Über das lange Pfingstwochenende habe ich gemeinsam mit einigen Freund_innen eine kleine Reise Richtung Norden unternommen. Wir waren zu siebt unterwegs und wollten uns einmal abseits der großen mit Flixbus etc. erreichbaren Städte aufhalten, weshalb wir uns dafür ein Auto mieteten.
Via Luxemburg und Belgien landeten wir Freitag spätabends in Lille, unserem Ausgangspunkt für das Wochenende. Samstag morgen brachen wir zum ersten Ausflug ins etwa eine Stunde entfernte Dunkerque (Dunkirk/Dünkirchen) an der Küste auf.
Dort liefen wir erstmal ein bisschen planlos herum, um dann auf dem großen Platz zufällig auf eine Ferienspaßaktion zu stoßen. Hüpfburgen, Riesenrutschen, künstliche Rodeos, kurz: ein kostenloser Jahrmarkt. Sonderlich spannend erschien uns der Stadtkern trotzdem nicht, weshalb wir erstmal ins Tourismusbüro gingen. Das liegt im Beffroi, einem Wachturm aus dem Mittelalter direkt gegenüber der Kathedrale. Die Mitarbeiterin dort drückte uns ein paar Flyer in die Hand und einen Plan, auf dem sie Points of Interest für einen Nachmittag in der Stadt eingezeichnet hatte.
Wir liefen Richtung (Freizeit-)Hafen, wo viele verschiedene Schiffe lagen – aber auch nichts weiter Spannendes. Irgendwann stießen wir aber auf eine Tafel zur Operation Dynamo. Von der hatte ich bis zur vorherigen Woche noch nie gehört – Hollywood sei dank (Dunkirk ist ein toller Film!) wurde aber mein Interesse für die tatsächlichen Ereignisse im Jahr 1940 geweckt.
Wir folgten den Tafeln entlang den sehr weitläufigen Kanälen, vorbei an offensichtlich luxusrenovierten ehemaligen Lagerhäusern und dem Museum für zeitgenössische Kunst , bis zum Strand.
Dort wurden wir wegen eines Videodrehs erstmal aus dem Sichtfeld verjagt. Der Strand ist aber glücklicherweise groß genug und wir picknickten ein paar hundert Meter weiter. Das windig-kalte Wetter wurde uns aber bald zu unangenehm und wir folgten weiteren Schildern bis zum Museum Dunkerque 1940.
Beginnend mit einer viertelstündigen Doku (abwechselnd auf Französisch mit Englischen Untertiteln und andersherum) erzählt es die Geschichte der Evakuierung von 300000 alliierten Soldaten aus dem von den Deutschen umzingelten Dunkerque. Mein Wissen über diesen Teil des zweiten Weltkriegs beschränkte sich bis dahin wie gesagt auf den gleichnamigen Film von Christopher Nolan, sodass ich doch viel Neues lernen konnte. Die Ausstellung zeigt viele Originalgegenstände aus dem Kampf um Dunkerque – Uniformen, Geschirr, Verbandsmaterial, Waffen – aber auch kleine Nachbauten der Stadt zu verschiedenen Zeitpunkten und sehr viele Fotos. Mit Miltärsachen und Waffen kenne ich mich nicht aus und finde es auch nicht besonders spannend. Das Museum kann ich trotzdem weiterempfehlen, weil es tatsächlich sehr gut gemacht ist und eindeutig das interessanteste an Dunkerque ist (soweit das nach einem Nachmittag zu beurteilen ist). Etwas seltsam fand ich aber schon, dass der Film nirgends im Museum oder auf den Hinweistafeln in der ganzen Stadt erwähnt wird – könnte man daraus nicht auch Profit schlagen?
Zurück in der Innenstadt schauten wir doch noch in die Kathedrale, weil man einen übenden Organisten bis vor die Tore hören konnte. Leider spielte er nur mehr zwei Lieder, sodass wir uns von den Kirchenbänken in ein Café nebenan setzten: Le Local ist ein prototypisches (und sympathisches! nicht, dass das noch wer falsch versteht!) Hipstercafé mit zusammengewürfelten Möbeln, vielen vegetarischen und veganen Speisen und selbstverständlich alles bio. So *sommerlich* wie es war, trank ich erstmal eine heiße Schokolade mit Marshmallows.
Am Abend aßen wir noch Moules Frites an der Strandpromenade, hinter der sich erstaunlicherweise sehr schöne Gebäude befinden (natürlich hatte ich zu dem Zeitpunkt meine Kamera im Auto gelassen)…
Edit: Über Facebook wurde ich auf eine andere, furchtbare Seite von Dunkerque aufmerksam gemacht: Die der Flüchtlingslager. Mehr dazu z.B. hier.
Später am Abend, zurück in Lille, stürzten wir uns ins Nachtleben, genauer gesagt den Club, der laut Tripadvisor und Facebook am besten und noch dazu am nähesten bei unserem Appartment war. Richtig überzeugt war ich nicht davon, aber das ist auch egal. Was mich auf jeden Fall erstaunte, war die rot leuchtende Dezibel-Anzeige hinter dem DJ. Mittlerweile habe ich schon in mehreren französischen boîtes diesen tanzenden Zahlen (immer zwischen 95 und 105 Dezibel – ein Glück, dass ich immer Ohrstöpsel dabei habe) zugeschaut – ob es wohl ein Gesetz gibt, dass vorschreibt, auf die Lautstärke hinzuweisen?
Der (Floh-)Markt im Palais Rameau.
Unser Sightseeing-Sonntag begann mit einem Besuch in einem (Floh-?)-Markt im Palais Rameau. Für zwei Euro Eintritt streiften wir bei Live-Jazz-Musik durch Second-Hand-Kleidung, handgemachten Schmuck, Möbel und viel Krimskrams. Ich aß erstmal eine Sirupwaffel zum Frühstück und freute mich wie eine Schneekönigin, als ich aus heiterem Himmel eine Freundin aus Wien traf.
Beim Spaziergang Richtung Stadtzentrum kamen wir zur Kathedrale, die mir von innen sehr gut gefiel – die Außenfassade sieht irgendwie nach Baustelle aus. Viele Tafeln erklären die Geschichte der Kirche, dazwischen stehen einige Kunstwerke, die nicht etwa Jahrhunderte alt sind sondern aus diesem Jahrtausend. Die bunten Stoffbahnen, die an den Säulen von der Decke hängen, verleihen dem Innenraum eine sehr luftige, fröhliche Atmosphäre.
Ein paar Straßen weiter, am Place du Théâtre, stolperten wir schon wieder in einen Flohmarkt: Der Innenhof der Vieille Bourse (der alten Börse), der mich sehr an den Arkadenhof des Wiener Uni-Hauptgebäudes erinnert, war voller Verkaufsstände mit alten Büchern, Zeitungen und Zeitschriften.
Auf der anderen Seite der Vieille Bourse befindet sich der Hauptplatz von Lille (s. a. Titelbild). Dank der Springbrunnen und den großen Palmen (in großen Kübeln, nicht im Boden) fühlte es sich dort fast wie im Süden an.
Auf der anderen Seite des großen Platzes kann man auf eine Straße voller Bars und Cafés einbiegen. Ich weiß nicht warum, aber diese Häuserreihe mit ihren Schildern und Leuchtschriftzügen, Sonnenschirmen und kleinen Tischchen verkörpert genau das, was ich als „französisch“ ansehen würde (zu viele Hollywoodfilme gesehen?). Sparfuchsige Studierende wie wir sind, kehrten wir aber letztlich nicht dort ein, sondern aßen Salat mit viel Baguette und Rotwein in unserem Appartment.
Coole Fassadendeko in Brüssel.Nach dem Checkout am Pfingstmontag gings weiter nach Brüssel, wo wir uns einfach vom Navi ins Stadtzentrum leiten ließen und sogar einen kostenlosen Parkplatz am Straßenrand fanden. Ich war schon mal für zwei Tage in Brüssel, habe aber nicht ausführlich genug gebloggt, um das als Reiseführer benutzen zu können. Deshalb ließen wir uns einmal wieder einfach durch die Straßen treiben.Ein ganzer Park voller Statuen.
Am Mont des Arts holten wir uns Waffeln von einem Verkäufer in einem gelb lackierten VW-Bulli und hörten verschiedenen Straßenmusiker_innen zu. Und ich fotografierte Graffiti:
Überhaupt, dieses „Laisse les filles tranquilles“ begegnete mir noch mehrmals auf dem Spaziergang durch Brüssel – als Stencil am Boden, als Poster an der Wand oder Sticker am Laternenmasten. Leider konnte ich nicht ergoogeln, was es damit auf sich hat. Ich hoffe einmal, es zeigt seine Wirkung und minimiert Belästigung im öffentlichen Raum wenigstens ein bisschen!
Die Regenbogenflaggen überall bewirken hoffentlich ähnliches – auch wenn sie offenbar nur während der Pride Week die Stadt verschönerten.
Nach obligatorischen Frites belges liefen wir weiter zum Grand Place, der sehr voll mit Menschen war. Die Gebäude dort sind alle ziemlich stark vergoldet und ich erinnere mich, dass ich bei meinem letzten Besuch dachte, dass das nicht zu toppen sei – bis ich den Place Stanislas in Nancy sah.
Rund um den Bahnhof Bruxelles Central, wo wir uns noch im Supermarkt mit Snacks für die Heimfahrt stärkten, sieht die Architektur diametral anders aus: Alles schnörkellos schwarz, weiß und grau – und zwar so kompromisslos, dass es fast wie eine Kulisse aussah! Die Militärlastwägen mit schwerbewaffneten Soldaten in Tarnfarben fielen im Kontrast ziemlich auf. Ich gewöhne mich aber wahrscheinlich auch nie an Maschinengewehre im öffentlichen Raum…
Wenn alles wie geplant läuft, werde ich in Kürze nochmal nach Brüssel reisen, vielleicht kann ich dann ja mal einen „richtigen“ Reiseführer-Post schreiben! :D