Bab Al-Yemen

das Tor zum Jemen, oder jedenfalls jemenitischer Küche

Bab al Yemen, Troststraße 62, 1100 Wien

Das Bab Al-Yemen begegnete mir im Frühsommer viel auf Social Media, im Anschluss häuften sich Empfehlungen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Und so traf ich den Entschluss, mit einer größeren Runde an Freund_innen hinzugehen, um möglichst viele verschiedene Gerichte dort probieren zu können. Bis wir einen Termin gefunden hatten, sollte es Ende September werden, aber immerhin waren wir zu zwölft!

Die Koordination unserer Bestellung war wohl das schwierigste, schließlich schrieb jeder seine präferierte Vorspeise und Hauptspeise auf einen Zettel. Von dieser Liste wurden quasi-diktatorisch sieben Hauptgerichte ausgewählt, weil die Portionsgrößen ziemlich groß zu sein schienen.

Wir starteten mit einer Auswahl an Vorspeisen: Hummus mit viel Olivenöl, Baba Ghanouch (Dip aus gerösteten Melanzani, obenauf Granatapfelsirup), Muhammara (Walnuss-Paprika-Dip, ebenfalls mit Granatapfelsirup) und Muttabal, mein Favorit (Melanzani-Joghurt-Dip mit Olivenöl und Sumach). Außerdem Sahawiq, eine überaus knoblauchige Tomatensauce zum Eintunken und natürlich Malawah und Ratib.

Dieses Fladenbrot hat mich in seiner runden Blättrigkeit stark an marokkanisches Msimn erinnert, und mich gleich in ein Recherche-Rabbit-Hole gestürzt. Wie ich aus der Wikipedia lerne, hat es seinen Ursprung in der mittelalterlichen jüdischen Community in Andalusien. So kam es offenbar auch nach Marokko (leider finde ich keinen Beleg für Msimn als spezifisch jüdisches Brot). Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurde Malawah auch in Israel immer verbreiteter, weil jemenitische Juden/Jüdinnen dorthin emigrierten. Ein Rezept, einmal um die halbe Welt geschickt, wegen religiösem Fundamentalismus…

Loosely related: Hana Mash Hu Al Yaman ist der einzige (und super coole!) jemenitische Song, den ich kenne, vom yemenitisch-israelischen Schwestern-Trio A-WA.

Aber zurück zu unserer großen jemenitischen Tafel. In sehr kurzen Abständen landeten mehrere dampfend heiße Ton-Teller mit Eintöpfen darauf: Bamia, auf Basis von Okra und Tomate (12€), Hähnchen-Sanouna (13€) mit zerzupftem Hendl, Zucchini, Kartoffeln und weiterem Gemüse. Nicht im Bild: Bohnen-Eintopf (12€), ebenfalls auf Tomatenbasis, und Fisch-Sanouna (16€).

Mein liebstes Hauptgericht war ganz klar das Lamm Mandy (20€), und das weniger wegen des zweifellos super geschmorten Lammhaxens, sondern vor allem wegen des großartigen Reis: locker, buttrig, würzig, voller Safran. Wir haben gleich noch eine Extraportion (6€) davon bestellt. Noch mehr zart gegartes Fleisch gabs beim Akda Lamm (14€), das mit Kartoffeln, Kräutern und Tomatenstückchen serviert wurde.

Die Nachspeisen schienen sich alle recht ähnlich zu sein, wir bestellten auf gut Glück zwei davon: Masoub (11€), zerzupftes Fladenbrot mit Bananen, Honig, Sahne und Schwarzkümmel, und Arykah Malaki (13€) was dasselbe mit Datteln war. Den königlichen (Malaki auf deutsch) Unterschied konnten wir nicht so feststellen – während die Bananenvariante eher pudding-weich war, war die mit Datteln entsprechend bröseliger. Zum Essen, und dann auch zum Dessert, tranken wir picksüßen Schwarztee mit Zimt, Nelken und Kardamom, der mich schwer and den Chai, den ich 2010 im Sudan getrunken habe, erinnert hat. So gut!

Ich war noch nie zuvor jemenitisch essen, nur als Kind mal im Nachbarland Oman (was ich v.a. bzgl. Reis ganz ähnlich in Erinnerung habe) und es hat mir wirklich sehr getaugt. Man merkt dem Bab Al-Yemen an, dass es mal Wiener Wirtshaus war (auf der Markise steht auch noch „zeitgemäße Wirtshauskultur“, was ich sehr lustig finde), da können auch die Polster und Wand-Dekorationen aus schwer gewebtem Stoff nichts ändern.

Abgesehen von der Architektur war der Vibe aber ziemlich arabisch (also ganz ähnlich zu dem, was ich an Gastlichkeit von Marokko bis Oman wahrgenommen habe): begonnen von den vielen Angestellten, die herumwuseln, über die Plastiktischdecken, die einfaches Abräumen inkl. aller übrig gebliebener Knochen, Strohhalme und Brösel ermöglichen, bis hin zur Getränkeauswahl: Softdrinks, Wasser in Halbliter-PET-Flaschen, frisch gepresste gezuckerte Säfte (mit 6€ aufwärts nicht ganz günstig) bis hin zu süßem Chai aus der Thermoskanne, und kein Alkohol. Das Dessert wurde aus unerfindlichen Gründen mit Plastiklöffeln serviert (btw, genau wie die Torte bei der marokkanischen Hochzeit, bei der ich neulich war), die zusätzlichen Teller kamen frisch abgespült (aber nicht abgetrocknet) zum Tisch. Das Licht war engergiesparlampen-kalt, Musik nicht vorhanden, der Service für österreichische Gewohnheiten eher eigenwillig. An den anderen Tischen wurde ausnahmslos arabisch gesprochen, ich glaube, wir waren eine eher untypische Gruppe. Ich fühle mich in dieser Umgebung ziemlich wohl, sie ist mir weit lieber als die auf Hochglanz polierte, orientalistisch-touristische Atmosphäre manch anderer arabischer Restaurants.

tl;dr: Super Abend, super Essen, erstaunlich günstig (270€ für alles, mit Trinkgeld waren das dann nur 25€ pro Person), ich würde Bab Al-Yemen v.a. für größere Runden sofort weiterempfehlen.



Hi, ich bin Jana.
Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

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Im Zuckersüß sammle ich (fast) jeden Sonntag meine liebsten Links der Woche: Rezepte für die Nachback-Liste, lesenswerte Blogposts, Zeitungsartikel und Longreads, Podcasts oder Musik, die mir gerade gefällt und oft genug auch Internet-Weirdness. Außerdem schreibe ich auf, was ich sonst so interessant fand: neue Rezepte in meiner Küche, Lokale, in denen ich gegessen, Pullover, die ich gestrickt oder Texte, die ich geschrieben habe.