„Nervous Conditions“ – Tsitsi Dangarembga

Ein Büchereibuch

Dieser Roman aus dem Jahr 1988 war zuletzt Thema meines Buchclubs (davor u.a.: The Dispossessed – Ursula K. Le Guin und Normal People – Sally Rooney), und wieder einmal wäre ich ohne die Runde nie daraufgekommen, ihn zu lesen. Es ist das erste Buch einer Trilogie von Tsitsi Dangarembga, die ihr Heimatland Simabwe zu Kolonialzeiten als Schauplatz gewählt hat.

Im Zentrum steht Tambudzai, ein Mädchen, das in den 1960er Jahren unter ärmlichsten Verhältnissen auf einem kleinen Bauernhof aufwächst. Sie will unbedingt zur Schule gehen, was ihr aber verwehrt bleibt, weil ihre Familie die Gebühren nur für den älteren Bruder aufbringen kann. Mit großem persönlichen Einsatz, gegen alle Widrigkeiten, schafft sie es schließlich doch an die Grundschule, und später auf die weiterführende Schule einer evangelikalen Mission, zur Familie ihres in Großbritannien gutausgebildeten Onkels Babamukuru. Dort ist sie anfänglich vom „Luxus“ – der nur aus ihrer absoluten Armut heraus so wirkt, Jahre später würde sie die Einschätzung revidieren – eingeschüchtert: Sie hat ihr eigenes Bett, mehrere Garnituren Kleidung und muss niemals hungern.

Ihre Cousine Nyasha, mit der sie ihr Zimmer teilt, hält sie für hochnäsig und verzogen, weil sie immer wieder an den strikten patriarchalen und rassistischen Strukturen um sie herum rüttelt. Nicht, dass Tambudzai selbst diese Strukturen nicht bemerken würde…

My mother said being black was a burden because it made you poor, but Babamukuru was not poor. My mother said being a woman was a burden because you had to bear children and look after them and the husband. But I did not think this was true. Maiguru was well looked after by Babamukuru, in a big house on the mission […] Maiguru was driven about in a car, looked well-kempt and fresh, clean all the time. She was altogether a different kind of woman from my mother. I decided it was better to be like Maiguru, who was not poor and had not been crushed by the weight of womanhood. ‚I shall go to school again,‘ I announced to my parents.

„Nervous Conditions“ – Tsitsi Dangarembga – S. 33

…aber Nyasha versucht außerdem, sich gegen das Kolonialregime zu stemmen, was leider in einer der titelgebenden Nervous Conditions endet.

the more I saw of worlds beyond the homestead the more I was convinced that the further we left the old ways behind the closer we came to progress. I was surprised that Nyasha took so much interest in the things our grandparents and great-grandparents hat done. […] When I confronted Nyasha with this evidence of the nature of progress, she became quite annoyed and delivered a lecture on the dangers of assuming that Christian ways were progressive ways. ‚It’s bad enough‘, she said severely, ‚when a country gets colonised but when the people do as well!

„Nervous Conditions“ – Tsitsi Dangarembga – S. 218

Ich bin echt erstaunt, wie hoffnungsfroh das ganze Buch wirkt – trotz der unendlich vielen Ungerechtigkeiten, die Tambudzai und die anderen Frauen erfahren. Tsitsi Dangarembga schafft es, die sexistischen und rassistischen Diskriminierungen, die ihre Figuren betreffen, emotional und intellektuell nachvollziehbar zu machen, ganz und gar ohne akademische Sprache. Damit ist Nervous Conditions das glatte Gegenteil von Mithu Sanyal’s Identitti (das mein Buchclub vor ein paar Monaten besprochen hat), das gefühlt in jedem zweiten Satz auf Intersektionalität, Postkolonialismus und andere hochtrabende Konzepte zurückgreift. Ich glaub, ich muss die nächsten zwei Bände auch noch lesen!

Tsitsi Dangarembga: Nervous Conditions. Faber (2021), 298 Seiten, £8,99.



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Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Podcastproduzentin und freie Kulinarikjournalistin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der About-Seite.

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