
Es ist schon lange nicht mehr passiert, dass ich einen ganzen Roman in weniger als einer Woche fertiggelesen habe. Bei Vienna Falling von Fabian Navarro war aber genau das der Fall. Ich fand die Erzählung so lustig, dass ich einfach nicht aufhören konnte zu lesen.
Der Plot ist absurd: Ein deutsches Ehepaar ist zum Sightseeing in Wien, als sich direkt vorm Stephansdom ein unendlich tiefer Spalt auftut. Die Hauptfigur Renate sieht zu, wie ihr Mann Jürgen hineinstürzt und verschwindet. Sie macht sich gemeinsam mit einem Kammerjäger-turned-Geisterjäger auf eine abenteuerliche Suche und findet am Ende…sich selbst? Zwischendrin kämpft sie mit der Wiener Bürokratie, einem obskuren Geheimbund und Gestalten aus anderen Jahrhunderten.
Ich mochte sehr, auf welche Art und Weise Navarro die Charaktere zeichnet:
Renate dachte daran, wie hilflos Jürgen sie vor dem Stephansdom angesehen hatte. Es war der gleiche Gesichtsausdruck, den er aufgesetzt hatte, als sie ihn an einem hektischen Tag bat die Waschmaschine einzuschalten. Er stand im Hauswirtschaftsraum und starrte, den Weichspüler in der Hand, regungslos auf die einzelnen Fächer der Einfüllklappe. […] Dass es Dinge gab, die seine Kompetenz überstiegen, ignorierte er meisterlich. Und genau das machte Renate Sorgen. Nicht nur die Tatsache, dass Jürgen zig Meter hinab in einen Abgrund gefallen war, sondern der Umstand, dass er diesen Blick aufgesetzt hatte.
Vienna Falling, S. 23
Der absolut unerträgliche Startup-Bro erscheint im Buch nur in Form von E-Mails, bei deren Ton es mich geschüttelt hat – aber auch da wird nach drei Zeilen klar, welcher Typ er ist.
Hey Waltzys,
Vienna Falling, S. 17
ich schulde euch ein dickes SORRY. Viele von euch haben versucht mich zu erreichen. Wie ihr wisst, ist mir Mental Health sehr wichtig, sonst hätte ich niemals dieses Projekt angefangen. Deshalb war ich auch die letzten Wochen bei meinen Eltern in Salzburg, um mal den Kopf freizumachen und Bergluft zu atmen. Gras anfassen, sich wieder spüren – ihr versteht.
Was ich sehr nett fand, waren die vielen beiläufig eingebauten Memes, z.B. das Roman Empire:
„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie damit gelangweilt habe. Meine Tochter verdreht auch immer die Augen. Sie meint, ich denke zu viel an das römische Reich.“
Vienna Falling, S. 95
Ich musste beim Lesen öfter an Elias Hirschls Content (s. Zuckersüß 506) denken, und wenn ich mich nicht irre, gab es sogar einen kleinen Verweis darauf – das Essen für eine Party wurde per rabbiz geliefert. Ob der Roman für Leute, die nicht so viel Wien-Bezug haben und die vielen kleinen Anspielungen (Schachereien im Magistrat, Boulevardpresse, Bezirke) daher nicht unbedingt bemerken, auch so lustig ist, weiß ich nicht. Ich habe mich jedenfalls sehr gut amüsiert.
Beim Schlussatz des vorletzen Kapitels stutzte ich aber: War Renate im Zuge ihres Städtetrips schon so Wienerisch geworden, dass sie „Es ist sich ja noch immer alles ausgegangen.“ sagt? Die Anfangs-Renate hätte nämlich vermutlich nicht einmal verstanden, was damit gemeint ist, so deutsch wie sie ist.

Hi, ich bin Jana. Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Redakteurin bei futurezone.at, als freie Audio-/Kulinarikjournalistin und Sketchnoterin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der 

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