Belly of the Beast, Wasagasse 28, 1090 Wien
Das Belly of the Beast stand jetzt mehr als eineinhalb Jahre auf meiner da-muss-ich-mal-essen-Liste, neulich habe ich es endlich hingeschafft. Betrieben wird es von drei Geschwistern: Marvin Mudenda in der Küche, Melanie und Sommelier Marcel im Service. Derzeit stehen zwei je sechsgängige Menüs zur Auswahl, entweder vegan oder omnivor. Das Vegane klingt in meinen Ohren weit spannender, denn wo gibts sowas in Wien schon (außer z.B. im JOLA), weshalb ich mich selbstverständlich dafür entschieden habe.
Nicht selbstverständlich: Dass ich die alkoholische Begleitung dazu trinke – die trübt üblicherweise meine Wahrnehmung zu sehr, und ich kann mir vom Menü nix mehr merken. Hier kostete sie 110€ und ich hatte große Freude damit (und keinen Fetzen danach!).
Als Aperitif gabs Sprudeliges vom Geyerhof, nämlich „Hofstudien Methode Ancestrale 2019“, letzten Sommer degorgiert, aus Grünen Veltliner-Trauben und enorm apfelig. Dazu dichte, nussige Foccacia aus Kamut, und ein Schüsserl sizilianisches Olivenöl, das recht sanft daherkam und Ende noch ganz schön scharf wurde.
Schreckliches Foto, aber einer meiner Favoriten des Abends: eine Krautroulade mit pfeffriger Kräuterseitlingsfüllung, Wintertrüffeln und Jus. So umami, das man fast Fleisch vermuten könnte, aber natürlich alles vegan.
Weiter mit Topinambur, einmal frittiert, einmal gekocht, versteckt unter einer Bohnencreme mit Karottenwürfeln und gerösteten Zedernkernen. Unten drunter noch karamellisierte Zwiebeln mit Salzzitrone und Ingwer, eine Kombination die ich mir merken werde, weil sie den sonst auf die Art oft so pickigen Zwiebeln ganz ungewohnte Leichtigkeit verleihen.
Es ging sehr minimalistisch weiter, mit SO guten Zutaten: ein Senfblattsalat mit süßem Dressing aus nichts als Olivenöl, Balsamico und Salz. Drunter drei Arten gekochter Kartoffeln, deren unterschiedlicher Eigengeschmack klar hervorstach.
Es folgte mein liebstes Getränk des Abends, leider auch sehr schlecht fotografiert und deshalb kann ich die Details nicht komplett rekonstruieren. Es war jedenfalls Orange Wine vom Weingut Harm aus Sauvignon Blanc, mit einer intensiven vanilligen Mango-Note. Der Sommelier meinte, es erinnere ihn an Maracuja-Kerne (auf die ich noch niemals draufgebissen habe, diesen Geschmack muss ich noch erkennen lernen). Ich kaufe sehr selten Wein nach (weil ich ihn eh immer nur in Restaurants trinke), aber den werde ich versuchen aufzutreiben.
Auf dem Teller wurde es nun noch reduzierter: Bissfest gekochte Rote Bete in sirupartiger Rote-Bete-Reduktion mit kräutrig-scharfem Petersilienöl. Wow! Klarer weiterer Favorit des Abends, ich habe alles mit dem nachgereichten Roggenbrot aufgetunkt.
Ob der nächste Teller jetzt noch Hauptspeise oder schon Dessert war, ist strittig, jedenfalls mochte ich ihn sehr: eine samtige Kokos-Kürbis-Velouté mit gebratenen Kürbiswürfeln mit ein bissl Säure dran (Balsamico?) und dazu zweierlei bissfest gegarte Karottensorten mit recht unterschiedlichem Geschmacksprofil.
Ich war sehr traurig, dass ich das im Menü gelistete Dessert allergiebedingt nicht probieren konnte: Ravioli gefüllt mit Gianduja, drauf Haselnusskrokant und drunter eine Malzbierreduktion. Das entsprechende Malzbier von der Brauküche 35 „Dark Dubbel“ aus dem Sherry-Whisky-Fass landete auch in unseren Gläsern. Als Ersatzdessert bekam ich ein Schoko-Risotto mit hauchdünnen Platten 70-prozentiger Schokolade und Marillenmarmelade aus dem letzten Sommer. Ich frage mich, wie mir das Konzept Schoko-Reis vorher noch nie begegnet sein konnte, es so simpel und cool?!
Zum Abschluss noch zwei leicht gesalzene Pralinen aus zartschmelzender dunkler Schokolade:
Die Küche des Belly of the Beast ist sehr zutatenfokussiert (übrigens alles bio!) und -reduziert. Es gibt meines Wissens kaum Lokale in Wien, die das in vergleichbarer Ausprägung machen (das tian möglicherweise, aber da war ich noch nie). Wer wissen will, wie toll Gemüse schmecken kann, ist hier sehr gut aufgehoben.
Ich finde es großartig, dass das vegane Menü eine gleichwertige Option zum omnivoren ist, mit 150€ ist es aber schon eher auf der teureren Seite, verglichen mit dem was ~tasting menus~ in der Stadt sonst so kosten. Weitere Jammerei auf hohem Niveau: Es war schade, dass die Gerichte sehr schnell nur mehr lauwarm waren, die Teller waren nämlich sehr kalt.
Den Service fand ich charmant, bei jeder Erklärung gingen credits an die Produzent_innen bzw. Bezugsquellen. Einzig an den Schürzen und den Bildern an der Wand ließ sich Bezug zu Simbabwe herstellen, der in der Gastropresse so prominent besprochen wurde (ich bin wirklich unsicher, was ich davon halten soll, also von der Gastropresse diesbezüglich). Apropos Einrichtung: das Lokal wirkt mit seinen hölzernen Kaffeehaussesseln, roten Bezügen, Öllampen, Topfpflanzen und weiß-hellblau-karierten Webtischdecken ein bisschen aus der Zeit gefallen, mit der Art 90er-Style, die nicht wieder voll gehypt wird. Außerdem ist es ziemlich schummrig, meine Fotos werden den Gerichten dadurch überhaupt nicht gerecht.
Ein schöner Abend!