Die Alte Druckerei, Kattrepel 2, 20095 Hamburg
Am Abend meiner Rückreise aus Hamburg vergangene Woche hatte ich noch gute eineinhalb Stunden Zeit, die ich lieber nicht mehr mit in-der-Kälte-Spazieren verbringen wollte. Stattdessen ergatterte ich spontan einen Platz am Tresen der Die Alte Druckerei, einer Weinbar nur gut zehn Minuten vom Hauptbahnhof und in Sichtweite großer Verlagslogos (Spiegel, Zeit).
Weil ich zuletzt so viel über libanesischen Wein gelesen (z.B. Sowing Solidarity: How Lebanon’s Wineries Remain Rooted – Vittles) aber noch nie einen getrunken habe, habe ich ein 0.1-Glas Cuvée du Soleil des biodynamischen Weinguts Sept (14,50€) ausgesucht – beerig, tanninig und irgendwie kräutrig.
Nebenbei habe ich die etwa 100 Seiten starke Weinkarte durchgelesen, die nach „Stimmungen“ wie „Ladies Night“, „Bromance“ oder „Deep Talk“ gegliedert ist und neben übersichtlichen Geschmacksprofielen auch erzählerische Beschreibungen bietet (mit „Centershock“ oder Überraschungseiern als Referenzen wurde auch schnell klar, dass ich genau in die Zielgruppe des Ladens passe). Durch einen der Texte habe ich gelernt, dass es auch im Piemont in den 1980ern einen Weinskandal gegeben hatte (da aber mit Methanol, nicht wie in Österreich mit Glykol gepantscht), gute Bar-Lektüre!
Ich fand es in der Bar sehr angenehm – hinterm Tresen ein junges all-female Team, das Publikum reichte von vielen Dates über Hemd-Pullover-Trenchcoat-Hornbrille-Mittvierzigern und Cordhemd-Radlerkappe-Vans-Dudes bis zu fröhlichen Feierabend-Frauen-Runden. Trotz hoher, unverputzer Wände und zurückhaltender Einrichtung war es ziemlich gemütlich (ok, ein ganzer Christbaum in der Raummitte schadet da nicht). Und die schon beschriebene Karte (ein Buch) fand ich wirklich sympathisch, weil man als Gast mit mehr oder weniger Weinwissen einfach mal blättern kann und mehrere Anknüpfungspunkte zur Entscheidung (Rebsorten, Aromaprofil in Zahlwerten und Illustration, Story, Herkunft, Preis) hat.