
Tohru in der Schreiberei, Burgstraße 5, 80331 München
Anfang November wurde ich nach München „entführt“, für ein Menü (320€) bei Tohru in der Schreiberei. Der Abend sollte eine Geburtstagsüberraschung für mich sein, die leider aus Unachtsamkeit frühzeitig aufgeflogen ist. Um zumindest ein bisschen Überraschung aufrechtzuerhalten, hab ich im Vornhinein nix zum Restaurant nachgelesen (wie ich das tun würde, wenn ich selber aussuche) aber aus Anke Gröners langjährigen Blogberichten (z.B. 2022) wusste ich schon in etwa, was uns erwarten könnte.

Das Restaurant befindet sich am Ende einer schmalen steilen Treppe in der Schreiberei in der Münchner Innenstadt. Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert (leider habe ich sie nicht fotografiert, neben verschiedenen Stadtwappen und einem berauscht wirkenden Esel war auch eine Inschrift mit Teufel und Wein zu sehen), dunkelgrüne Wände und lederne Drehsessel machen es ziemlich gemütlich.
Im Hintergrund lief dezenter Soul, ich erinnere mich jedenfalls an einen Track von Leon Bridges. Von den anderen Gästen im großen Speisezimmer sah ich fast nix, insgesamt schien es ein ausgewogener Mix von Hiesigen, Weitangereisten, Jüngeren (~30) und Älteren (~60) zu sein.


Noch vor dem Aperitif bat man uns in die Küche und stellte das ganze Team (zwei Frauen, sonst nur Männer) namentlich und mit Aufgabenbereich vor, was ich sehr nett fand.
Zum Ankommen und Aufwärmen gabs zunächst einen feinen Porzellanbecher mit intensivem Fonds bzw. Pilz-Dashi.


Als Aperitif für mich Hibiki Fizz (25€) mit japanischen Whisky, Sake und einem sich sehr schnell auflösenden Genmaicha-Tonic (offenbar einfach Fevertree kalt gezogen mit dem Tee), deutlich rauchig, dazu bissl Grüntee/Reisaroma, insgesamt erstaunlich luftig.
Die Tarbouriech Auster war in Panko herausgebacken, halbiert und mit Salzflocken und Limettenzeste bestreut. Zum Eintunken eine Creme auf Seidentofubasis, mit Bröseln und Limette und winzig fein gewürfeltem rot eingelegtem Gemüse (irgendwas kohl-artiges?).


In der dünnen knusprigen Tartelette saß eine Sphäre überzogen mit Saiblingsgelee, gefüllt mit kühlem Saibling und Rogen, außenherum frittierte Schnörkel vom Saibling (keine Ahnung, welcher Körperteil), hauchdünne fruchtig-bissfeste Bete-Kreise und Mädesüß, das ich nie zuvor probiert hatte. Sehr filigran, super!
Koshihikari brachte der namensgebende executive chef Tohru Nakamura selbst zum Tisch, und beschrieb es mit – Zitat – „sehr vielen Worten für eine Schüssel Reis“. Der war mit Reis- und Quittenessig abgeschmeckt, darauf saß ein ganz leicht grill-rauchiger, glasierter Aal und ein großer Löffel Kaviar. Die hübschen Blätter – Oxalis aka Sauerklee – lieferten die Säure in diesem sehr beruhigenden Gericht, klar unter den Favoriten des Abends.

Den Bretonischen Hummer bekam ich in einer allergiebedingten Abwandlung ohne rohen Paprika (meine Tischgefährt_innen schwärmten schwer vom Original). Das feste, nussige Hummerfleisch thronte neben einer intensiven Romescosauce. Die Schnitte daneben bestand aus hauchdünnen, anfrittierten (?) Brotscheiben gefüllt mit Hummerfarce. Obendrauf lagen Spalten aus fester, frisch schmeckender grüner Olive, Frisée und Kapuzinerkresse. Statt Paprika bekam ich winzige Karfiolröschen, die subtil sauer eingelegt und leicht angegrillt waren.
Etwa an dieser Stelle trank ich ein Glas hausgemachte Holler-Yuzu-Limo(?)(19€), musste aber feststellen, dass der Chenin Blanc „Le Parc“ Savennieres von der Domaine FL-Fournier Longchamps Loire 2020 (25€), den meine Begleitung im Glas hatte, mein liebster Wein des Abends war.

Der Balfegó Tuna hat mich schwer beeindruckt, vor allem wegen des hauchdünn geschnittenen, feinst marmoriertem und entsprechenden zarten Ozaki Wagyu Tartar. Eingelegte, fleischige Steinpilzstücke und Pinienkerne lieferten Texturkontrast, ein Wachteleidotter und eine Crème Crue mit Dashi verliehen viel Cremigkeit.
Ich trank dazu Palomino La Riva Macharnudo von Bodegas De La Riva 2020 (35€) aus der glasweisen Weinbegleitung, den der Sommelier als „sehr oxidativ“ und eine meiner Tischgefährt_innen als „fast wie Dessertwein“ beschrieb. Ich musste an Ananas und andere tropische Früchte denken, genau wie beim Kombucha (19€), den meine Begleitung im Glas hatte.



Das Chawanmushi kam mit einer Landkarten- und Rezeptillustration… und metallenen „Miesmuscheln“ als Besteck daher. Der sehr sanfte Eierstich versteckte sich unter Kaffirlimettenvinaigrette, Kürbis mit nussigem getrockneten Seegras, und Schwertmuschel-Scheibchen. Am liebsten waren mir allerdings die Miesmuscheln im Sanddorn-Überzug.

Der angegrillte Steinbutt wurde von einer Beurre Rouge und großartigem Jus begleitet, obenauf zwei halbe – aber bemerkenswerte Zwiebel-Happen der Sorte Höri-Bülle in drei Konsistenzen. Mit einem kleinen Stück Focaccia tunkte ich alles auf.


Das buttrigzarte Herrmannsdorfer Schweinekinn war unter geschmorter Melanzani, „Stroh“ aus Ingwer, Anchovies und XO Sauce versteckt. Als fleischlose Alternative wurde eine Rotbarbe mit Kimchi Beurre Blanc und Artischocken serviert.


Zum rosa Poltinger Lamm gab es ein Lamm-Raviolo mit hübschem Kräuterbeet, Artischocken, zweimal Feigen und intensivem Jus (um dessen letzten Rest im Minitopf meine nicht-vegetarischen Tischgefährt_innen beinahe zu Streiten begonnen hätten). Diesen Gang und auch den Wein dazu (Barolo Bussia von Aldo Conterno 2019, 39€) mochte ich nicht besonders, vieles daran (das Lamm, das Tannin) war mir too much.
Die fleischlose Alternative war dagegen geradezu maßgeschneidert für meine Begleitung: Wolfsbarsch auf Kimchi-Beurre-Blanc mit Liebstöckel-Öl und dazu allerlei Kohlgemüse.


Zum Abschluss gings zum Waldbaden, beginnend mit einem warmen Madeleine mit ätherisch-zitrusiger Douglasie und (nicht für mich) Karottenblümchen.


Es folgte eine ganze Szenerie an süßen Kleinigkeiten: Eiskonfekt im Schokoüberzug mit Maitake-Schwammerl, Maronipüree und Preiselbeergelee (oder so?). Yatsuhashi war ein Mochiteigblatt mit Sojamehl und Zimt, gefüllt mit Hagebutte.


Bratapfel: Ein knuspriger, fast waffeliger Keks mit stark reduziertem Apfelmus in Goldüberzug, darauf minimini Meringue, geröstete Bucheckern, Yuzu-Gelee und Apfelscheiben (für mich nicht).
Knusperblatt: Die Blatthippe aus Eichelmehl und Earl Grey Creme und Krokant war nussig und für mich ganz neu. Leider musste ich feststellen, dass ich nun dringend Eicheln auf meine Allergenliste setzen muss, ein eilg nachgeworfenes Anthistaminikum verhinderte glücklicherweise weitere Eskalation.


Zu allerletzt noch Dim Sum: ein deutlich salziges Germknöderl mit loser Porung, ankaramellisiertem Boden und Zwetschgenfüllung kopfüber auf einem Amazake-Eis, das mit weißer Schokolade überzogen war. Rundherum fein eingelegte Apfel(?)röschen, Buchweizencreme und säuerliche Zwetschgensauce. Für alle anderen gabs auf dem Teller auch noch karamellisierte Haselnüsse.

Liebe (und marketingmäßig gut durchdachte) Geste zum Abschluss: zwei Postkarten, die wir beschreiben durften und die dann vom Restaurant verschickt werden. Bei einer Zeche (inkl. Trinkgeld) von 1.900€ für vier fällt das Porto aber wirklich nimmer ins Gewicht ;‘)

Hi, ich bin Jana. Seit 2009 veröffentliche ich hier wöchentlich Rezepte, Reiseberichte, Restaurantempfehlungen (meistens in Wien), Linktipps und alles, was ich sonst noch spannend finde. Ich arbeite als Redakteurin bei futurezone.at, als freie Audio-/Kulinarikjournalistin und Sketchnoterin. Lies mehr über mich und die Zuckerbäckerei auf der 

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