Zuckersüß 290

Mein Zuckersüß kommt heute zu spät, das Wochenende habe ich nämlich ohne digitales Schreibgerät (aka Laptop) in Brüssel verbracht. Das war aber nicht mein einziger Ferienausflug, denn vergangenen Montag war ich in Metz (dazu bald mehr).

Am Dienstag habe ich versucht, (ohne Wage! auf dem Schreibtisch!) vegane Hafercookies zu backen, was leider eher schlecht als recht funktioniert hat (hauptsächlich, weil ich sie zu lange im fremden Ofen gelassen habe). Startschwierigkeiten hatte auch der Karaoke-Abend mit Freund_innen, für den die Cookies gedacht waren. Nach ein paar mal Karaoke in unserer hass-geliebten-Erasmus-Stamm-Bar hatten wir beschlossen, dieser völlig unterschätzten Freizeitbeschäftigung in einem WG-Wohnzimmer nachzugehen. So könnten wir einerseits den seltsamen französischen 80er-Jahre-Hits entgehen und andererseits nebenbei *günstigen* Wein trinken und Cookies essen. Der Plan: die xbox an den Bildschirm anschließen und lossingen. Die Realität: Eine weitere Geschichte für mein persönliches  Techniktagebuch.

Nachdem die Konsole gefühlte 1000 Updates heruntergeladen hatte (6GB!), folgte ein weiteres für das Karaokespiel aus dem Second-Hand-Computerspiele-Geschäft. Dann fehlte noch ein gemeinsames WLAN-Netzwerk für die verwendeten Devices. Statt wie z. B. bei der Playstation und ihren konsolen-eigenen Mikrofonen für singstar funktioniert xbox-Karaoke nämlich mit Smartphones und einer entsprechenden App. Glücklicherweise verfügte einer der Anwesenden über gute 12 GB unverbrauchtes Datenvolumen, kurz vor Ablauf des Verwendungsintervalls, und eröffnete einen Hotspot. Wenn alles gut ging (nicht all zu oft), blieb die Verbindung stabil und wir sangen Selfie-mäßig auf unsere Telefone ein. Auf denen war nicht nur der Songtext abzulesen, sondern auch verschiedene Farb- und Effekteinstellungen für das Video, das gleichzeitig mit der Frontkamera aufgenommen wurde. Die Videos der Singenden wurden in Echtzeit (oft genug mit gerade genug Verzögerung, dass nichts mehr zusammenpasste) auf den Fernsehbildschirm übertragen und mit noch mehr Effekten zusammengeschnitten. Am Ende des Songs konnte man sich die Performance noch einmal ansehen und sogar über Social Media teilen. Dieser um Bewegtbild erweiterte Karaokemodus war wirklich überaus lustig, wäre da nicht ständige Netzwerk-Fehlermeldungen gewesen. Irgendwann wurde die immer wieder abgebrochene Verbindung zwischen Smartphones und xbox zu nervig, sodass wir auf eine andere wireless-Technologie umstiegen: Musik von Spotify zu Bluetoothbox.

Ansonsten habe ich endlich mal wieder in Paul Austers 4-3-2-1 weitergelesen, das mich immer mehr begeistert (und verwirrt, weil ich zwischendrin vergessen hatte, wo ich war und was passiert war). Besonders wie der Protagonist Ferguson übers Lesen und Schreiben denkt, finde ich sehr interessant. In allen seinen Alternativ-Leben (das Buch erzählt viermal die fast gleiche Geschichte, durch kleine Unterschiede entwickelt sich sein Leben anders) hat er damit auf unterschiedliche Weise zu tun. Ich bin nicht besonders belesen im klassischen Sinne (meine bestimmt zwei Stunden täglichen Lesens verbringe ich hauptsächlich online mit nicht-Fiktionalem) und 4-3-2-1 spornt mich ziemlich an, das zu ändern. Allerdings nicht unbedingt den Literaturkanon, den Ferguson als unentbehrlich sieht, erst recht nicht nach diesem Artikel aus dem Guardian (s.u. mehr). Mein aktuelles Interesse für die Geschehnisse der 1960er (z. B. diese arte-Doku und meine Gespräche rund um „La fac de Lettres est bloquée!„) wird durch Fergusons Einschätzung der an ihm vorbeiziehenden Ereignisse (die Ermordung von JFK, Anti-Vietnamkriegs-Proteste, Aufstände in Newark 1967…) noch mehr gefüttert. Ich glaube, dieses Buch ist eines, dass ich mehrmals lesen werde.

Im Internet habe ich natürlich auch gelesen und folgendes fand ich dabei teilenswert:

REZEPT

Banana Bread Biscotti – The Candid Appetite
Statt Banana Bread mal Biscotti aus überreifen Bananen?

TEXT

Are literary classics behind the misogyny of the incel movement? -The Guardian (via @mmiedl)
Nur weil mir die Headline so weit hergeholt schien, habe ich diesen Artikel gelesen. Und ich muss mir jetzt mal Gedanken machen, welche Bücher bei mir in der Schule behandelt wurden.

[…] it doesn’t change the fact that as a teenager I had read many fictional accounts of men’s rape fantasies long before I had ever read a literary account from the woman’s perspective of rape, or even of consensual sex. I was trained to accept that male sexual frustration was a serious issue because I read hundreds of pages about it before the age of 20, far more than I read about issues of undoubtedly greater social import, like the legacy of slavery, the alienation of women and people of color from public life, or the violence of the settler colonialism on which the United States was founded.

Dunkerque: Welcome to the jungle of inhumanity – Beat of my Life
Ich hatte Dunkerque ja als recht fade, ereignislose Stadt beschrieben – nachdem ich diesen Text gelesen habe, ist mir nicht mehr wohl dabei.

In Dunkerque people live in simple camping tents and there is mud and trash up to ones knee. Literally everywhere. The camp is surrounded by little beautiful houses, a Decathlon store and a futuristic football stadium. It’s sooo weird. And the camp is growing rapidly. It was created about 10 years ago but until September 2015 only about 100 refugees lived there. Since then the number has increased dramatically up to around 2500 and every day more people arrive, as the camp in Calais is getting removed. And soon this camp will also be removed. But people are afraid as they might have to give fingerprints even though the mayor of the town promised that this is not going to happen. A new camp has been built 500 meters away close to the highway. At the current location an ecological quarter will be constructed in two month. But for now there is the jungle.

How an Aspiring ‘It’ Girl Tricked New York’s Party People — and Its Banks – The Cut
Sehr erstaunliche (und lange) Geschichte einer Hochstaplerin.

In this city, where enormous amounts of invisible money trade hands every day, where glass towers are built on paperwork promises, why not? If Aby Rosen, the son of Holocaust survivors, could come to New York and fill skyscrapers full of art, if the Kardashians could build a billion-dollar empire out of literally nothing, if a movie star like Dakota Johnson could sculpt her ass so that it becomes the anchor of a major franchise, why couldn’t Anna Delvey? During the course of my reporting, people kept asking: Why this girl? She wasn’t superhot, they pointed out, or super-charming; she wasn’t even very nice. How did she manage to convince an enormous amount of cool, successful people that she was something she clearly was not?

Frank Sinatra Has a Cold – Gay Talese – Esquire (via @SaSchroeder)
Noch ein Longread-Porträt, und zwar ein ziemlich toll geschriebenes:

When Frank Sinatra drives to the studio, he seems to dance out of the car across the sidewalk into the front door; then, snapping his fingers, he is standing in front of the orchestra in an intimate, airtight room, and soon he is dominating every man, every instrument, every sound wave. Some of the musicians have accompanied him for twenty-five years, have gotten old hearing him sing „You Make Me Feel So Young.“

Feminismus: Sexarbeit und Prostitution sind nicht dasselbe – 10 nach 8
Antje Schrupp mit einer sehr einleuchtenden Unterscheidung:

Den Begriff der „Sexarbeit“ brauchen wir, um darüber sprechen zu können, was Frauen wollen, die die männliche Nachfrage nach käuflichem Sex zu ihrem Gelderwerb machen. Und den Begriff der Prostitution brauchen wir, um darüber sprechen zu können, dass auch in emanzipierten Gesellschaften Frauen sexuell ausgebeutet und unter Druck gesetzt werden – und das eben nicht unbedingt mit handfestem Zwang, sondern gestützt auf die lange patriarchale Geschichte, die wir auf dem Buckel haben und die noch immer Denkweisen, Gewohnheiten, Bilder prägt. Eine Feministin kann sowohl Sexarbeiterinnen unterstützen und für einen freien, akzeptierenden Markt sexueller Dienstleistungen eintreten, als auch Prostitution ablehnen und Projekte anstoßen, die betroffenen Frauen helfen, sich aus solchen Situationen zu befreien. Das ist überhaupt kein Widerspruch.

Casamemoire: Why Casablanca’s art deco architecture needs urgent protection – The Independent
So viel ich schon über Casa geschimpft haben mag – die Gebäude aus dem 20. Jahrhundert sind schon sehenswert. Ich würde ja zu gerne mal an einer dieser Casamemoire-Stadtführungen teilnehmen…

In a downtown core jammed with architectural gems built during the French protectorate era, Casablanca serves as an open-air architectural museum. But, as with many cities, the low-rise buildings are at risk of disappearing as developers encroach to make room for larger, multistorey towers.

AUDIO/VIDEO

Im Rausch der Daten
Eine Doku über die Entstehung der DSGVO und ihren Vordenker Jan Philipp Albrecht.

FOTO

Im Garten des Temple Neuf in Metz.

BACKKATALOG

2010: Himbeer-Schoko-Tarte
2011: Oreos
2012: Marshmallows
2013: Champagnerwaffeln
2014: Erdbeer-Rhabarber-Eis
2015: Pavlovas mit Aprikosen und Pistazien
2016: Matcha-Ghriba
2017: Kernöl-Eis mit Kürbiskernkaramell



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

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Zuckersüß

Im Zuckersüß sammle ich (fast) jeden Sonntag meine liebsten Links der Woche: Rezepte für die Nachback-Liste, lesenswerte Blogposts, Zeitungsartikel und Longreads, Podcasts oder Musik, die mir gerade gefällt und oft genug auch Internet-Weirdness. Außerdem schreibe ich auf, was ich sonst so interessant fand: neue Rezepte in meiner Küche, Lokale, in denen ich gegessen, Pullover, die ich gestrickt oder Texte, die ich geschrieben habe.

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