Mein Buchclub hat mich auf dieses Buch und auch die Autorin gebracht, in (feministischer) Science Fiction bin ich nicht sonderlich belesen.
Nach anfänglichem Hass (ja, wirklich) auf das unsäglich schlechte Papier mit verschwommenem Druck der aktuellsten britischen Auflage (das Original erschien 1974 in den USA) und Startschwierigkeiten mit dem ersten Kapitel kippte ich schnell in die Story hinein. Im Zentrum steht Shevek, ein begabter Physiker vom unwirtlichen Planeten Anarres mit anarchokommunistischer Gesellschaftsordnung, der beschließt, auf den kapitalistischen und in vielerlei Hinsicht reichen Schwesterplaneten Urras zu reisen, um seine wichtigste Theorie zu vollenden. Im Laufe dieses Abenteuers wird deutlich, dass weder das eine noch das andere System nur gute oder nur schlechte Menschen hervorbringt und er in beiden Welten Spielball politischer Interessen ist.
Der Roman ist episodisch erzählt und spielt abwechselnd auf den beiden Planeten, die Autorin macht dabei viele Aspekte auf, die nicht alle später wieder aufgegriffen werden, was ich recht unzufriedenstellend fand. Es ist spannend, „The Dispossessed“ im Hinblick auf feministische Theoriegeschichte zu lesen, Gleichheits- und Ökofeminismus ziehen sich von vorne bis hinten durch. Manche Frauenfiguren im Bild sind krass überzeichnet, zum Beispiel die reiche Ehefrau auf Urras. [Content note, in dem Kontext wird sexualisierte Gewalt beschrieben.]
„Vea was the body-profiteer to end them all. Shoes, clothes ,cosmetics, jewels, gestures, everything about her asserted provocation. She was so elaborately and ostentatiously a female body that she seemed scarcely to be a human being. She incarnated all the sexuality the Ioti repressed into their dreams, their novels and poetry, their endless paintings of female nudes, their music, their architecture with its curves and domes, their candies, their baths, their mattresses. […] Her breasts were covered. Ioti women did not go with naked breasts in the street reserving their nudity for its owners“
„The Dispossessed“ – Ursula K. Le Guin, S. 177
Während Urras eine herrschende und eine unterdrückte Klasse hat, arbeiten auf Anarres alle aus intrinsischer Motivation in der Branche, die sie eben am meisten interessiert. Die Wertigkeit von Erwerbsarbeit ist erfrischend anders gewichtet als in unserer Gesellschaft:
„This is a shockingly understaffed clinic […] some of these aides and doctors are working eight hours a day! Of course, there are people in the medical arts who actually want that: the self-sacrifice impulse. Unfortuantely it doesn’t lead to maximum efficiency“
„The Dispossessed“ – Ursula K. Le Guin, S. 102
Apropos maximale Effizienz, die Supercomputer im Universum von Ursula K. Le Guin sind aus heutiger Sicht sehr niedlich:
„The human/computer network of files in Divlab was set up with admirable efficiency. It did not take the clerk five minutes to get the desired information sorted out from the enormous, continual input and outgo of information concerning every job being done, every position wanted, every workman needed, and the priorities of each in the general economy of the worldwide society“
„The Dispossessed“ – Ursula K. Le Guin, S. 222
Das Ende des Romans kam dann sehr abrupt (wie dieser Blogpostschlusssatz…) und fiel so idealistisch aus, wie alles angefangen hatte.
Ursula K. Le Guin: The Dispossessed. Gollancz, 319 Seiten, £8,99.