„Sexual Revolution. Modern Facism and the Feminist Fightback“ – Laurie Penny

Laurie Penny "Sexual Revolution"
Unübliches Coverdesign!

Dieses Buch habe ich mir im Februar in Berlin gekauft, als ich in einer Buchhandlung Zuflucht vor strömendem Regen suchte. Mit 21€ ist es schon hart an meiner Preisgrenze für „Freizeitbücher“, aber weil ich quasi alle bisherigen Texte von Laurie Penny verschlungen habe, wanderte es doch in meine Tasche.

Worum es geht, steht schon auf dem Cover: Laurie Penny spannt den Bogen von consent und (queerem) Begehren über Trauma, die Unterdrückung von Frauen und nicht-binären Personen in sämtlichen Belangen hin zu den angry young man, die ihrem schleichenden politisch-kulturellen Bedeutungsverlust durch gewaltvolle Misogynie/modernen Faschismus entgegnen. Sexualisierte Gewalt und rape culture sind dabei nicht das Ziel, sondern der Durchsetzungsmechanismus; sexuelle Frustration von Männern wird von der politischen Rechten aktiv ausgenutzt, um Unterstützer zu gewinnen.

„Anti-feminism is not peripheral to the alt-right: it informs its entire critique of the modern world. Its basic tenets are that the world is in peril and can only be saved by strong men who are prepared to do violence; that feminism is destroying civilisation by undermining women’s natural role, which is to have children, and to serve and be submissive to men.“

Seite 201

Frauen werden in diesem System nicht als eigene Persönlichkeiten ernstgenommen, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse ernstzunehmen, ist deshalb ein notwendiger, radikaler Akt. Denn der scheinbare Ausweg aus der Unterdrückung, have-it-all feminism, choice feminism, market feminism, führt bloß zu noch mehr Last auf den individuellen Schultern:

For modern women as a political class, exhaustion and liberation are now assumed to be synonymous. This is in part, a function of a dominant culture where hard work is a moral imperative – no self-respecting modern woman would freely admit to wanting less work. Instead, the ‚liberated woman‘ of the twenty-first century works as long and as hard for pay as any man, and considers herself lucky. She stays as late as she can in the office in order to prove herself worth her wage, then rushes back to care for her home, manage the domestic chores, raise her children and check in on any friends and relatives who may need her. Any spare minutes she finds in between packing scholl lunches and juggling spreadsheets are devoted to maintaining her appearance, keeping her hair lush and her body tight and her wardrobe chic and appropriate, whether she is slogging up the corporate ladder or climbing stairs to nowhere in the gym. if she wakes in the night wondering when she lasst felt like a person, she’ll soon have another appointment, another responsibility, and besides, there are always beta blockers and Botox.

Seite 155

Während Frauen die Gesellschaft am Laufen halten (gerade in der von den incels herbeifantasierten Apokalypse aka Pandemie), wurden Männer für ihr (nicht-)Handeln kaum zur Verantwortung gezogen. Bis jetzt. Denn die sexuelle Revolution – in der Frauen, trans und nicht-binäre Menschen ihren eigenen Wert erkennen und sich nicht mehr einfach so unterordnen und die Gewalt benennen/verurteilen, die sie erfahren – ist, so Laurie Penny, allerdings längst in vollem Gange.

In den ersten paar Kapiteln kam mir die Argumentation etwas redundant vor, sie kreiste immer wieder zu ähnlichen Beispielen, stellenweise schien es mir wie ein Recycling früherer Bücher (vor allem Unspeakable Things, an das ich mich am Besten erinnern kann). Erst ab der Hälfte, wo es konkreter um die politische Rechte und neofaschistische Bewegungen geht, fühlte sich das Buch nicht mehr nach einem an, das ich (so ähnlich) schon gelesen habe.

Laurie Pennys Schreibstil ist scharf und bildreich wie eh und je, ich habe viele Klebemarkierstreifen hineingepickt und nehme vor allem zwei Sachen mit: Erstens, sich nicht mehr mit patriarchaler Unterdrückung abfinden (sei es in Form körperlicher Gewalt, unterschiedlichen Standards oder verweigerter Chancen), gemeinsam im Kleinen und im Großen Verantwortung einfordern, macht die Welt zu einem besseren Ort. Den gewaltvollen Männern, denen, die das Patriarchat stützen, bleibt dadurch nicht mehr viel übrig, als sich mit ihrem Verhalten auseinanderzusetzen. Und zweitens: es ist, gerade als weibliche Person, wichtig, sich gegen die Kommodifizierung sämtlicher Lebensbereiche einzusetzen und statt dem having-it-all hinterherzurennen, einfach weniger zu arbeiten. Hier lohnt es besonders, im Privaten Acht zu geben, und heteronormativen Tendenzen entgegenzutreten (s. erstens):

„We forget, until it’s too late, that we are competing – among other things – to be allowed to do more work. That the role of wife, girlfriend or mother is not something women can relax into. That there is a great deal of effort and energy involved that remains invisible, because it is still part of the taxonomy of ‚love‘. When you start to understand love as a form of work – necessary work, work without which the fabric of humanity unravels like wool: the work of care, of attention, of attending to the needs of another person – you begin to see the inequity at the heart of all the old love songs. The work of love – including sexual, erotic love – was not, and often still is not, work that most women can choose freely […] If love is work, women need to organise collectively for better conditions. And that’s exactly what’s happening.
All over the world, women are on strike. There has been no great fanfare, no organised movement. it has happened organically. Women are simply opting out.“

Seite 125

Laurie Penny: Sexual Revolution. Modern Fascism and the Feminist Fightback. Bloomsbury, 2022, 297 Seiten, 21€.



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

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Im Zuckersüß sammle ich (fast) jeden Sonntag meine liebsten Links der Woche: Rezepte für die Nachback-Liste, lesenswerte Blogposts, Zeitungsartikel und Longreads, Podcasts oder Musik, die mir gerade gefällt und oft genug auch Internet-Weirdness. Außerdem schreibe ich auf, was ich sonst so interessant fand: neue Rezepte in meiner Küche, Lokale, in denen ich gegessen, Pullover, die ich gestrickt oder Texte, die ich geschrieben habe.