Sartory, Maximilianstraße 40, 86150 Augsburg
Im März bin ich unerwarteterweise im Sartory gelandet. Von dem Fine-Dining-Restaurant im Hotel Maximilians mitten in der Augsburger Innenstadt hatte ich zuvor noch nicht gehört, und bin deshalb ungewohnt unvorbereitet am Tisch gesessen. Üblicherweise lese ich mir nämlich jedenfalls ein Beispiel-Menü oder sogar ein paar Kritiken durch, bevor ich mich entscheide, ein paar hundert Euro in ein Abendessen zu investieren. An diesem Abend wurde ich aber von Verwandten dorthin eingeladen, hatte also weder mit der Lokal-Auswahl noch der Rechnung zu tun, auch mal schön!
Im Glas Roséchampagner La Rivière (2015) von Louis Roederer, denn offenbar hat das Restaurant mit die größte Rosé-Champagner-Auswahl des Landes (ich dagegen habe meiner Erinnerung nach noch nie zuvor Rosé-Champagner getrunken). Dazu dann gleich Snacks: Russisches Ei als Tartelette mit Chicoree und fein gehobeltem, eingelegten Schwarzwurzeln, Bao Buns mit Matjes, samtiger rote-Bete-Creme und Dill. Die Kartoffelravioli habe ich mich allergiebedingt nicht zu essen getraut (weil womöglich nicht komplett durchgekocht?), drin war offenbar Kaviar. Dieser Gang war von allen der schwächste, ich fand die Tartelettes zäh, und die Baobuns ein zu trocken. Schade, enttäuschender Start. In der Espressotasse gabs dann noch ein paar Schlucke Beluga-Linsen-Suppe mit Schaum und süßem Balsamico.
Weiter mit dem Brotgang: Saftiges Milchbrot mit Kartoffelwürfeln und Röstzwiebeln drin, dazu luftige Sauerrahmbutter (die für meinen Geschmack noch etwas Salz vertragen hätte) und Schnittlauchpulver, daneben eine Praline vom Schwein mit Johannisbeer(?)-Gelee überzogen auf schwarzer Schalottencreme. Die hätte ich auf den ersten Blick beinahe für dunkel geratenen groben Senf gehalten, aber ihre karamellige Süße sprach beim ersten Bissen aber sofort für Zwiebelgemüse.
Die Jakobsmuschel, süß und fest und super, auf lauwarmer Ochsenmarkbernaise, dazu Apfel- und Trüffel-Stifte, ein bissl Salat und Kaffirlimettenöl (das ich aber nicht bemerkt hätte, stünde es nicht im Menü).
Die auf Meersalz gegarte Roscoff-Zwiebel mochte ich sehr: außen geflämmt, innen mit Vacherin-Espuma (nicht ganz schaumig) gefüllt, auf karamellisierten Zwiebeln, mit Zwiebelessenz und Schnittlauchöl.
Der nächste Gang verwies subtil auf bayerische Aromen: Kabeljau mit geleeigem Onsen-Ei und quasi „Speckwürfeln“ ( Büffel-Landjäger) obenauf, dazu eine Beurre Blanc mit Champignons, fein gehobelte Champignons, Sauerkrautgelee und -Mus, und ein knuspriges Spitzkohlblatt.
Zwischendurch ein Schluck warmer Roiboos mit Zimt, Kakaoschalen und Whiskey, letztere drei äußerten sich vor allem im Duft.
In der Hauptspeise dann Fleisch und noch mehr Fleisch: Rinderfilet mit Asche-„Hülle“ in Jus, süßes hausgemachtes Pastrami, ein Hippen-Strudel gefüllt mit geschmortem Ochsenschwanz, eine süß-angekohlte Frühlingszwiebel, Kapuzinerkresse und buttrige Streusel obenauf. Hier hätte ich mir im Nachhinein was zum Auftunken gewünscht, der Jus war nämlich sehr intensiv. Immerhin die Asche brachte einen bitteren (und spannenden!) Kontrast dazu.
Das Pre-Dessert bekam ich allergiebedingt in der halben Ausführung: leichtes Fenchel-Anis-Eis mit Honignote und ein bisschen gefrorener Limette obenauf, aber ohne fermentierten Staudenselleriesud und frischen Selleriesaft.
Das Dessert von Mandarine & Tandoori hat mir sehr getaugt: Mandarinen-Sorbet, -Püree, und -Filets auf sehr luftigem Jogurt, mit angegossenem Tandoori-Öl, Estragon (glaube ich? Kräuterkunde ist nicht ganz meine Stärke), Erdnüssen und auf der Zunge prickelndem Honeycomb. Die Existenz dessen habe ich völlig vergessen, das könnte ich auch mal wieder machen! Die ganzen Erdnüsse wirkten inmitten des fruchtigen Desserts allerdings irgendwie ein bisschen verloren, sie schmeckten mir auch ein bisschen zu „grün“?
Ganz zum Schluss noch ein tolles Betthupferl: frisch herausgebackene Churros mit Dulce de Leche und 72% dunkler Schokocreme zum Eintunken. Daneben Quinoa Sablé (Mürbteig mit ein paar Quinoakerndln drin), mit Lemon Curd und ziemlich saurer Meringue.
Die Menükarte hatte ich zum Schluss wieder fast unleserlich mit Notizen vollgekritzelt, die hard facts standen aber ohnehin auf einem anderen Kärtchen: Das Menu du Chef gabs von fünf (179€) bis sieben (199€) Gängen und auch in einer vegetarischen Variante (139€). Auf die Weinbegleitung haben wir zugunsten zweier Flaschen Umathum Sankt Laurent Reserve verzichtet.
Das Sartory ist clean/cool in grau-weiß gehalten, mit höchst bequemen Sesseln (dieselben wie im Mraz&Sohn und OIS/Mühltalhof), tischdeckenlosen anthrazitfarbenen Tischen, Vitra-Tischlampen und dunklen Leinenservietten, der eher lockere Service ist in beigen Chinos unterwegs. Im Hintergrund lief fast unmerklich laut Soul und RnB. An diesem Freitagabend war das Restaurant etwa halb voll, mit recht unterschiedlichem Publikum (vermutlich Hotelgäste). Abgesehen von meiner kleinen Schwester war ich dort aber trotz des eher jugendlichen Gesamt-Vibes bestimmt die jüngste.