Hausbar

Hausbar, Karlsplatz 5, 1010 Wien

Im Sommer habe ich Hausbar-Küchenchef Oliver Mohl für meine Ö1-Kulinarium-Sendung über Knoblauch interviewt, damals war dieser dreifach im Menü gefeatured. Ich nahm mir vor, so bald wie möglich dort essen zu gehen, und siehe da, es hat bloß drei Monate gedauert, bis ich diesen Plan in die Tat umgesetzt habe.

Los gings mit einer Hugo-Variation als Aperitiv (9,50€) und einem „Hotdog“, der mich davon überzeugte, dass der Abend nur gut werden könnte, so super! Das „Würstl“, eine Schwarzwurzel, die im Lorber-Paprika-Senf-Koriandersaat-Sud gegart war, lag in einem fluffigen Brioche-Bun, mit eingelegten Gurkerln, Senfkörnern, Röstschalotten, Senf und Ketchup, dazu eine enorm (nuss)buttrige Senfsabayon.

Wenn der Hotdog samt Aperitiv der -1. Gang war, kam nun der „Gruß von der Bar“ als 0. Gang: Eine gewürzige Cola-Rum-Pflaume und eine Traube, der ein fitzelndes Uhudler-Wermut-Gemisch injiziert wurde, in einem Kelch voller rauchendem Trockeneis.

Nun startete das eigentliche Menü mit Cocktailbegleitung, und zwar mit einem Drink aus Wodka, Kürbissirup, Apfelsaft, Peychaud Bitters, Muskat und einem gesalzenen, gepfefferten Dörrapfel. Sehr herbstlich! Dazu gabs auf dem ersten Teller rote Rübe, gelbe-Rüben-Püree, Krenschaum, Sprossen und eine Walnuss-Ziegenkäse-Creme unter einem Kapuzinerkresseblatt.

Der zweite Drink kam sehr süß daher, mit intensiv karamellig-vanilligem Butterscotchlikör, Zitronensaft, weißem Sherry und eigentlich Frangelico, der bei meinem Glas Haselnuss-allergiebedingt fehlte. Dazu wurde eine abermals kräftig nussbuttrige Creme aus Karfiol serviert, unter des sich gebratener wilder Brokkoli versteckte – das erdig-sämige Gericht wurde zum Lieblingsgang meiner Begleitung.

Der dritte Drink war mein liebster: Mezcal mit Petersiliensirup, Limette und weißem Sturm. Rauchig, kräutrig und frisch – Petersilie könnt ich auch mal in meine Hausbar integrieren, hihi. Die Küche schickte dazu eine Schwammerlsuppe, also einen panierten Champignon mit Steinpilzfüllung auf Trüffelschaum mit einer Kartoffel-Mandelsuppe, die am Tisch aufgegossen wurde.

Als nächstes hatten wir wieder Fruchtiges im Glas, nämlich roten Port mit Muskatsirup, Amaro und Rosmarin, was mich ingesamt ein bisschen an Cola erinnerte. Den nächsten Gang fand ich auch sehr gut, in jedem Bissen eine Handvoll verschiedener Texturen. Die drei Ravioli waren mit Hokkaidocreme gefüllt und mit nussig-knusprigem Kürbiskern-Quinoa-Röstschalotten-Crunch überzogen und schwammen in einer süßen Butternusskürbis-Nage mit frisch-säuerlich-knackigen Apfelwürfeln.

Als Erfrischung außerhalb der Menükarte folgte ein Mirabellen-Jasmintee-Zwetschgengeist-Sorbet in einem Papiereisbecher mit 00er-Jahre-Eissalon-Design und Holzlöfferl (eines aus Metall wär mir lieber gewesen).

Der fünfte Drink, den uns der Bartender mixte, bestand aus Zitrus-Gin, Birnensaft, zerdrückten Mandarinen und Hanföl, das für eine markant nussige Note sorgte. Der zugehörige Hauptgang hat mich schwer begeistert, er gab mir nämlich ein echtes Sonntagsbraten-Gefühl, ohne einer zu sein. Das lag wahrscheinlich vor allem am intensiven vegetarischen Jus, der einen gebratenen Seitanwürfel überzog. Die Beilage bestand aus einem winzigen Tupfer Blaukrautcreme (versteckt unter einer Radieschenscheibe), einem halben gebratenen Rosenkohl und paprikarauchigem Rosenkohlkimchi. Das taugte mir so sehr, dass ich es beim Fermentmeister meiner WG in Auftrag geben werde – gut, dass die Küche der Hausbar die eigenen Rezepte herausrückt! Von den buttrigen Mohnnudeln hätte ich gern noch ein oder zwei mehr gehabt, zum Auftunken.

Zeit fürs Dessert. Der sirupige Cocktail aus vanilligem Liquor 43, Mandelsirup, Chambord und Crème de Mûre war mir zu süß, die saftige, säuerliche Dekoheidelbeere war für meinen Geschmack zu wenig Kontrast. Die Nachspeise selbst fand ich super, weil fernab von den oft bemühten, nicht-so-richtig-spannenden Knödeln in der österreichischen Küche. Was da aussieht wie ein Knödel ist nämlich eine pochierte Birne mit Vanillepudding statt Kernhaus und gehackten Pistazien statt Schale. Daneben Pistaziencrumble, Veilcheneis und Sauerkleeschaum. Der dunkelrote „Staub“ am Tellerrand ist auch aus Sauerklee (wirklich sauer!) und fing das süß-blumige Eis auf.

Käse vom Käsmann

Zum Abschluss kam die Servicechefin mit dem Käsewagen „vom Käsmann“ an unseren Tisch. Die sieben Käse reichten von weichem Brie über Rotschmier-Weichkäse zu jungem, älteren und 18-Monate alten Bergkäse aus Vorarlberg. Das Birnenchutney dazu schmeckte ein bisschen nach Gurkerlwasser, die fruchtige Chilisauce war viel zu scharf für mich. Gut, dass daneben noch selbstgemachte Grissini standen! Zum dazu empfohlenen Obstler sagte ich nein, nach sechs Cocktails hatte ich schon genug Schnaps intus.

Aber dann entdeckte ich noch die „Häuslbar“ auf der Toilette, bestückt mit blauem Orangenlikör. Die Idee fand ich so lustig, dass ich mir doch noch ein halbes Stamperl einschenkte.

Häuslbar

Ich hatte sehr großen Spaß mit dem abwechslungsreichen Menü (92€) und der bunten Cocktailbegleitung (52€) in der Hausbar. Der Service war super und die Begeisterung des Teams für ihr Essen, Trinken und alles Drumherum immer spürbar. An den Wänden hängt Kunst in Neonfarben (bei einem Lokal im Künstlerhaus vielleicht doch nicht so überraschend?), die perfekt im argen 80s-Power-Pop-Soundtrack (von Lionel Richie bis „The Lion Sleeps Tonight“) und den quietschblauen „Häusl-Shots“ wiedergespiegelt wurde. Cooles Lokal, da muss ich wieder hin!



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

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Im Zuckersüß sammle ich (fast) jeden Sonntag meine liebsten Links der Woche: Rezepte für die Nachback-Liste, lesenswerte Blogposts, Zeitungsartikel und Longreads, Podcasts oder Musik, die mir gerade gefällt und oft genug auch Internet-Weirdness. Außerdem schreibe ich auf, was ich sonst so interessant fand: neue Rezepte in meiner Küche, Lokale, in denen ich gegessen, Pullover, die ich gestrickt oder Texte, die ich geschrieben habe.