Reznicek, Reznicekgasse 10, 1090 Wien
Ich bin damit very late to the party, aber egal: Das Reznicek ist mein neues Lieblings-Wirtshaus der Stadt.
Ich stolperte vor knapp vier Wochen *direkt* nachdem ich meine Masterarbeit abgegeben hatte, kurz vor 21 Uhr (Reservierungsuhrzeit ursprünglich 20 Uhr, ziemlich ausgereizt, bin sehr froh über die Flexibilität!) in das Ecklokal in der namensgebenden Recnizekgasse. Auf mein Abgabedelirium hin (ich hatte die Nacht zuvor durchgeschrieben bzw. -redigiert) ließ ich mir erstmal einen Reznisekt (10€) einschenken, aus Morillon, der mir mit Apfelfruchtigkeit, Blumen und Honig im Gedächntis blieb. Dazu warmes Brot (luftig und locker, kaum gesäuert) mit fluffig aufgeschlagener Butter (gesäuert und gesalzen) (8€).
Als Vorspeise Kohlrabicremesuppe von der Tageskarte (8€), die wirklich SEHR gut war: cremig, aber nicht schwer, leicht säuerlich (vielleicht fruchtiger Wein drin? oder etwa Saft?), und gut salzig. Die Einlage, ein nicht zu vernachlässigendes Detail, war herausragend: Portwein-Birnen-Kugerl, Croutons, Fenchelsamen, Crème fraîche und Schnittlauch.
Meine Begleitung bestellte Karfiol Mandel Pilze (19€), und diesen Teller hätte ich bei dem Titel niemals erwartet: Kühles Karfiolmousse mit einer Mandel-Gelee-Schicht, fleischigen Schwammerln und leicht sauer eingelegten Mini-Karfiolröschen, dazu Kreise aus hellrosa Radicchio o.Ä. Das Gericht hat mich schwer beeindruckt, denn die Idee dazu ist auf eine Art wahnsinnig oldschool (Kohlgemüsemousse?!) aber doch eindeutig am Puls der Zeit und beeindruckend gut sowie visuell überraschend umgesetzt.
Als Hauptspeise entschied ich mich für das schon stadtberühmte Cordon Bleu (28€), das nun mein neuer Cordon-Bleu-Goldstandard ist. Saftig, knusprig paniert mit ein paar Salzflocken, mit intensiver Bergkäsefüllung, Preiselbeeren und Zitrone, dazu sahniger Gurkensalat mit Dill und Knoblauch.
Meiner vegetarischen Begleitung blieb bei nur einer fleischlosen Hauptspeise nicht viel Auswahl, aber auch die war sehr gut: fluffige angebratene Schupfnudeln mit ziemlich salzigem, geschmolzenem Taleggio, eingelegten Karotten, Croutons und grünem Öl (vermutlich aus Karottengrün?). Dazu ein Salat mit Apfelstifteln und Croutons in einem senfigen Joghurt-(oder Mayo?)-Dressing (21€).
Wir teilten uns ein Dessert, das besser nicht hätte sein können: Kartoffelteigtascherl mit Powidlfüllung und Butterbröseln und sehr cremigem Pistazieneis (15€).
Ich war wirklich schon lange nicht mehr auf den ersten Bissen so begeistert von einem Restaurant wie dem Reznicek. Es ist schon ziemlich traditionell-konservativ, von den Wirtshaus-Fußbodenfließen über die alte Schank bis zur klassisch klingenden Speisekarte, aber das ohne auch nur im Ansatz altmodisch zu sein. Ganz im Gegenteil, das Restaurant fühlt sich nach etwas neuem an, fast avantgardistisch im Gesamtkonzept. Kein chichi, kein extra-instagrammable plating (wobei: das Porzellan mit Logo ist auch irgendwo auf dem Spektrum zwischen ur-altmodisch und für-Social-Media-wiederkennbar-gestaltet), keine wir-sind-jung-und-cool-und-provokant-Überspitzung, die bei neuen Wiener Gastroprojekten schon Standard geworden scheint. Stattdessen: vermeintlich bodenständig-schlichte Gerichte in herausragender Qualität, Top-Service und sehr angenehmes Ambiente, ums Eck.
Mein halbes Cordon Bleu (das ich zugunsten des Desserts nicht gleich aufessen wollte) bekam ich in einer besonderen Doggy Bag mit heim – ein Nah&Frisch-Plastiksackerl mit deutlichem 90er-Vibe aus dem Altbestand eines längst geschlossenen Greißlers, dessen Besitzer mit irgendwem im Küchenteam verwandt ist (so erzählte es jedenfalls die Kellnerin). Das wäre wohl noch das einzige halb-ironische Augenzwinkern der Kategorie wir-sind-jung-und-cool-und-provokant, aber es geht auch als nostalgische Ressourcenschonung durch. Ich freu mich schon auf meinen nächsten Besuch im Reznicek!