Reise ist für diesen Tagesausflug wahrscheinlich ein zu großer Begriff. Aber ich war so positiv überrascht von Nancys „Konkurrenzstadt“, dass ich unbedingt darüber schreiben muss.
Gemeinsam mit einer Freundin bin ich kürzlich frühmorgens mit einer Mitfahrgelegenheit nach Metz aufgebrochen. Dort spazierten wir erst einmal relativ planlos umher und begegneten sehr vielen Kunstwerken im öffentlichen Raum.
Ich hatte mir im Vorfeld die App der Stadt heruntergeladen, die verschiedene thematische Rundgänge durch die Stadt vorschlug. Zu jeder Sehenswürdigkeit (aber leider nicht zu den vielen Skulpturen in der Stadt) gab es Fotos, Öffnungszeiten und ein paar geschichtliche Infos und das nicht nur auf Französisch, sondern auch Englisch, Deutsch, Spanisch, Niederländisch, Italienisch und Portugiesisch! Ich war doch sehr erstaunt, dass sich eine vergleichsweise kleine Stadt so eine umfangreiche App gönnt, die noch dazu wirklich hilfreich ist!
Und noch etwas fiel mir bezüglich der touristischen Erschließung auf: Das Design der dreisprachigen Hinweisschilder hat enormen Wiedererkennungswert. Die weiße Schrift mit bunter „Seitenbemalung“ (wie nennt man das denn eigentlich wirklich?) findet sich außerdem beim Tourismusbüro und sogar als Vordach der Markthalle. Nur in der App taucht die Schriftart nicht auf.
Von der ließen wir uns zuerst einmal durch das Inselviertel führen. Dort gibt es gefühlte 1000 Kirchen, von denen die meisten nicht mehr als solche genutzt werden oder ohnehin schon Ruinen sind. Spazierengehen dort macht wegen des vielen Grün und dem Kanal ziemlich viel Freude.
Ebenfalls am Kanal, aber nicht mehr in der vorgeschlagenen Route der App liegt der Temple Neuf und gleich daneben die Oper (s. Titelbild). Auf der anderen Seite der Brücke ist schon die große Kathedrale zu sehen:
Abgesehen davon, dass sie durch ihre Größe schon sehr eindrucksvoll ist, hat sie wunderbare Fenster:
Auf dem Vorplatz der Kathedrale, gleich neben der Markthalle (am Tag unseres Besuchs leider geschlossen), stolperten wir dann in einen außerordentlich coolen Comicbuchladen. Hisler BD hat mein Vorurteil des Comicgeschäfts (hauptsächlich gespeist aus Big Bang Theory) sofort gesprengt. Auf den vielen Bücherstapeln lagen kleine Rezensionszettelchen und besondere Empfehlungen des Geschäfts waren hervorgehoben. Ein Bereich war Geschichts-Comics/Graphic-Novels gewidmet, einer feministischen Werken (u.a. dabei „Der Ursprung der Welt“ von Liv Strömquist, den Das Nuf kürzlich empfohlen hatte) und einer Kinderbüchern. Fremdsprachige Comics habe ich aber nicht gesehen und eine französische Übersetzung eines englischen Originals wollte ich mir dann auch nicht kaufen…
Unweit dieses Comicladens steht dieses Gebäude, das heute ein Kino beherbergt. Eine kleine Inschrift (Erbauung von 1913-1914) verweist auf den Abschnitt, in dem Lothringen zum Deutschen Kaiserreich gehörte. Leider war das der einzige (versteckte) Hinweis dazu, eine Erklärtafel zum Thema sah ich nirgends und von einem entsprechenden Museum weiß ich nichts, weshalb ich bei der Wikipedia über Metz Geschichte nachlesen musste.
Trotz einer ganzen Straße voller sympathischer Restaurants war es gar nicht so einfach, eines für unsere Mittagspause auszuwählen, denn vegetarische Gerichte scheinen hier nicht besonders verbreitet. Bei Mamie m’a dit wurden wir schließlich fündig. Auf der sehr sympathischen Terasse aß ich also panierten Munsterkäse auf Salat und meine Begleitung eine Quiche Lorraine. Dazu gabs superguten Gewürztraminer und als Nachspeise Macarons aufs Haus.
Am Nachmittag folgten wir der App zu einem Rundgang mit Geschichtsbezug: Im Viertel Outre Seille gibt es noch sehr viele mittelalterliche Bauwerke, z.B. das ehemalige Kloster des Recollets mit seinem kleinen Kräutergarten.
Im Gebäude selbst befindet sich das Europäische Institut für Ökologie und das Stadtarchiv, die wir beide links liegen lassen haben. Vor unserer Rückfahrt nach Nancy wollten wir nämlich auch noch ins Centre Pompidou.
Dieses Museum für moderne und zeitgenössische Kunst ist praktischerweise für alle unter 26 kostenlos und zeigt noch bis zum 20. August die Ausstellung „Couples modernes“. Darin geht es um Künstler_innen-Paare zwischen 1900 und 1950 (nicht nur Paare, auch Beziehungen mit mehreren Leuten) und wie sie sich und ihre Arbeit gegenseitig beeinflussten. Es werden viele Maler_innen und Bildhauer_innen vorgestellt, doch es gibt auch ein paar Komponist_innen, Schriftsteller_innen, Designer_innen oder Choreograf_innen – auf zwei Etagen insgesamt so viele, dass man einen ganzen Tag dort verbringen könnte. Doch unter all diesen Leuten war es fast immer der Mann, der berühmter war (oder zumindest mir ein Begriff). In einigen wenigen Fällen hatte ich schon einmal von der Frau gehört, zum Beispiel bei Alma und Gustav Mahler, aber nur ein einziges Mal war die Frau die berühmtere Person des Paars: Frida Kahlo.
Es ist schon ziemlich bedrückend zu sehen, wie viele der Männer (ihre) Frauen in den Hintergrund rückten, ob bewusst und absichtlich wie Gustav Mahler oder einfach nur durch ihr männliches Privileg wie wohl die meisten anderen. So gleichberechtigt wie manche dieser Beziehungen im 20. Jahrhundert schon gewesen sein mögen, der Nachwelt ist nur ein sehr einseitiges, sehr männliches Bild davon geblieben. Auch waren sehr wenige der vorgestellten Paare gleichgeschlechtlich, doch eines davon fand ich in der Beschreibung so interessant, dass ich versuchen werde, mich in da Leben der beiden Frauen einzulesen: Natalie Clifford Barney und Romaine Brooks.
Es gibt offenbar auch eine Radio-Feature-Reihe zur Ausstellung bei France Culture, ich werde mich mal durchhören, denn ich befürchte, ich schaffe es nicht noch einmal ins Centre Pompidou.
Das wars von meinem Besuch in Metz, mal sehen, wo mich mein Ferienprogramm noch so hinführt.