Bücher im Sommer

Ich habe wieder ein paar Bücher — Das Ende von Eddy (Edouard Louis), Normal People (Sally Rooney), Trick Mirror (Jia Tolentino) und Der Ursprung der Liebe (Liv Strömquist), gelesen und endlich aufgeschrieben, was ich mir dazu denke.

Was ich davor so gelesen habe, findet sich übrigens in der Kategorie Bücher.

Das Ende von Eddy – Édouard Louis

Ohne meinen Buchclub (so bildungsbürgerlich ist meine Freizeitgestaltung mittlerweile, man glaubt es kaum), wäre ich wohl so schnell nicht über dieses Buch gestolpert. Und das, obwohl es Didier Eribon gewidmet ist, der Rückkehr nach Reims geschrieben hat, eine in vielen Aspekten ähnliche Autobiografie, die mir sehr gut in Erinnerung geblieben ist, obwohl ich nie darüber gebloggt habe.

Édouard Louis erzählt seine eigene Kindheit, die sich zeitlich fast mit meiner deckt (er ist nur drei Jahre älter als ich), mir aber in vielen Aspekten wahnsinnig fern ist. Es hat mich schockiert zu lesen, dass Kinder Anfang der 2000er in *Mitteleuropa*, genauer in der französischen Picardie, in so ärmlichen Verhältnissen aufwachsen mussten, dass 20 € unerreichbar viel Geld war und auch der Schulbus oft zu teuer. Auch abseits der materiellen Not (zu großen Teilen auch deshalb) waren seine Lebensumstände grausam: sein Alltag war geprägt von physischer und psychischer Gewalt, offener Homophobie, Bildungsfeindlichkeit und Ausweglosigkeit.

Die Ausweglosigkeit bzw. Vorbestimmtheit eines Lebens in ärmlichen Arbeiterverhältnissen auf dem nordfranzösischen Dorf wird an vielen Stellen thematisiert, doch dieser Absatz über Eddys Mutter zeigt das strukturelle Problem besonders deutlich:

Scheißleben. Sie dachte, sie [Eddys Mutter] hätte Fehler begagnen, sich ohne es wirklich zu wollen den Weg in eine bessere Zukunft verbaut, in ein leichteres, bequemeres Leben, fern von der Fabrik und der ständigen Sorge (besser: der ständigen Furcht), mit dem Budget der Familie nicht auszukommen – eine falsche Entscheidung genügte, und wir hatten am Monatsende nichts zu essen. Sie erkannt nicht, dass ihr Lebensweg, das, was sie ihre Fehler nannte, ganz im Gegenteil durch ein Regelwerk vollkommen absehbarer Mechanismen bedingt war, geradezu ausweglos von vornherein festgelegt. Ihr war nicht klar, dass ihre Familie, ihre Verwandten, ihre Geschwister und Kinder und so gut wie sämtliche Einwohner des Dorfs mit denselben Problemen kämpften, dass also das, was sie ihre Fehler nannte, in Wahrheit nichts anderes war als das erwartbare Ergebnis des ganz und gar normalen Laufs der Dinge.“ (S.63f)

Die Männlichkeitsideale in seinem Umfeld machen mich fertig: zu Trinken und zu Schlägern bedeutet, ein „echter“ Kerl zu sein, daneben muss ein Mann muss seine Familie allein ernähren können und Frauen sind bei Fehltritten ihrer Männer mitbelastet, „als wäre es deren Aufgabe, sie in Zaum zu halten“ (S. 127). Und wer als Kerl nicht Fußball spielt und Bier trinkt, sondern sich für das Theater interessiert, ist ein Schwuli.

„Meistens nannten sie mich Tussi, und Tussi war das schlimmste Schimpfwort, dass es für sie gab – erkennbar an dem Tonfall, in dem sie es sagten –, das am meisten Abscheu ausdrückte, weit mehr noch als Idiot oder Blödmann. In ihrer Welt galt Männlichkeit derart unangefochten als das Größte, dass sogar meine Mutter von sich selber sagte Ich lass mir nichts gefallen, ich hab schließlich Eier in der Hose.“ (S.27)

Der Drang, so früh wie möglich einen Führerschein zu machen und ein Auto zu haben ist mir aus meiner Jugend auf dem Land bekannt – wenn vielleicht auch nicht mit so deprimierender Konsequenz, wie Édouard Louis sie zieht:

„Wenn sie achtzehn wurden, machten alle sofort den Führerschein, sie dachten, er würde ihnen aus den engen Grenzen des Dorfs hinaushelfen, sie könnten dann reisen (was sie nie taten) oder Ausflüge unternehmen (auf denen sie nie weiter kamen als bis zu den Discos in der Nähe oder zur wenige Kilometer entfernten Kanalküste). Oft arbeiteten sie einen Sommer lang in der Fabrik – wenn sie nicht ohnehin schon dort angestellt waren –, um sich das kostbare kleine Dokument leisten zu können. Dabei erkannten sie nicht, dass dieser Führerschein ganz im Gegenteil einer der Faktoren war, die sie hier festhielten. Dass sie jetzt eben nicht mehr an der Bushaltestelle soffen, sondern im Auto – schön im Warmen, zur Musik aus dem Radio.“ (S.166)

Und wie sehr Sprache mit sozialer Klasse verknüpft ist zeigt diese Szene:

„Amélie wurde von ihren Eltern zu Tisch gebeten, bei uns gab’s was zu futtern. Mein Vater rief sogar meistens fressen kommen. Als ich Jahre später gegenüber meinen Eltern das Wort zu Abend essen benutzte und nicht futtern sagte, spotteten sie Wie der jetzt redet, für wen hält der sich. Geht in die Stadt zur Schule und macht gleich einen auf feiner Herr, kommt hier an und redet wie ein Studierter.Wie ein Studierter reden, das hieß auftreten wie die verhasste Klasse, die Feinde, die was haben, die Reichen. Wie diejenigen die eine Chance auf höhere Schul- und Universitätsbildung haben.“ (S.99f)

Das Buch ist mitreißend geschrieben, schnell gelesen und ein riesiges Fenster in eine andere Lebensrealität.

Édouard Louis: Das Ende von Eddie. Fischer Taschenbuch, 2016. 206 Seiten, 11,40€

Normal People – Sally Rooney

Und gleich nochmal ein Buchclub-Buch, das aber im Moment gefühlt auch sonst überall ist. Der Klappentext hat mich eher abgeschreckt, denn er klingt wie eine 0815-Highschool-Romanze:

Connell and Marianne grow up in the same small town in the west of Ireland, but the similarities end there. In school, Connell is popular and well-liked, while Marianne is a loner. But when the two strike up a conversation – awkward but electrifying – something life-changing begins.

Die beiden Figuren unterscheiden sich nicht nur in ihrem Beliebtheitsstatus voneinander, sondern auch in ihrem finanziellen bzw. Klassenhintergrund. Marianne hat ein reiches Elternhaus (das in Wahrheit sehr kaputt ist), Connell wohnt mit seiner alleinerziehenden und wirklich superen Mutter (die nebenbei als Haushälterin von Mariannes Familie arbeitet) in beengten Verhältnissen. Marianne hasst sich selbst sehr und glaubt, ständig das schlechteste verdient zu haben. In der Schule verhält Connell sich ihr gegenüber unterirdisch und sagt auch später oft genug nicht immer, was er sich denkt, was unweigerlich zu Zerwürfnissen führt.

Sally Rooney’s Schreibstil war für mich zu Beginn sehr ungewohnt, stellte sich aber als so mitreißend heraus, dass ich kaum erwarten konnte, endlich weiterzulesen. Einzelne Zitate können irgendwie nicht genau abbilden, was ich damit meine, aber hier trotzdem mal ein Absatz:

„Everything is possible now because of the scholarship. His rent is paid, his tuition is covered, he has a free meal every day in college. This is why he’s been able to spend half the summer travelling around Europe, disseminating currency with the carefree attitude of a rich person. He’s explained it, or tried to explain it, in his emails to Marianne. For her the scholarship was a self-esteem boost, a happy confirmation of what she has always believed about herself anyway: that she’s special. Connell has never really known whether to believe that about himself, and he still doesn’t know. For him the scholarship is a gigantic material fact, like a vast cruise ship that has sailed into view out of nowhere, and suddenly he can do a postgraduate programme for free if he wants to, and live in Dublin for free, and never think about rent again until he finishes college. Suddenly he can spend an afternoon in Vienna looking at Vermeer’s The Art of Painting, and it’s hot outside, and if he wants he can buy himself a cheap cold glass of beer afterwards. It’s like something he assumed was just a painted backdrop all his life has revealed itself to be real: foreign cities are real, and famous artworks, and underground railway systems, and remnants of the Berlin Wall. That’s money, the substance that makes the world real.“ (S.159f)

Dass im Laufe des Romans sowohl sexualisierte Gewalt als auch Menstruationsblut vorkommt, und zwar ganz selbstverständlich und beiläufig, ließ mich an Berit Glanz Essay Regeln für Blut – Körperlichkeiten in Film und Fernsehen denken. Darin schreibt sie:

Ich schlage deswegen vor, Filme und Serien in Zukunft an einem Quotienten von dargestellter Menstruation zu dargestellter Vergewaltigung zu messen. Wenn die volle Bandbreite körperlicher Realität realistisch abgebildet werden soll, warum ist dann Regelblut so merkwürdig abwesend von den Bildschirmen, besonders in Serien und Filmen, die sich ansonsten bei der Darstellung von Blut und Splatter beileibe nicht zurückhalten? Ein solcher Quotient würde dann vielleicht darauf hinweisen, wobei es in der gehäuften Darstellung von sexualisierter Gewalt gegen Frauen wahrscheinlich mehr geht, als um den Realismus der dargestellten Fiktion: um die Präsentation von Frauen als konsumierbare Objekten für männliche Figuren. Ein sich wiederholender männlicher Blick, der sich an die implizit männlichen Zuschauer wendet.

Sally Rooney: Normal People. Faber & Faber, 2018. 266 Seiten, £8,99.

Trick Mirror – Jia Tolentino

Bisher fand ich ausnahmslos alle Texte, die Jia Tolentino online geschrieben hat, großartig (s. z.B. The Age of Instagram Face, The Case Against Contemporary Feminism, The Personal-Essay Boom Is Over). Deshalb war für mich völlig klar, dass ich mir ihr erstes Buch zulegen würde.

Und dann… war ich irgendwie ziemlich verloren mit vielen der Essays im Buch. Aber ich schreib einfach mal über die, die ich interessant/toll fand:

Zum Beispiel den ersten, „The I in the Internet“ (zu dem es übrigens auch eine Folge des „Was denkst du denn“-Podcasts von Nora Hespers und Rita Molzberger gibt). Das mich dieser Essay ansprach, ist nicht so verwunderlich, denn ins-Internet-schreiben, im-Internet-lesen und übers-Internet-nachdenken gehören zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Jia Tolentinos Beobachtungen zu den Auswirkungen des Webs (oder das was davon übrig ist – im Endeffekt hauptsächlich Social-Media-Plattformen) finde ich sehr interessant.

„The idea was that social media would give us a fine-tuned sort of control over what we looked at. What resulted was a situation where we—first as individuals, and then inevitably as a collective—are essentially unable to exercise control at all. Facebook’s goal of showing people only what htey were interested in seeing resulted, within a decade in the effective end of shared civic reality. And this choice, combined with the company’s financial incentive to continually trigger heightened emotional responses in its users, ultimately solidified the current norm in news media consumption: today we mostly consume news that corresponds with our ideological alignment, which has been fine-tuned to make us feel self-righteous and also mad“ (S.30)

In „Always be Optimizing“ dröselt sie dann die Eigenschaften der „idealen“ Frau auf, die heute auch von Instagram geprägt werden – und die gleiche Unterdrückungsfunktion erfüllen wie jahrhunderte alte Klischees.

„The ideal woman has always been conceptually overworked, an inorganic thing engineered to look natural. Historically, the ideal woman seeks all the things that women are trained to find fun and interesting—domesticity, physical self-improvement, male approval, the maintenance of congeniality, various forms of unpaid work. The concept of the ideal woman is just flexible enough to allow for a modicum of indivduality; the ideal woman always believes she came up with herself on her own. In the Victorian era, she was the „angel in the house“, the demure, appealing wife and mother. In the fifties, she was, likewise, a demure and appealing wife and mother, but with household purchasing power attached. More recently, the ideal woman has been whatever she wants to be as long as she manages to act upon the belief that perfecting herself and streamlining her relationship to the world can be a matter of both work and pleasure—of „lifestyle““ (S.64f)

Zum persönlichen „Streamlining“ gehört heute vor allem die Arbeit am eigenen Körper. Um dessen Marktwert zu steigern, sind nicht nur endlos Beauty-Produkte nötig, sondern auch ein perfekt in Form gehaltener Körper (am Besten durch Sportarten wie Barre — „What it’s really good at is getting you in shape for a hyper-accelerated capitalist life. It prepares you less for a half marathon than for a twelve-hour workday, or a week alone wiht a kid and no childcare, or an evening commute on an underfunded train.“, S.76) und Kleidung, die diesen angemessen ausstellt.

Als Inbegriff des aktuellen Idealbilds der Frau führt Jia Tolentino Athleisure an, also Sport-Freizeitkleidung, die auf den ersten Blick superpraktisch ist (bequem, leicht zu waschen, knitterfrei), insgeheim aber sehr viel körperliche Schönheitsarbeit voraussetzt.

„Athleisure, by nature, also eroticizes capital. Much like stripper gear, athleisure frames the female body as a financial asset: an object that requires an initial investment and is divisible into smaller assets—the breasts, the abs, the butt—all of which are expected to appreciate in value, to continually bring back investor returns. Brutally expensive, with its thick disciplinary straps and taut peekaboo exposures, athleisure can be viewed as a sort of late-capitalist fetishwear: it is what you buy when you are compulsively gratified by the prospect of increasing your body’s performance on the market.“ (S.88)

Das Zusammenspiel von Markt und zementierten Geschlechterverhältnissen thematisiert sie auch in „The Story Of A Generation In Seven Scams“:

„Provided with a feminist praxis of individual advancement and satisfaction—two concepts that easily blur into self-promotion and self-indulgence—women happily bit. A politics built around getting and spending money is sexier than a politics built around politics. And so, at a time of unprecedented freedom and power for women, at a time when we were more poised than ever to understand our lives politically, we got, instead of expanded reproductive protections and equal pay and federally mandated family leave and subsidized childcare and a higher minimum wage, the sort of self-congratulatory empowerment feminism that corporations can get behind, the kind that comes with merchandise—mugs that said „Male Tears“, T-shirts that said „Feminist as Fuck“.“ (S. 179)

Mit Letzterem spielt sie auf den weichgespülten Mainstream-Consumerist-Popfeminismus an, der oberflächlich zwar für Geschlechtergerechtigkeit steht, am Ende aber nur die belohnt, die gut darin sind, ihren Marktwert durch Schönheitsarbeit zu steigern. Apropos Marktwert: Im letzten Kapitel „I Thee Dread“ geht es um Heirat, Ehe und die Hochzeitsindustrie. So schockiert ich von den USA-spezifischen Statistiken war (die durchschnittliche Hochzeit dort kostet 30 000 Dollar!??!), in Erinnerung geblieben ist mir trotzdem Jia Tolentinos Abrechnung mit dem Gesamtkonzept:

„The conventional vision of a woman’s life, in which the wedding plays a starring role, seems to be offering an unspoken trade-off. Here, our culture says, is an event that will center you absolutely—that will crystallize your image when you were young and gorgeous, admired and beloved, with the whole world rolling out in front of you like an endless meadow, like a plush red carpet, sparklers lighting up your irises and petals drifting through your lavish, elegant hair. In exchange, from that point forward, in the eyes of the state and everyone around you, your needs will slowly cease to exist. This is of course not the case for everyone, but for plenty of women, becoming a bride still means being flattered into submission: being prepared, through a rush of attention and a series of gender-resegregated rituals—the bridal shower, the bachelorette party, and, later, the baby shower—for a future in which your identity will be systematically framed as secondary to the identity of your husband and kids.The paradox at the heart of the wedding comes from the two versions of a woman that it conjures. There’s the glorified bride, looming large and resplendent and almost monstrously powerful, and there’s her nullified twin and opposite, the woman who vanishes underneath the name change and the veil. These two selves are opposites, bound together by male power.“ (S. 290) 

Ich habe übrigens noch eine weitere Podcastfolge zum Buch/zur Autorin gehört: The Ezra Klein Show: Jia Tolentino on what happens when life is an endless performance. Darin geht es auch viel um die Kapitel, die ich hier nicht angesprochen habe und den Zustand der (Medien-)Welt.

Jia Tolentino: Trick Mirror. Reflections on Self-Delusion. 4th Estate, 2019. 296 Seiten, £12,99.

Der Ursprung der Liebe – Liv Strömquist

Einen Graphic Novel habe ich in dieser Rubrik noch nie besprochen, allerdings kann ich auch an einer Hand abzählen, wie viele ich davon in meinem Leben gelesen habe.

An Liv Strömquist kommt eins als feministische Leserin nicht vorbei, nicht mal, wenn eins das Gegenteil einer Graphic-Novel-Enthusiastin ist. Eine Freundin hat alle vier Bücher der Autorin in der deutschen Übersetzung daheim und mir als Einstieg „Der Ursprung der Liebe“ ausgeliehen.

In mehreren Comics, deren Abgrenzung mir nicht immer klar geworden ist, zeigt sie an den Schicksalen berühmter und anderer (erfundener) Figuren, was alles kaputt ist am Konstrukt „romantische Liebe“. Dabei bezieht sie sich nicht nur auf alle möglichen soziologischen Studien, sondern lässt auch verschiedene Wissenschaftler_innen und Autor_innen, von Jürgen Habermas bis Toni Morrison, in eigenen Panels zu Wort kommen.

Das Buch beginnt mit einem Kapitel über unlustige Late-Night-Show-Hosts, die nur sexistische Witze machen, gefolgt von der „Männer-Pflege-WM“ in der es um Care-Arbeit geht. Prinzessin Dianas Schicksal wird genauso beleuchtet wie Britney „I was born to make you Happy“ Spears‘ Image und die missbräuchliche Beziehung zwischen Whitney Houston und Bobby Brown.

In einem der längsten Comics zeichnet Liv Strömquist die Geschichte von Monogamie, Liebesheirat und Besitzansprüchen von mittelalterlichen Minnesängern über viktorianischer Prüderie zu ~heutigen~ Popsängern („I want you back for good“/Take That) nach. Dabei stützt sie sich vor allem auf die Soziologin Patricia Collins, deren Theorie, dass das Aufkommen der Liebesheirat im 19. Jahrhundert und sexuelle Exklusivität zusammenhängen, so im Comic steht:

„Was war der einzige Verhandlungsgegenstand, den die Frauen noch hatten, nachdem das Patriarchat ihnen alle Möglichkeiten zur Selbstständigkeit genommen hatte? Die Antwort lautet: SEX. […] Daher war es überlebenswichtig für Frauen Sex nur gegen Ehe anzubieten.“

foto "der ursprung der liebe"
Liebe als Ersatzreligion

In den vergangenen zweihundert Jahren hat sich an diesem Beziehungsideal nicht so wahnsinnig viel geändert. Tatsächlich wurde „die Liebe“ noch stärker überhöht, wie Liv Strömquist mit Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim argumentiert:

„Der Glaube an die Liebe ersetzt den Glauben an Gott oder den Aberglauben in vormodernen Gesellschaften. Damals: ‚Ich liebe Gott, lala“ (Thema in 40% aller Lieder, Gedichte und Erzählungen. Heute: ‚Ich liebe x-beliebe Person, lalala“ (Thema in 40% aller Songs, Filme, Bücher, etc“

Es gibt noch weitere Parallelen: Atheisten („Ich glaube nicht an die Liebe“), Missionare („Liebe ist der Sinn des Lebens! Ich werde dich bekehren“), Orthodoxe („Am Valentinstag haben wir ein Candle-Light-Dinner, nur du und ich […] und wenn du mir keine Blumen mitbringst, BRINGE ICH DICH UM“).

Vor gefühlten 1000 Jahren (ok, es waren nur gut sechs) habe ich schon mal auf einen FAZ-Artikel über die Ersatzreligion Liebe verlinkt, der ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch interessant.

Das Buch endet mit einem Zitat von bell hooks, von der ich auch endlich mal was lesen will:

„Wo Macht ist, kann es keine Liebe geben. Um Liebe zu empfinden muss man alle Macht aufgeben.“

Liv Strömquist: Der Ursprung der Liebe. avant-verlag, 2018. 136 Seiten, 20€.



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

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