aufzunehmen. Ich kam mir vor, wie die unsportlichste Person, die in der Turnhalle niemand in seinem Team haben wollte… Etwas zögerlich wurde ich dann doch von drei lieben Menschen aufgenommen und werde mich wohl im Laufe des Semesters mit dem Frauenbild im aktuellen französischen Film beschäftigen. Auch in dieser Lehrveranstaltung gab es zu Beginn ein paar theoretische Konzepte (qualitatives vs. quantitatives Forschen) und dann sofortige Anwendung des gerade gelernten, inkl. herumwandernder Dozentin, die für Fragen zu Verfügung steht. Irgendwie auch wie in der Schule, aber sehr hilfreich!

Der nächste Kurs, Téchniques d’analyse documentaire, ging thematisch mehr Richtung Info denn Com. Der Studiengang hier deckt sich nicht ganz mit der Wiener Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, in dem meines Wissens die Möglichkeiten der Dokumentation von Information nicht vorkommen. In einem überbesetzten Computerraum hörte ich also zwei Stunden lang französische Begriffe zum Bibliothekswesen, ohne dass sie auf irgendwelchen Folien oder zusätzlichen Materialien aufgeschrieben gewesen wären. Ich verstehe aktuell noch nicht ganz, warum die Dozentin ihr Skriptum nicht zur Verfügung stellt, sondern stattdessen darauf besteht, dass jede_r alles mitschreibt, was sie sagt. Das ging so weit, dass Studierende, die nicht (immer) mitschrieben, sogar dafür gerügt wurden. Auch seltsam: Ein Text, den die Dozentin scheinbar zur Vorbereitung per E-Mail ausgeschickt hatte, wurde reihum laut vorgelesen, wobei sie die zu unterstreichenden Stellen nochmals herausstellte. Recht viel Autonomie wird Studierenden hier nicht  zugestanden.

In diesen beiden Kursen habe ich erstmals in einem Word-Dokument mitgeschrieben (Gruppenzwang schlägt zu!). Das bietet zwar den Vorteil der Rechtschreibkorrektur und ggf. sehr schnelles googeln nach unklaren Begrifen. Doch mir gelingt es in der Schnelle nicht recht, meine Notizen angenehm zu strukturieren, Querverweise herzustellen usw. Mein Computerl (Mini-Notebook/Tablet) ist außerdem viel zu unzuverlässig, es stürzt des öfteren einfach mal ab und verfällt spontan in einstündige Update-Warteschlangen. Ich wollte am Ende des zweiten Kurses eigentlich nur das .docx mit der Hausübung öffnen, doch Word verfing sich in einer „Das Programm reagiert nicht.“-Schleife und nun lässt es sich auch nach einem System-Neustart nicht mehr starten. Irgendwann kaufe ich mir doch ein iPad, dieses Glump von Windows-Tablet kostet mich viel zu viele Nerven…

Eine Überraschung (die ich allerdings schon am Montag bemerkt, nur nicht sofort ins Internet geschmissen hatte) waren die Toiletten auf dem Campus. Die sind grundsätzlich Unisex (und alle ziemlich fertig, aber der Zustand des restlichen Gebäudes ist auch nicht top) und das scheint nichts besonderes zu sein. Coole Sache, vor allem vor dem Hintergrund der Klo-Kriege an Berliner Unis. Die einzige Trennung bei den Toiletten ist die der Hierarchie: Die Lehrenden haben ihre eigenen Sanitäreinrichtungen.

Tag 4 an der Uni – Lustige Übersetzungen

Die Vorlesung Communication et technologies numériques am Donnerstagvormittag war auch eine der spaßigeren. Die Studienkoordinatorin hatte mich gewarnt, dass sie möglicherweise zu schwierig für mich sei, was ich bisher gar nicht nachvollziehen kann. Ich amüsierte mich sehr über die ins französische übersetzten Begriffe zur Thematik:

Und der Dozent gewährte mir am Ende des Kurses sogar noch Zugriff auf die elearning-Plattform für die Vorlesung, sodass ich mich endlich einmal darin umschauen konnte. Es stellte sich heraus, dass ARCHE im Endeffekt genauso funktioniert und aussieht wie das moodle der Uni Wien. Meinen unterschriebenen Kursplan brachte ich zwar dann auch gleich noch zur Erasmus-Stelle, aber bis ich in alle anderen Kurse eingeschrieben bin und die online-Ressourcen nutzen kann, dauert es offenbar noch.

Die Nachmittagsvorlesung Histoire de la médiation fiel aus, stattdessen fand das zugehörige Seminar Médiation et sociéte, das planmäßig nach der Vorlesung kommt, statt. Auch hier fehlen mir schon zwei Einheiten, sodass ich am Beginn kaum erahnen konnte, um was es eigentlich geht. Mittlerweile ist das ein bisschen klarer: Aus einer Auswahl von französischen Museen (manche davon in Kürze neueröffnet, manche wiedereröffnet) gilt es, sich alleine oder im Team eines auszusuchen und bis zum Ende des Semesters einen Flyer zu erarbeiten. Zusätzlich dazu muss man ein Dossier abgeben, in dem man den Arbeitsprozess und Beweggründe für verschiedene Entscheidungen erklärt. In diesem Kurs fand sich sofort wer, der mich ins Team aufnahm; es wird um das Musée des Mathématiques, das 2020 in Paris eröffnet wird, gehen.

Abends war ich dann noch beim Salsakurs des Unisport, dessen komplettes Programm für nur 10€ im Semester zu haben ist. Tanzen werde ich also auf jeden Fall des Öfteren, das freut mich sehr.

Tag 5 – Freitag

Am Freitag habe ich keine Uni, es erwartet mich also jede Woche ein verlängertes Wochenende! Nächste Woche (hoffentlich) kann ich euch dann meine Fotos vom Stadtrundgang, den ich an meinem freien Tag gemacht habe, zeigen.



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

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Im Zuckersüß sammle ich (fast) jeden Sonntag meine liebsten Links der Woche: Rezepte für die Nachback-Liste, lesenswerte Blogposts, Zeitungsartikel und Longreads, Podcasts oder Musik, die mir gerade gefällt und oft genug auch Internet-Weirdness. Außerdem schreibe ich auf, was ich sonst so interessant fand: neue Rezepte in meiner Küche, Lokale, in denen ich gegessen, Pullover, die ich gestrickt oder Texte, die ich geschrieben habe.

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2 Comments

  1. annelies.siebenhandl wrote:

    Liebe Jana
    Ich habe den Eindruck, Du mußt Dich ganz schön durchkämpfen.
    Bewundernswert, wie Du alles hinkriegst. Ich hoffe und wünsche Dir,
    daß Du Dich bald durchgekämpft hast und Deine Entscheidung, nach
    Frankreich zu gehen für richtig hältst.
    Recht liebe Grüße und viel Glück und Erfolg wünscht Dir Deine Oma

    Posted 2.13.18 Antworten
    • Jana wrote:

      danke! :)

      Posted 2.14.18 Antworten